Jens Spahns Auftritt beim Parteitag - So etwas lässt leider tief blicken

Der seltsame Werbeauftritt von Jens Spahn beim CDU-Parteitag hat nicht nur unter Parteifreunden für Irritationen gesorgt. Hier schreibt ein Mitglied der Christdemokraten und der Jungen Union, warum der Bundesgesundheitsminister ein echtes Foulspiel begangen hat.

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Autoreninfo

Thorben Meier, Jahrgang 1987, ist Mitglied der Jungen Union und der CDU in Nordrhein-Westfalen.

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Der 33. Bundesparteitag der CDU Deutschlands ist Geschichte. Die Partei hat als erste große deutsche Partei einen Parteitag komplett digital durchgeführt. Armin Laschet hat das Rennen um den Parteivorsitz der letzten deutschen Volkspartei denkbar knapp für sich entschieden und zumindest bei den Delegierten eine Mehrheit errungen.

Angetreten war Laschet bekanntlich im Team mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Und eben dieser sorgte bei diesem Bundesparteitag mit einer doch recht bemerkenswerten Aktion für eine Negativdefinition von Fairness und für ein Paradebeispiel dafür, wie man es besser nicht machen sollte. 

So hätte es weitergehen können

Was war geschehen? Vor der Vorstellung der Kandidaten wies Generalsekretär Paul Ziemiak darauf hin, dass im Anschluss an die Reden der Kandidaten zum Parteivorsitz Fragen gestellt werden dürften. Die Delegierten stimmten mit großer Mehrheit dafür, die Zeit pro Fragesteller auf eine Minute zu begrenzen. Danach folgten die – allesamt engagierten und ausgesprochen fairen – Reden der drei Kandidaten.

Auch die Fragerunde begann vielversprechend: Die erste Frage kam von dem profilierten Neuköllner Kommunalpolitiker Falko Liecke und betraf das enorm wichtige Thema Clankriminalität. Innere Sicherheit. CDU-Kernkompetenz. Eines dieser Themen, wo die Union stets zusammensteht und wo mutige Kommunalpolitiker wie Falko Liecke jede Unterstützung verdienen. Die Antworten der Kandidaten waren dementsprechend klar, sachlich und zeigten jedenfalls bei diesem Thema eine große Einigkeit.

So in der Art hätte es weitergehen können. Dachte man jedenfalls. Als nächsten Fragesteller kündigte die Parteitagsregie Jens Spahn an. Überraschung. Stirnrunzeln. Der Co-Kandidat als normaler Fragesteller? Und tatsächlich, Spahn begann seinen Beitrag mit einem Satz, der auf jeder Parteiveranstaltung gefürchtet ist: „Ich möchte weniger eine Frage stellen...“ führte Spahn in eines dieser berühmt-berüchtigten „Ko-Referate“ ein.

Der einzige Fehler

Was folgte, war tatsächlich keine Frage, sondern eine völlig deplatzierte Bewerbungsrede für Armin Laschet. Und damit die zweite an diesem Tage! Quälende 1 Minute und 22 Sekunden, die Spahn redete und dabei die Vorzüge seines Teamkollegen anpries. Es zog sich immer länger hin, und mit jeder Sekunde und mit jedem Satz wurde es unangenehmer, peinlicher und man hoffte auf die Erlösung durch die Parteitagsregie. Doch die blieb erstaunlicherweise aus. Obwohl man sich vorher auf eine Zeitbegrenzung von einer Minute verständigt hatte, griff niemand ein. Der einzige Fehler einer ansonsten hochprofessionellen und fairen Parteitagsregie.

Nachdem Spahn nach schier endlosen anderthalb Minuten endlich fertig war, herrschte wohl nicht nur bei den Kandidaten auf der Bühne Ratlosigkeit. Ein bizarrer Auftritt. Die ersten Reaktionen waren ähnlich: „Was war das denn jetzt?“ Einer der profiliertesten und erfahrensten Berufspolitiker der Union ruft mal eben so bei einem Parteitag an, hält in der Fragerunde einen ellenlangen Bewerbungsmonolog für „seinen“ Kandidaten, den er öffentlich schon seit Monaten unterstützt, und beantwortet langwierig Fragen, die ihm niemand gestellt hat. Ist das wirklich passiert? Kann das überhaupt sein? War das da wirklich Spahn? Oder war das nicht doch vielleicht Hape Kerkeling, der gleich grinsend um die Ecke stiefelt? Aber nichts dergleichen passierte, das war wirklich Spahn. 

Ein grobes Foul

In meinen Augen – und viele Rückmeldungen bestätigen diese Einschätzung – war das ein grobes Foul. Im Fußball hätte das gelb-rot bedeutet. Das tut man nicht, so geht man nicht miteinander um. Schon gar nicht in dieser Position. Das war eine unfaire Attacke. Und egal, ob Armin Laschet vorher davon wusste oder nicht: Da wurde in anderthalb Minuten durch seinen Teamkollegen viel Vertrauen zerstört. Damit wird auch der neue Vorsitzende umgehen müssen.

Vor Armin Laschet liegt nun die Aufgabe, die verschiedenen Lager der Partei zu einen, die Basis ins Boot zu holen, von sich zu überzeugen und die Union glaubhaft als bürgerliches Bollwerk gegen einen rot-rot-grünen Linksblock zu positionieren. Ich hoffe sehr, dass ihm dies gelingt und glaube, dass das im Interesse aller ist und man sich dem nicht verschließen sollte. Aber es dürfte durch Spahns Auftritt gestern nicht unbedingt einfacher geworden sein.

Wollte Spahn sich selbst profilieren?

Natürlich, man sollte das nicht überbewerten. Das war kein Weltuntergang. Wegen des Auftritts von Jens Spahn hat Laschet nicht gewonnen. Das war nicht wahlentscheidend. Es war im Grunde ein Nebenereignis. Aber: Gerade solche Nebenschauplätze verraten bisweilen mehr über jemanden als alle Reden und Talkshow-Auftritte. Und dieser Beitrag lässt kein gutes Licht auf Spahn fallen: Allen Kandidaten war dieselbe Redezeit eingeräumt. Alle hatten dasselbe Podium um sich vorzustellen. In alphabetischer Reihenfolge, fair und zu gleichen Bedingungen. 

So war es vereinbart. Daran haben sich alle Kandidaten gehalten. Nur Spahn – als Teamkollege von Laschet eben kein gewöhnlicher Delegierter, sondern Teil des Bewerber(um)feldes – ist aus der Reihe getanzt. Dass er damit am Ende des Tages Laschet vielleicht sogar mehr geschadet als genutzt, jedenfalls das Vertrauen innerhalb der Union enorm belastet hat – das scheint ihm in der Situation ziemlich egal gewesen zu sein. Und das ist für mich das eigentlich irritierende. Es ging wohl vor allem darum, sich selbst zu profilieren, auf Kosten der Fairness und der Partei. So etwas lässt leider tief blicken. So sollte man, vor allem als Profi, in einer konservativen Partei nicht miteinander umgehen. Und das weiß man mit der Erfahrung eines so langen Berufspolitikerlebens auch. 

Kein Selbstläufer

Der Parteitag hat so manche Erkenntnis geliefert. Dass das Delegiertensystem in der heutigen Zeit in einer modernen Mitmachpartei einfach nicht mehr zeitgemäß ist und man wichtige Entscheidungen nicht durch einen kleinen elitären Kreis, sondern durch alle Mitglieder treffen lassen sollte, das ist schon lange bekannt und muss endlich geändert werden. Die Mitglieder sind verantwortungsbewusst und besonnen genug dafür.

Eine andere Erkenntnis des gestrigen Tages aber ist die, dass der steile Aufstieg von Jens Spahn wohl doch kein Selbstläufer sein wird. Dafür hat er selbst gesorgt. Das schlechte Ergebnis für ihn bei der Wahl zu einem der CDU-Vizes war insofern ein sehr deutliches Signal: „So nicht!“ Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob er dieses Signal verstanden und daraus gelernt hat. Dann könnte er tatsächlich noch eine große Karriere vor sich haben – auch wenn die Zweifel daran seit gestern gewachsen sein dürften.

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