Integration - „Man spricht türkisch“

Immer mehr Angehörige der zweiten und dritten Generation zugewanderter Türken gehen auf Distanz zu dem Land, in dem sie aufgewachsen sind. Fühlen sie sich diskriminiert? Ein Beitrag des investigativen TV-Magazin „Report Mainz” kommt zu einem ganz anderen Schluss

„Unsere Heimat ist die Türkei“: Warum fühlen sich 90 Prozent der 2. Generation der zugewanderten Türken nicht in Deutschland zu Hause? screenshot/Report Mainz
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Fußball galt lange als die Sportart, die Menschen aus verschiedenen Nationen am besten verbindet. Ausgerechnet in Berlin aber kommt es jetzt vor, dass auf dem Fußballplatz nur noch türkisch gesprochen wird – zum Beispiel in dem Club „Anadoluspor“. Dabei sind ihre Mitglieder alle in Detuschland aufgewachsen. Sie können deutsch sprechen. Sie wollen aber nicht. 

Warum das so ist, die Frage hat der „Report Mainz“ in seiner jüngsten Sendung beantwortet. Es ging darum warum 90 Prozent der Mitglieder der zweiten und dritten Generation von Zugewanderten aus der Türkei unter sich heiraten – und warum sie auf die Frage nach ihrer Heimat antworten: „Türkei.“ Trifft der Umschwung in der Willkommenskultur jetzt auch die Kinder und Enkel der Gastarbeiter? 

Deutschenfeindliche Hetze im Internet 

Daran liegt es nach dem Bericht von „Report Mainz“ angeblich nicht. Die Reporter fanden vielmehr Hinweise darauf, dass der türkische Präsident Erdogan über Dritte gezielt Einfluss auf junge Deutschtürken nimmt. In Deutschland gibt es 500 türkische Fußballclubs. Viele von ihnen sind erst in den vergangenen Jahren gegründet worden – von Ditib-Moscheen. Diese unterstehen direkt dem türkischen Präsidialamt. Ihre Prediger sind schon in der Vergangenheit wiederholt damit aufgefallen, dass sie Gläubige zur Wahl Erdogans oder zu Gebeten für die türkische Invasion in Syrien aufgerufen haben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat deshalb schon angeregt, die Moscheen durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen

Dass sie jetzt auch Sportvereine gründen, um auch Menschen zu erreichen, die nicht in die Moschee gehen, ist neu – das Selbstbewusstsein, mit dem sich einige Fußballspieler weigern, auf dem Platz deutsch zu sprechen, auch. Einer von ihnen ist Serdar Celik, Trainer von Anadoluspor. Er sagt, er verstehe nicht, warum deutsche Fußballtrainer dieses Verhalten respektlos finden. Strategisch sei es doch klüger, wenn die Gegner seine Anweisungen auf dem Platz nicht verstünden. 

„Ehrenlose Nazi-Hunde!“

Regelrecht aufgehetzt werden junge Türken in Deutschland nach dem Bericht von „Report Mainz“ durch erdogan-treue Blogger wie Tuğrul Selmanoğlu. Auf Facebook hat er seine 270.000 Follower neulich gewarnt, sie sollten Ihre Kinder vor Deutschen schützen. Schließlich, so Selmanoğlu wörtlich, „haben die im 2. Weltkrieg 6 Millionen in Gaskammern getötet."

Mit dem Post traf der Blogger offenbar genau den Nerv seiner Community. „Ehrenlose Nazi-Hunde“, schrieb ein Follower darunter. Auch von „Schweineteufeln, die wie Menschen aussehen", war die Rede. Von den Reportern auf diese Warnung angesprochen, behauptete Selmanoğlu, er habe sie ironisch gemeint. Fakt sei aber, „dass wir täglich Gewalt und Hass erleben.“

 

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikel war der Name Tuğrul Selmanoğlu und der Name des Fußballvereins versehentlich falsch geschrieben. Dies haben wir korrigiert. Danke für den Leserhinweis!

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