Impfrisiken - „Wir untersuchen die Toten nicht ausreichend“

Wie viele Fälle es gibt, in denen Menschen aufgrund ihrer Impfung gegen Corona versterben, ist unklar. Denn nur selten stellen Ärzte einen Zusammenhang zwischen einer kürzlich erfolgten Impfung und Todesfällen her. Klaus Püschel fordert deswegen, dass Obduktionen zum Alltag werden, um mehr über Corona, Impfungen und andere Krankheiten zu lernen.

Klaus Püschel im Großen Sektionssaal des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin / dpa
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Alissa Kim Neu studiert Kulturwissenschaften und Romanistik in Leipzig. Derzeit hospitiert sie bei Cicero.

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Prof. Dr. med. Klaus Püschel ist emeritierter Professor für Rechtsmedizin und war Institutsdirektor am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dort arbeitet er weiterhin als Seniorprofessor.

Herr Püschel, der Heidelberger Chef-Pathologe Peter Schirmacher geht von einer hohen Dunkelziffer an Verstorbenen aus, die sich zuvor gegen Corona haben impfen lassen, und fordert mehr Obduktionen. Wird in Deutschland zu wenig obduziert, wenn Menschen kurze Zeit nach ihrer Impfung sterben?

Viel zu wenig. Da hat Herr Schirmacher völlig Recht.

Könnte sich bei vermehrt durchgeführten Obduktionen ein Zusammenhang zwischen manchen Todesfällen und einer Coronaimpfung zeigen?

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Erst einmal geht es nur um einen zeitlichen Zusammenhang, der untersucht werden muss. Bis dahin ist alles weitere reine Spekulation.

Sie haben am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf relativ früh damit angefangen, Menschen, die an und mit Corona verstorben sind, zu obduzieren. Warum war das so wichtig?

Wer den Charakter, den Verlauf, die Art der Erkrankung kennenlernen will, untersucht am besten die schlimmsten Verläufe, also die tödlichen. Dabei geht es um die genaue Inaugenscheinnahme, das Öffnen des Leichnams, die mikroskopische und virologische Untersuchung der inneren Organe. Das haben wir von Anfang an praktiziert und auch von anderen gefordert. Leider hatten unsere Appelle aber keine große Wirkung.

Warum nicht?

In der Anfangsphase hatten viele die Befürchtung, dass Obduktionen ansteckend sein könnten, und später wurden einfach keine Aufträge erteilt. Das große Problem ist dabei, dass in Deutschland und in anderen Ländern der Tod ein Tabuthema ist. Viele wehren sich dagegen, dass bei Toten genaue Befunde erhoben werden nach dem Motto: Lasst den Toten in Würde ruhen!“ Ich finde das aber verkehrt, da es zur Würde des Sterbens dazugehört zu wissen, warum man genau gestorben ist. Es ist meine Meinung, dass wir noch mehr Methoden finden werden, um den Tod zu verhindern oder hinauszuzögern, wenn wir die Toten besser untersuchen. Doch das wird heutzutage immer seltener gemacht.

Weil der Tod ein Tabuthema ist? Oder spielen da auch ökonomische Aspekte hinein?

Auch das Belohungssystem im Gesundheitsbereich kann da eine Rolle spielen. Ein Arzt kann viel abrechnen, wenn er einen Corona-Kranken auf der Intensivstation behandelt. Aber für eine Obduktion gilt das nicht. Zum Glück gibt es mittlerweile auch einige Forschungsprojekte, unter anderem das, an dem Herr Schirmacher arbeitet. Zur Bekämpfung der Pandemie gehört nämlich auch die Untersuchung der geimpften und coronabedingt Verstorbenen.

Also ist es möglich, dass vermehrte Obduktionen einen höheren Anteil an Toten durch die Impfung belegen?

Das wird ganz klar so sein. Bis jetzt verlassen wir uns auf die Angaben in der Todesbescheinigung, und das Paul-Ehrlich-Institut wertet das dann aus. Aber diese Angaben sind ja keine verlässlichen Sektionsergebnisse.

Herr Schirmacher hat bis jetzt mehr als 40 Obduktionen an Menschen durchgeführt, die kurz nach ihrer Impfung starben. Bei 30 bis 40 Prozent geht er davon aus, dass die Impfung die Haupttodesursache war. Das wäre eine erschreckende Zahl.

Ich teile nicht die Meinung von Herrn Schirmacher bezüglich dieses hohen Prozentsatzes. Ich sage ausdrücklich immer, dass die meisten Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung und nicht infolge der Impfung eintreten. Das sehen wir auch bei den Sektionen, die Professor Benjamin Ondruschka und die Rechtmediziner am Uniklinikum in Hamburg durchführen. Bis jetzt wurde nur in einem Fall ein Zusammenhang zwischen dem Tod und der Impfung festgestellt.

Trotzdem besitzt Herrn Schirmachers Aussage natürlich einiges an Brisanz angesichts der aktuellen Debatte um die Sicherheit von Impfungen.

Ich prognostiziere, dass wir zu positiven Ergebnissen kommen werden, dass also viele Befürchtungen widerlegt werden können. In der Hochzeit hat man es geschafft, eine Million Menschen am Tag zu impfen, darunter waren auch viele alte Menschen. Dass einige von ihnen dann sterben, ist ganz natürlich, muss aber trotzdem untersucht werden. Im Endeffekt denke ich aber, dass es kein sehr hohes Risiko gibt und die Impfung in den allerwenigsten Fällen kausal zum Tod führt.

Vermehrte Obduktionen würden aber zumindest Transparenz schaffen und die Datenlage aufbessern, oder?

Genau. Wir sollten nicht glauben, nicht hoffen, sondern einfach wissen. Wir müssen uns das Wissen aneignen und die Ressourcen, um das Wissen zu verbreitern. Wenn man sich überlegt, wie viel Geld im Rahmen der Pandemie schon ausgegeben wurde, da raufe ich mir die Haare, wenn es heißt, dass Sektionen zu teuer seien. Die Kosten für die Obduktionen sind weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein und so viel effektiver als manch anderes Mittel.

Was wäre dann genau Ihre Forderung?

Dass jeder, der in einem zeitlich zuvor festgelegten Rahmen nach der Impfung stirbt, obduziert wird. In Hamburg funktioniert das relativ gut, wir haben eine gute Sektionsfrequenz, Kontakt zu Gesundheitsämtern und Staatsanwälten. Mit etwas Willen wäre das auch an anderen Orten möglich.  

Aber wer oder was blockiert denn dann vornehmlich die vermehrten Obduktionen?

Die Gesellschaft, Sie! Ich habe erst kürzlich ein Buch namens „Die Toten können uns retten" geschrieben. Und das können sie, denn wir können sehr viel von ihnen für das Leben lernen. Es macht mich sauer, wenn Menschen in der Theorie die Sinnhaftigkeit von Obduktionen gut nachvollziehen können, dann aber jegliche Untersuchung ablehnen, wenn es die eigenen Angehörigen trifft.  So mit dem Argument, „Großvater soll in Frieden schlafen“. Es sollte aber selbstverständlich sein, dass Tote untersucht werden. Das ist eine Frage der Würde. Ein Toter hat die schlimmste Krankheit, er ist nämlich daran gestorben, aber genau das untersuchen wir nicht weiter. Für ein kaputtes Knie geben wir Tausende von Euro aus, warum nicht für die Toten?

Die Aussage von Herrn Schirmacher wurde von mehreren Seiten kritisiert. So widersprach ihm der Chef der ständigen Impfkommission Mertens und wies darauf hin, dass die bisherige Datenlage nicht auf eine Dunkelziffer an Impftoten hinweise. Aber ist das nicht ein bisschen paradox, denn wie möchte man denn die These Schirmachers widerlegen, wenn einfach keine Daten für eine evidenzbasierte Aussage zur Verfügung stehen?

Der richtige Weg wäre es, viele Sektionen vorzunehmen, um so belastbare negative Ergebnisse zu erhalten. Thomas Mertens hat recht, wenn er sagt, dass wir nichts wissen. Das liegt aber daran, dass wir die Toten nicht ausreichend untersuchen.

Aber es wurden doch recht schnell Komplikationen festgestellt und öffentlich diskutiert. Ich erinnere da nur an die Sinusvenenthrombose im Zusammenhang mit dem Impfstoff von Astrazeneca.

Die hat man ja auch bei Lebenden schon beschrieben. Aber wenn man so etwas im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod festlegen will, dann muss man eben auch den Schädel öffnen und den Sinus aufschneiden und nachprüfen, ob da Thrombosen drin sind.

Wenn sich nun die Studienergebnisse von Herrn Schirmacher erhärten und tatsächlich mehr Todesfälle auf Impfungen zurückgeführt werden können, inwiefern wird das die persönliche Risikoabwägung einer Impfentscheidung verändern?

Ich kann die genauen Ergebnisse nicht prophezeien. Meiner Einschätzung nach aber ist das Risiko des Todes in Relation zu den positiven Folgen einer Impfung extrem gering.

Würden Sie die Impfung weiterhin empfehlen?

Wenn sich alle Menschen impfen ließen, wären wir in sechs bis acht Wochen ganz einfach mit dieser Pandemie durch. Dann müssten wir gar nicht mehr über all diese Dinge reden, könnten ins Konzert, ins Theater gehen und zum Fußball.

Aber wir würden dann vielleicht auch über die Menschen sprechen, die aufgrund der Impfung Gesundheitsprobleme bekommen hätten oder sogar verstorben wären?

Aber das sind doch wenige. Wir könnten endlich wieder über andere Dinge reden. Wir haben doch Zehntausende von Toten in Folge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen. Diese hohen Zahlen und Möglichkeiten der Prävention verlieren wir oft komplett aus dem Blick. Ehrlich gesagt, die Corona-Diskussion nimmt viel zu viel Raum ein.

Die Fragen stellte Alissa Kim Neu.

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