Humboldt-Forum - Kreuzzug mal andersrum

Für das Berliner Humboldt-Forum wird ein altes Preußenschloss rekonstruiert, auf dessen Dach einst ein Kreuz stand. Doch auf dieses soll nun verzichtet werden. Dafür werden auch die dümmlichsten Argumente herangezogen

Wer die eigene Vergangenheit nicht versteht, versteht gar nichts / picture alliance
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Autoreninfo

Ernst Elitz ist Autor und Journalist. Bis 2009 war er erster Intendant des Deutschlandradios. Von 1969 bis 1974 war er Redakteur für Bildungspolitik beim „Spiegel“

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Pech für das Berliner Humboldt-Forum, dass es seinen Sitz im alten Preußenschloss hat. Pech, dass die Kuppel dieses rekonstruierten Gebäudes historisch korrekt wieder von einem goldenen Kreuz gekrönt werden soll. Nach der obwaltenden Berliner Reinheitsideologie, die Lehrerinnen ein Kreuzchen oder einen Fisch (wahrscheinlich wissen gerade mal 0,5 Prozent aller Berliner, dass es sich dabei um ein altchristliches Symbol handelt) an der Halskette untersagt, ziehen die Anstoßnehmer jetzt auch gegen das Kuppelkreuz zu Felde. Kreuzzug mal andersrum. Das ist die neueste Berliner Kultur-Variante.

Das Kreuz gibt die Richtung vor

Das Humboldt-Forum soll im Herzen der Hauptstadt die kulturelle Vielfalt des Menschengeschlechts mit den Schmuckstücken der Berliner Museen wieder erlebbar machen und als Bollwerk der Toleranz in den Zerrüttungen der Gegenwart wirken. Die Kreuzverächter argumentieren einmal bürgerlich etepetete. Man wolle ja keinen verletzen, der anderen oder gar keines Glaubens ist. Oder aus der alten SED-Erfahrung der Berliner Linken: „Wie soll ein offener Dialog der Kulturen gelingen, wenn oben auf der Kuppel ein Kreuz schon die Richtung vorgibt?“ Nach dem Motto: Wo ein Sowjetstern strahlt oder die Rote Fahne flattert, darf keiner mehr einen freien Gedanken äußern. Nun ist das 2000 Jahre alte Kreuz kein Kreml-Stern, sondern das Symbol einer Geschichte, in der es für die Menschheit auch nicht immer zum Besten stand, in der sich aber auf Dauer Nächstenliebe, Aufklärung, Fortschritt und Toleranz zwischen Weltanschauungen und Religionen vorbildlich entfalten konnten. Keine schlechte Richtung also.

Weder Kreuz noch König

Das zu leugnen und auf das historische Kreuz zu verzichten, wäre geschichtsvergessen. Inzwischen wird auch noch das dümmlichste Argument gegen das Kuppelkreuz herangezogen: Das Kreuz passe ohnehin nicht, weil bei der Rekonstruktion des Schlosses auf die Kapelle verzichtet wurde (wie auf jede Innenrekonstruktion). Da ließe sich auch einwenden: Warum wird dann das Schloss überhaupt rekonstruiert? Ist ja auch kein König mehr drin. Der aber steht in Sichtweite als Reiterstandbild Friedrichs des Großen. Und so wie das Kreuz schreckhafte Andersgläubige vom Betreten des Humboldt-Forums abhalten könnte, dürfte auch der große Friedrich, der immerhin drei blutige Schlesische Kriege geführt hat, Polen und Österreicher zur Umkehr bewegen. Dabei hat er noch gar nicht unter dem Kreuz gewohnt.

Dialog braucht Kontroverse

Denkt man weiter im Stil der Berliner Denkmalpolitik, ließe sich – politisch korrekt – anstelle eines 2000-jährigen Kultursymbols auf der Kuppel wohl besser ein Kinderkarussell installieren, auf dem Jesus unter dem Kreuz, Mohammed auf seiner Luftreise nach Jerusalem, Buddha, ein paar hundert Hindu-Gottheiten usw. um die Kuppel tingeln, begleitet von einem Potpourri entsprechender religiöser Weisen. Das würde gut zur ebenfalls in Sichtweite befindlichen überdimensionalen Wippe passen, mit der der Bundestag der deutschen Einheit gedenken will. Kinderkram statt Kreuz. Toleranz hat etwas mit Standpunkten zu. Wer Dialog will, muss auch die Kontroverse wollen. Wer die Gegenwart ohne Vergangenheit verstehen möchte, der versteht gar nichts.
 

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