Horst Seehofer - Der Kini kann's nicht lassen

Horst Seehofer hält an seiner Macht fest und genießt es, alle anderen vor den Kopf zu stoßen. Die Union musste ein ähnliches Gebaren schon einmal teuer bezahlen

Horst I, König von Bayern / Illustration: Ben Hughes
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Eine beiläufige Begegnung mit Horst Seehofer, irgendwann in den Wochen, in denen der politisch-publizistische Komplex über nichts lustvoller spekulierte als über die Frage, ob Joachim Gauck für eine weitere Amtszeit das Bundespräsident antreten würde. Erkennbar war: Horst Seehofer verstand die Frage gar nicht. Für ihn war völlig klar, dass Gauck weitermachen würde: schönes Schloss, toller Stab, große Aufmerksamkeit, Flugzeug und Dienstwagen zur ständigen Verfügung. Herrlich. Wer sollte dazu freiwillig Nein sagen?

Was damals nur ein Eindruck war, erweist sich jetzt als Erkenntnis. Seehofer schloss in dieser Frage von sich auf andere. Denn alsbald brachte Joachim Gauck die charakterliche Größe auf, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und freiwillig zu verzichten auf eine sichere zweite Amtszeit mit angebundener Residenz im Schloss Bellevue. Wohingegen Horst Seehofer von der Macht nicht lassen kann, wie seine Ansage im CSU-Vorstand an diesem Montagmorgen klar macht. Er hält sich offenbar für unersetzlich und möchte entgegen komplett anderer bisherigen Ansagen über 2018 hinaus, also bis nach der bayrischen Landtagswahl, Ministerpräsident und CSU-Chef bleiben.

Herrschen nach Macchiavelli 

Das ist mehr als nur ein „Drehhofer“, also eine seiner berühmten inhaltliche Pirouetten bei allen möglichen politischen Themen. Das ist ein Affront gegenüber all jenen, die er macchiavellistisch („Teile und herrsche“) zahlreich in Stellung gebracht hat – vermeintlich in Vorbereitung seiner Nachfolge, in Wahrheit aber, um sie wechselseitig als Widersacher unschädlich zu machen. Ilse Aigner lockte er unter Vortäuschung falscher Tatsachen von Berlin zurück nach München und machte sie unglücklich. Markus Söders Ambitionen triezt er seit Jahr und Tag mit Lust. Selbst Karl-Theodor zu Guttenberg bekam im Machtspiel des Horst Seehofer mit Untergegebenen seine Rolle zugewiesen. Den stattete er gewissermaßen mit einer Wild Card aus, also der Option, von der Seite wieder einzusteigen und alle anderen Hoffnungsträger in die Röhre gucken zu lassen.

Horst Seehofers Gebaren gleicht einer Verfilmung von Elias Canettis „Masse und Macht“, dem besten Buch der Neuzeit zur Phänomenologie des zweitstärksten Triebs des Menschen. Er genießt sein Spiel mit der Macht wie die Katze ihres mit der gefangenen Maus.

Illoyal gegenüber Merkel 

Mit seinem Konzept „Seehofer 2020“ hat der 67-Jährige aber nicht einfach nur seinen Machthunger gestillt. Er hat sich auch die Rosinen herausgepickt. Seit Herbst 2015 hatte er die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise – inhaltlich mit guten Gründen – gepiesackt und sich so hochgradig illoyal verhalten, dass die letzten zwei gemeinsamen Auftritte auf bayrischem Boden jeden politischen Kabarettisten arbeitslos machten: Diese Originale sind an Tragikomik nicht zu toppen. 

Logische Konsequenz seines Tuns hätte sein müssen, als Spitzenkandidat für die CSU bei der Bundestagswahl anzutreten. Diese nach dem Schwesternkrieg von CDU und CSU undankbare Aufgabe überlässt er nun jedoch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann.

Lange Gesichter und Kärrnerarbeit also für die andern. Den Thron so lange wie möglich für sich. Das ist Horst Seehofers Verständnis von geordneten politischen Verhältnissen. Er erliegt damit dem klassischen Herrschersyndrom, dem in der Demokratie nur eine Instanz die (zeitlichen) Grenzen aufzeigen kann. Der letzte Große, der in der Union nicht gemerkt hatte, dass es Zeit ist, hieß Helmut Kohl. Die CDU bezahlte einen hohen Preis dafür.

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