Homophobe Gewalt von Einwanderern - Hetzjagd auf Schwule

In einigen Bezirken von Berlin mehren sich Angriffe auf Homosexuelle. Die Angreifer sind meist Migranten. Grund dafür ist auch die Flüchtlingswelle 2015. Aber die Community will das nicht hören, spricht von antimuslimischen Ressentiments und macht Opfer zu Tätern.

Dresden, 4. Oktober 2020: Ein syrischer Flüchtling attackiert zwei schwule Touristen, einer der beiden stirbt an seinen Verletzungen / dpa
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Autoreninfo

Sara Rukaj lebt in Frankfurt am Main und beschäftigt sich als freie Autorin mit Antisemitismus, Ideologiekritik und Literatur.

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Die Berliner It-Viertel Kreuzberg und Neukölln gelten mit ihrem „multikulturellen Flair“ als Inbegriff authentischen Lebensgefühls, ohne dass gefragt würde, ob die allgemein artikulierte Begeisterung für pluralistische Lebensentwürfe auch bei allen Kultur- und Religionsgemeinschaften gut ankommt. Firmierten hiesige Viertel mit ihren historischen Homocafés und -kneipen vor einigen Jahren noch als Zufluchtsort unter Gleichgesinnten, trauen sich gegenwärtig viele Schwule kaum mehr auf die Straße, weichen nach Schöneberg aus, wo sie inzwischen aber auch nicht mehr sicher sind, oder verlassen Berlin, um den ebenso tabuisierten wie organisierten Hetzjagden junger Männer muslimischen Glaubens zu entfliehen.

Das Anti-Gewalt-Projekt Maneo erfasst Fälle von körperlicher Gewalt gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transpersonen, die an jenen Orten Berlins begangen werden, an denen sich die Gruppen zumeist aufhalten, etwa vor Clubs oder am Nollendorfplatz in Schöneberg. Allein in Berlin hat Maneo für das Jahr 2018 einen Anstieg homophober Gewalt von 58 auf 382 Übergriffe verzeichnet, 2019 kamen 559 Fälle dazu.

Mehr als ein Übergriff pro Tag allein in Berlin

Statistisch gesehen kommt es demnach zu mehr als einem Übergriff pro Tag, wobei die Dunkelziffer weit besorgniserregender ausfallen dürfte. Nach Einschätzung von Maneo besteht die übergroße Mehrheit der Täter aus jungen Männern mit arabisch-türkischem Migrationshintergrund oder solchen, die sich in islamisch gefärbten Milieus bewegen. Die Gefahr, einem homophoben Angriff ausgesetzt zu sein, ist in Berlin-Neukölln und anderen migrantischen „Brennpunktvierteln“ um ein Vielfaches höher als in Vierteln wie Charlottenburg oder im Prenzlauer Berg.

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In anderen europäischen Großstädten mit größeren islamischen Communities wie Paris, Brüssel, Malmö oder London zeichnen die Fallzahlen eine ähnliche Entwicklung nach. Gefährdet sind dabei nicht nur Schwule, sondern in puncto sexueller Gewalt auch Frauen, aber auch Juden, die sich etwa durch das Tragen einer Kippa im öffentlichen Raum als solche zu erkennen geben.

Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz gab im Dezember 2020 den bundesweit ersten Monitoring-Bericht zu trans- und homophober Gewalt heraus. Dessen Befunde fallen ähnlich wie die von Maneo aus, allerdings wurden hier ausschließlich polizeilich gemeldete Vorfälle registriert. Laut Bastian Finke, Pressesprecher von Maneo, ist die Bereitschaft einer Anzeige eher gering, die Dunkelziffer belaufe sich auf rund achtzig Prozent.

Hohe Dunkelziffer

Insbesondere der Stadtbezirk Nord-Neukölln sticht mit einer hohen Dichte schwerer Körperverletzungen und einem rapiden Anstieg der Fallzahlen negativ hervor. Rund ein Zehntel der polizeilich erfassten Übergriffe auf Homosexuelle (9,2 Prozent, insgesamt 110 Fälle) wurden in Neukölln registriert, die überwiegende Mehrheit der Täter sind auch in diesem Fall junge Männer (91,5 Prozent). Wurden 2010 nur fünf Fälle erfasst, kamen 2018 insgesamt 27 dazu. Laut Bericht ist ein solch eklatanter Anstieg „präzedenzlos“. Bei 17,8 Prozent der Vorfälle registrierte die Polizei schwere Körperverletzungen, bei den übrigen 42,2 Prozent handelt es sich um homophobe Beleidigungen. Die Tatmotive seien „Hass“ oder „politisch motiviert“.

Bei jedem öffentlich gewordenen Gewaltdelikt, das von Migranten oder Asylsuchenden begangen wurde, tauchen allenthalben die gleichen Fragen auf. Die erste lautet, ob sich derzeit eine Steigerung von Sexual- und Gewaltdelikten nachweisen lasse. Die zweite, ob die Massenzuwanderung im Jahre 2015 dafür verantwortlich gemacht werden kann. Der Islamismus-Expertin Susanne Schröter zufolge könne beides durch Statistiken als gesichert angenommen werden: „Gewalt durch junge Männer aus bestimmten Regionen der Erde ist kein Einzelfall mehr, die man mit der lapidaren Erklärung, dass absolute Sicherheit unrealistisch sei […], beiseiteschieben kann.“

„Identitätskonflikte der Adoleszenz“

Ebenfalls entkräftet sei das oft bemühte Argument, fremdartig aussehende Männer würden eher angezeigt als andere, denn die Gewaltdelikte der vergangenen Jahre sprengen das Maß des bisher Bekannten. Laut der Rechtswissenschaftlerin und Direktorin des Max-Planck-Institutes Tatjana Hörnle spielen dabei sowohl kulturelle Faktoren (traditionelle Männlichkeit im Herkunftsland) als auch Kriegs- und Gewalttraumata eine übergeordnete Rolle.

Der franko-tunesische Psychoanalytiker Fethi Benslama weist zudem auf die Jugend der Täter hin. Mehr als zwei Drittel der gewaltaffinen Muslime sind junge Männer zwischen 15 und 25 Jahren, die sich in den Identitätskonflikten der Adoleszenz befinden. Der Islam trete bei ihnen als antipolitische Utopie in Erscheinung: mit dem Ziel, die religiöse Gemeinschaft als das ideale Gegenmodell zum weltlichen, modernen Staat zu küren.

Homosexualität gilt als „haram“

Mehreren Erfahrungsberichten zufolge weichen in Kreuzberg oder Neukölln lebende Schwule aus Angst vor körperlichen Angriffen seit etwa fünf Jahren nach Schöneberg aus, wo rund um den Nollendorfplatz viele schwule Szeneläden angesiedelt sind. Übergriffe finden allerdings nicht nur vor Clubs oder Bars statt, sondern auch tagsüber an belebten Bushaltestellen, was dafür spricht, dass die Täter keine große Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen haben. Schließlich gilt Homosexualität im kulturell-religiösen Bewusstsein des eigenen Milieus das durchaus als hegemonial wahrgenommen wird als „haram“. Eine „Bestrafung“ wäre dieser Logik folgend gerechtfertigt.

Tino Heinisch und Jens Wuhlig, die ihre richtigen Namen aus Angst vor Repressalien nicht nennen wollen, berichten, dass es organisierte „Ehrenmänner“ gibt, die eigens zum Nollendorfplatz nach Schöneberg fahren, um dort in gewohnter Manier ihre Hetzjagden zu veranstalten. Das deckt sich mit der aktuellen Statistik von Maneo, in der mit 65 Fällen die höchste Zahl an Übergriffen in Schöneberg verzeichnet wird gefolgt von Neukölln (50) und Tiergarten (37). Den stärksten Anstieg verzeichnet Neukölln – waren es 2017 noch 30 Fälle, kam es 2018 zu 50 Übergriffen, die in Teilen besonders rohe Gewalt für die Opfer bedeuteten.

Messerattacken und Faustschläge

So wurde 2018 ein schwules Pärchen, das untergehakt am Boddinplatz entlangspazierte, von mehreren Jugendlichen attackiert. Ein Angreifer rammte einem der jungen Männer ein Messer in den Oberschenkel. Im August 2020 kam es wieder einmal zu einem Angriff auf einen Schwulen in Neukölln. Zwei Frakturen und einen Krankenhausaufenthalt später riet ihm die Polizei, von einer Anzeige abzusehen, da die Täterbeschreibung „Araber um die 20“ auf fast jeden zutreffe. Was sie für seinen Schutz in Zukunft tun könnten? Leider nichts, aber er könne Berlin ja verlassen, was er aus Sicherheitsbedenken dann auch tat. Zuvor hatten die Angreifer fast 20 Minuten lang versucht, in die Bar zu gelangen, in die sich das schwule Paar geflüchtet hatte. Nur das beherzte Eingreifen des Bar-Besitzers konnte sie davon abhalten.

Ein schwules Paar, das ebenfalls anonym bleiben möchte, wurde im vergangenen Jahr wegen eines Kusses in Neukölln von einer siebenköpfigen Bande mit Holzlatten durch die Straßen gehetzt. Die Angreifer waren alle erst um die 15 Jahre alt, hatten auf Fahrrädern patrouilliert und begannen die Hetzjagd mit „Allahu Akbar“, als sie das Scharia-unkonforme Verhalten beobachteten. „In wenigen Sekunden kamen sie aus allen Straßen angerannt. Wir sind nur davongekommen, weil wir uns in meinem Haus verbarrikadieren konnten“, erzählt einer von ihnen. Als die beiden beim ersten körperlichen Angriff vor drei Jahren mit dem Erlebten an ihren Freundeskreis herantraten, wandte sich dieser in großen Teilen von ihnen ab: Schon mit der bloßen Benennung der Tätergruppe würden sie antimuslimische Ressentiments schüren, lautete der Vorwurf. Die attackierten Opfer erscheinen so plötzlich als vorurteilsbeladene Täter, während gleichsam das stereotype Kitschbild vom wesensguten, toleranten Islam hypostasiert wird.

Linke Abwehrreaktionen

Tatsächlich gibt es im Zusammenhang mit dem Islam geradezu maliziöse Abwehrreaktionen, die mit der Realität oft nichts zu tun haben. So betont der französische Intellektuelle Pascal Bruckner in seinem neuesten Buch „Der eingebildete Rassismus“ (2020) mit angemessener Drastik, dass es bereits ausreichend reale Diskriminierung gebe, einer imaginierten „Islamophobie“ bedürfe es da nicht. Die alberne, in anderen Fällen harmlose Marotte vieler Linker für das „exotische Andere“ und ihre gefühlssensible Sprachpolitik konnte so zu einer Bagatellisierung schwulenfeindlicher Gewalt avancieren.

Schon der Verweis auf die Rückständigkeit islamisch geprägter Regionen – Geschlechterapartheid, drakonische Vergeltungsjustiz, Judenhass oder das Primat der Tradition vor der Mündigkeit des Individuums – rufen fast ausnahmslos empörte Reaktionen hervor. Mit dieser kulturrelativierenden Haltung unterminiert man nicht nur eine lange Tradition europäischer Aufklärung, sondern enthebt auch die Täter jedweder Verantwortung für die „im Namen der Ehre“ verübten Gewaltverbrechen. Schließlich mussten sich in einer sich stetig säkularisierenden Gesellschaft auch das Juden- und Christentum einer kritischen Prüfung unterziehen, die der hierzulande weit verbreitete islamische Fundamentalismus mit seinen von der politischen Linken bereitwillig adaptierten Kampfbegriffen „Islamophobie“ oder „antimuslimischer Rassismus“ abwehrt.

Freilich ohne beide gleichsetzen zu wollen, weisen nach der Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali politischer Islam und postmoderne Linke durchaus unschöne Gemeinsamkeiten auf. So wurde einer ganzen Generation von Studenten eine als „postkolonialer Diskurs“ auftretende Ideologie eingetrichtert, die wesentlich mehr mit den intoleranten Lehren eines religiösen Kults gemein hat als mit dem säkularen politischen Denken.

Rassismus-Vorwürfe gegen MANEO

Demselben Geiste verhaftet warfen besorgte, sich nicht ganz ironiefrei „queer“ gerierende Linke auch Maneo Rassismus vor. Anlass war der Berliner Christopher Street Day (CSD) im Juni 2010, auf dem die Sozialwissenschaftlerin Judith Butler – die aus ihrer Vorliebe für den Opfer-Dschihad und islamischer Vollverschleierung keinen Hehl macht – einen Preis ablehnte, weil sich der CSD nach ihrem Befinden nicht ausreichend gegen Rassismus positioniert hatte. Dass sich homophobe und rassistische Gewalt unterscheidet, wurde von Butler nicht weiter thematisiert.

In einem Interview erklärt der Leiter von Maneo, Bastian Finke, die Vorwürfe seien geradezu grotesk. Problematisiert wurde vornehmlich die Erfassung der Herkunft der Täter, die in der übergroßen Mehrheit als „Täter nichtdeutscher Herkunft“ identifiziert wurden. Großzügig ausgeblendet wird dabei, dass die konkrete Einschätzung der Befragten ein für Sozialwissenschaftler eminent wichtiges Analyseinstrument darstellt, um aus den Vorfällen kongruente Erkenntnisse, Muster und Präventionsmaßnahmen zu generieren – immerhin kennt nur ein Viertel der Befragten ihre Täter persönlich.

Maneo zu unterstellen, man würde auf diesem Wege neue Feindbilder forcieren, zeugt von der gravierenden fachlichen Unkenntnis der Kritiker. Dennoch fragt Maneo, das als Projekt auf öffentliche Fördergelder und eine breite Solidarität innerhalb der Community angewiesen ist, seit einigen Jahren nicht länger nach der Herkunft der Täter. Zu groß sei die Angst vor Schmierkampagnen, heißt es. Zudem gibt es bundesweit kein einziges vergleichbares Projekt, es bräuchte also Fördergelder und groß angelegte Studien zu den Tatmotiven und Tat- wie Täterhintergründen, um exakte Aussagen treffen zu können.

Der zweite Teil dieses Berichts erscheint am Sonntag.

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