Entlassung von Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe - „Das sieht nach einem Plan aus“

Warum musste Hubertus Knabe, der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, gehen? Die genauen Gründe kennt noch keiner. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner vermutet, was in Berlin viele denken. Dass Knabe das Opfer einer Intrige von Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) geworden sei

Anwalt der Vergessenen: Der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, galt als streitbar /picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Kai Wegner ist baupolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bis 2016 war er Generalsekretär der Berliner CDU und Landesgruppenvorsitzender der Berliner Bundestagsabgeordneten. Eines seiner Themen ist die Aufarbeitung der SED-Diktatur.  

Herr Wegner, Hubertus Knabe wurde als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen „freigestellt“. Der Beirat wirft ihm vor, er habe nichts getan, um ein Arbeitsklima zu schaffen, das keinen Raum mehr für die sexuelle Belästigung von Mitarbeiterinnen lässt. Sie haben auf Twitter Zweifel geäußert, ob das stimmt.
Ich kenne Hubertus Knabe seit vielen Jahren. Ich kann und will das nicht glauben. Natürlich steckt man da nicht drin. Aber wenn solche schweren Vorwürfe schon erhoben werden, müssen die auch belegt werden.  

Es gibt immerhin einen anonymen Brief von sieben ehemaligen Mitarbeiterinnen, datiert auf den 8. Juni 2018. Die Frauen beklagen sich anderem über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.
Darin wird Hubertus Knabe aber namentlich nicht genannt. Ich kenne nur Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter. Ich weiß, dass er mehrfach versucht hat, vom Kultursenator Detail-Informationen über die erhobenen Vorwürfe zu bekommen. Er hat sie aber nicht erhalten. Ich frage mich, warum Klaus Lederer ihn bei der Aufklärung nicht unterstützt hat. 

In der Pressestelle des Kultursenators heißt es, die Vorwürfe gegen seinen Stellvertreter Fraundorfer würden schon bis ins Jahr 2011 zurückreichen. Es habe darüber auch schon ein Gespräch mit Lederers Vorgänger gegeben, Tim Renner (SPD). Knabe sei aufgefordert worden, Maßnahmen zu treffen, um die sexuelle Belästigung zu stoppen.
Das stimmt. Nach meinen Informationen hat es nach dieser Unterredung mit Staatssekretär Tim Renner in der Gedenkstätte ein Personalgespräch mit Frauendorfer gegeben. Hubertus Knabe hat ganz klar gesagt, so etwas würde er nicht dulden. Er hat seinem Stellvertreter mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Fall gedroht, dass er sein Verhalten nicht ändert.

Auf Twitter ist von einer „Intrige“ gegen Knabe die Rede und von einem Racheakt des linken Kultursenators an einem seiner schärfsten Kritiker. Auch Sie haben Transparenz und Klarheit über die Vorwürfe gefordert, damit nicht der Eindruck entstehe, „dass eine aus Sicht der SED-Nachfolger unbequeme Stimme zum Schweigen gebracht wird.“ Warum vertrauen Sie Herrn Lederer nicht?
Hier geht es nicht um Vertrauen oder Misstrauen, sondern darum, dass aufgrund eines bloßen Verdachts keine Fakten geschaffen werden dürfen. Ich stehe mit meiner Meinung nicht allein. Ich habe viel Rückendeckung von anderen Bundestagsabgeordneten bekommen, vor allem aus den neuen Bundesländern. Der Tenor ist immer derselbe. Alle sagen, bevor Herr Knabe nicht die Chance hatte, Stellung zu nehmen zu den Vorwürfen gegen ihn, kann man ihn doch nicht freistellen.     

Aber nach den Worten von Klaus Lederers Sprecher hat der Stiftungsrat Herrn Knabe sehr wohl angehört. Seine Argumente hätten aber weder den Kultursenator noch die anderen vier Mitglieder überzeugt.
Herr Knabe wurde aber nur auf die Causa Frauendorfer angesprochen. Was ihm selbst zur Last gelegt wird, wurde nicht gesagt. Dementsprechend konnte er dazu auch nicht Stellung nehmen. Es hieß lediglich, man habe kein Vertrauen mehr in seine Arbeit. Das ist ein bisschen dünn für einen Gedenkstellenleiter, der 17 Jahre lang tolle Arbeit geleistet hat.  

Herr Lederer hat die Entscheidung, sich von Knabe zu trennen, aber nicht allein getroffen. Unter den fünf Mitgliedern des Stiftungsrates ist auch Ihr Parteikollege, Dieter Dombrowski, der Bundesvorsitzende der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft. 
Wenn ich im Stiftungsrat gesessen hätte ohne eine klare Information und ohne belastbare Vorwürfe, hätte ich nicht zugestimmt. Nochmal: Mir sind diese belastbaren Fakten nicht bekannt.    

Sie unterstellen Herrn Lederer, er habe nur einen Vorwand gesucht, um Herrn Knabe loszuwerden.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass er das versucht hat. Das war schon so bei der Kontroverse um den linken Baustaatssekretär Andrej Holm, der wegen seiner früheren Stasi-Vergangenheit in die Kritik geraten war. Hubertus Knabe hat Holm damals der Lüge beschuldigt und seine Entschuldigung als unglaubwürdig zurückgewiesen. Damals hat sich die SPD noch schützend vor Hubertus Knabe gestellt.

Dann ist der wahre Grund für die Entlassung Knabes eine persönliche Fehde mit Klaus Lederer?
Na ja, Herr Knabe ist eben bekannt dafür, dass er gerne den Finger in die Wunde legt – gerade im Bereich des SED-Unrechts. Natürlich stößt er damit auch Diskussionen an. Nicht jedem gefällt das. Aber brauchen wir deshalb eine Denkpolizei?

Als Herr Knabe vor 17 Jahren die Leitung der Gedenkstätte übernommen hat, hatte sie nur ein paar tausend Besucher im Jahr. Inzwischen sind es jedes Jahr 450.000, davon die Hälfte Schüler. Ist das allein das Verdienst von Herrn Knabe?
Nein, aber er hat auf jeden Fall sehr gute Arbeit geleistet und maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Und Hohenschönhausen ist nicht irgendeine Gedenkstätte. Es gibt viele Gedenkstätten in Berlin, aber was uns oft fehlt, sind genau diese authentischen Orte, wo man noch Geschichte spürt und riecht.

Sie meinen den Geruch von alten DDR-Putzmitteln, der noch immer in den Gefängnisfluren hängt.
Genau. Wenn man da durchgeht, spürt man, was die Insassen da durchgemacht haben. Jeder, der diesen Ort besucht hat, kann nur sagen, dass die DDR ein Unrechtsregime war. Das wird einem dort vor Augen geführt. Für die junge Generation ist das ganz wichtig, gerade in Zeiten wie diesen. Zeitzeugen berichten, was sie in diesem Stasi-Knast erlebt haben. Sie machen die deutsche Teilung und ihre Folgen erlebbar. 

Aber gerade um diese Zeitzeugen war im Mai ein Streit entbrannt. Einer von ihnen hatte Sympathien für die AfD bekundet. Es gab Hinweise darauf, dass  die ganze Gedenkstätte von der AfD unterwandert werde.
Herr Knabe hat sich auch dazu klar positioniert.  Das war auch richtig. Ich möchte, dass Geschichte an solchen Orten authentisch dargestellt wird. Dass ehemalige Häftlinge dort ihre politische Meinung verbreiten, gehört dort nicht hin. Hubertus Knabe wollte das auch nicht. Deshalb hat er die Zusammenarbeit mit dem Förderverein ausgesetzt.

Gegen den Widerstand von Herrn Lederer?
Das glaube ich nicht. Das Entscheidende ist doch, dass die Opferverbände eine Stimme in der Politik haben. Deshalb haben wir zum Beispiel die Opferrente durchgesetzt. Bei mir saßen schon gestandene Männer im Büro, die über ihre Haftzeit in der DDR berichtet haben. Einer ist dabei in Tränen ausgebrochen. Wenn man diesen Menschen nicht zuhört, wenn man Geschichte umschreiben will, dann werden sie vielleicht an den rechten Rand gedrängt.

Auch das Verhältnis von Herrn Knabe und Herrn Lederer war von Anfang an gespannt. Als der Kultursenator antrat, hat er die Frage gestellt, ob es eine gute Idee sei,  dieses Amt ausgerechnet jemandem anzuvertrauen, dessen Partei bis heute ein positives Verhältnis zur DDR habe.
Es gab viele, die das in Frage gestellt haben – gerade bei den Opferverbänden. Ich glaube, es ist Aufgabe von Klaus Lederer, diesen Opferverbänden die Hand zu reichen. Ich kann mich an eine Veranstaltung der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft erinnern, da hat er durchaus die richtigen Worte gefunden. Aber nur einmal auf die Opfer zuzugehen, ist zu wenig. Da müssen viele Brücken gebaut werden. Gerade wenn ein Kultursenator von der Linkspartei kommt.

Öffentlich hat Herr Lederer im Umgang mit Herrn Knabe die Form gewahrt. Wie soll er versucht haben, ihn loszuwerden?
Es hat vor allem Gespräche über ihn in der Koalition gegeben. Bislang war ihm das aber nicht gelungen. Fakt war: Für Klaus Lederer war Hubertus Knabe ein Stachel im Fleisch der Stadt, der gestört hat.

Im August hat der Haushaltsausschuss des Bundestages Herrn Knabe fünf Millionen Euro bewilligt, damit er sich mit der Erforschung von Linksextremismus ein weiteres Arbeitsfeld erschließen konnte. Wie hat sich das auf sein angespanntes Verhältnis zum linken Kultursenator ausgewirkt?  
Offensichtlich wurde die Stimmung damit zumindest nicht besser.

Hat Lederer den anonymen Brief der Frauen deshalb erst mit wochenlanger Verspätung aus der Schublade gezogen? 
Das will ich ihm nicht unterstellen. Sexismus ist ein schwerer Vorwurf. Wenn er im Raum steht, müssen Beweise her. Dann müssen Konsequenzen erfolgen.

Aber Sie glauben trotzdem nicht, dass es ein Zufall war?
Nein. Was ich merkwürdig finde: Herr Lederer bekommt im Juni einen Brief von sieben Frauen. Warum setzt er Herrn Knabe darüber erst im August in Kenntnis, ohne ihm aber Details zu nennen? Er hätte in der Zwischenzeit auch die Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte schützen müssen. Diese Frage muss Herr Lederer beantworten.

Ihre Interpretation?
Offenkundig hat er Lederer von vornherein ein Ziel verfolgt ...

... belastendes Material gegen Herrn Knabe zu sammeln? Vorwürfe der sexuellen Belästigung gelten als beliebte Waffe, um  das Ansehen von Männern zu ruinieren. Schon der Vorwurf, er habe sexuelle Belästigung als Gedenkstättenleiter gedeckt, könnte reichen, um das Vertrauen in ihn zu erschüttern.
Das ist ein ganz schwieriges Thema. Sexismus darf an keiner Stelle in unserer Gesellschaft auch nur irgendeinen Platz haben. Dagegen muss man immer vorgehen. Auch der Vorwurf, sexuelle Belästigungen gedeckt zu haben, muss natürlich aufgeklärt werden. Aber man sollte Herrn Knabe nicht vorverurteilen.

Zwei Tage, nachdem Herr Knabe freigestellt wurde, hat der Kultursenator schon die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, damit beauftragt, einen Nachfolger für ihn zu suchen. Warum geht das eigentlich so schnell?
Es deutet darauf hin, dass das von langer Hand geplant war. Nach meinen Informationen war es der RBB, der Herrn Knabe am 17. September mitgeteilt hat, was genau in dem Brief der sieben Frauen stand. Erst am 18. September, einen Tag nach dem Anruf des RBB, bekam Herr Knabe diese Info dann auch von Herrn Lederer – allerdings erst auf Nachfrage. Schon merkwürdig. Zwei Tage später teilt Herr Knabe öffentlich mit, dass die Gedenkstätte die Sexismus-Vorwürfe prüfe. Zwei Arbeitstage danach stellt er Helmuth Frauendorfer frei. Und nur einen Tag später wird Herr Knabe entlassen. Einstimmig. Das sieht nicht so aus, als wäre das alles zufällig passiert.

Sondern?
Nach einem Plan. Wie kann der Senator sonst so schnell eine kommissarische Nachfolgerin aus dem Hut zu zaubern?

Was erwarten Sie jetzt von Herrn Lederer?
Dass er konkret sagt, was er Herrn Knabe vorwirft. Und dass er all die Fragen beantwortet, die jetzt die Spekulation nähren, dass Herr Knabe Opfer einer Intrige wurde.          

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