„Hart, aber fair“ zum Thema Heimat - Nur für Deutsche?

Um aus dem Quoten-Tief zu kommen, bedient „Hart, aber fair" rassistische Ressentiments. Mit einem besonders provokanten Titel sollte möglichst viel Aufmerksamkeit für das Thema Heimat erzeugt werden. Entspricht das dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?

Frank Plasberg und seine Gäste / WDR (Dirk Borm)
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Man kann sich genau vorstellen, wie das passieren konnte. Der Titel dieser Ausgabe von „Hart, aber fair“ schrie geradezu danach,  von einigen „rassistisch“ genannt zu werden. „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“. Kaum überraschend, der Shitstorm, der sich schon vor der Ausstrahlung der Sendung bei Twitter entlud. Und dann nach der Aufwärmrunde im Studio die gespielte Überraschung von Moderator Frank Plasberg: „Bemerkenswert, wie schnell das hier eskaliert.“ 

„Hart, aber fair“ hat sich mit der Frage beschäftigt, was Heimat ist. „Thüringer Rostbratwurst“, sagt Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. „Kartoffeln mit brauner Soße“ und „Chai“, sagt die türkische Kabarettistin Idil Baydar. „Der Duft der Buchsbaum-Hecke im Garten meiner Oma“, sagt Nikolaus Blome, Politik-Chef der Bild.

Ein Aufreger musste her

Dass das allein noch niemanden vom Sockel haut, hat man sich in der Redaktion des WDR-Talks wohl schon geahnt. Die Quoten des Montagstalks sind seit Monaten im Keller. Ein Aufreger musste her. Eine Sendung, die den Tabubruch schon im Titel impliziert. In etwa wie:

„Wahlrecht – nur für Männer, oder sollen auch Frauen dürfen?“

„Liebe – nur für „Normale“ oder auch für Homosexuelle?“

„Kitaplätze – nur für Paare oder auch für Alleinerziehende?“ 

Man kann sich vorstellen, wie sie sich in der Redaktion auf der Suche nach einem Burner die Hirne zermartert haben. Und dann am Ende zu dem eher biederen Thema einen Titel fanden, der maximale Aufmerksamkeit garantiert.

Heimat war mal ein Synonym für Heino, „draußen nur Kännchen“oder Thüringer Wald. Doch dann kamen die Flüchtlinge, und inzwischen ist das gesellschaftliche Klima so aufgeheizt, dass man nicht mehr über Heimat reden kann, ohne in den Verdacht zu geraten, man trage das Herz am rechten Fleck. Daran sind nicht die Flüchtlinge schuld, sondern die Bundesregierung. Sie hat es nicht geschafft, den Bürgern das Gefühl zu vermitteln, dass ihre Heimat auch weiterhin ihre Heimat bleibt – dass sie aber offen für andere sein muss.

Nur die Quote zählt

Öffentlich-rechtliche Politik-Talks wie „Hart, aber fair“ hätten den Diskurs in diese Richtung lenken können. Vielleicht hätten sie es sogar müssen. Stattdessen haben sie den Rechten mit alarmistischen Thesen über Flüchtlinge und Muslime noch in die Hände gespielt und so maßgeblich zur Polarisierung der Gesellschaft beigetragen haben. Nur die Quote zählt.

ARD und ZDF sind dafür im vergangenen Jahr massiv gerügt worden. Der Deutsche Kulturrat verstieg sich sogar zu der Forderung, die gebührenfinanzierten Sender sollten die Konzepte ihrer Polit-Talks komplett überarbeiten und ein Jahr lang Sendepause machen.

Daran musste man jetzt denken, als Frank Plasberg den Shitstorm vor der „Hart, aber fair“-Sendung „als laues Lüftchen“ herunterspielte. Dabei hatte er den Sturm der Entrüstung doch selber provoziert. Die empörten Statements von Prominenten bescherten dem Montagstalk schon im Vorfeld die Aufmerksamkeit, die er so dringend benötigt. Sie verstehe ja, dass Titel Interesse generieren sollen und deshalb pointiert sind, twitterte etwa die SPD-Politikerin Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. „Aber bei Heimat steht zu viel auf dem Spiel. Sind zu viele Spinner da draußen, die meinen, dass Deutschland nur ihnen gehört.“

Wer hat eine Bringschuld?

Unter dem Hashtag #vonhier twitterten Deutsche mit oder ohne roten Pass über ihre Erfahrungen mit Rassismus, um ihren Unmut gegen eine Talkshow zu demonstrieren, die einen Keil zu treiben versuchte zwischen „uns“ und „denen“.

Es entbehrte nicht der Ironie, dass dieser Versuch auch in der Sendung gründlich schiefging. Es ging um Beispiel um die Frage, warum sich die dritte Generation der Gastarbeiter fremder in Deutschland fühlt als ihre Eltern und Großeltern. Die Talkshow steuerte auf ihren traurigen Höhepunkt zu, als Nikolaus Blome zum gefühlten 100.000. Mal eine Bringschuld von allen forderte, die in Deutschland eine neue Heimat suchen. Und als ihm Idil Baydar ins Wort fiel: „Ich bin hier geboren! Bin ich in der Bringschuld?“ Als sie den Spieß umzudrehen versuchte, indem sie fragte, wie das denn unter Deutschen sei. „Sagt Ihr sowas wie: „Siggi, du bist mir nicht deutsch genug? Verdammt!“

War auch dieser Streit nur inszeniert? „Hart, aber fair“ ist nach diesem programmierten Eklat alles zuzutrauen. Dabei waren die Gäste viel versöhnlicher als der Titel, unter dem sie zusammengekommen waren. Blome verriet jedenfalls, dass er Baydar schon live gesehen habe und ihre Auftritte schätze. Und Baydar erklärte, wenn sie den anderen Talkgästen ihre Heimat zeigen sollte, dann würde sie die ganze Runde mit zu sich nach Hause nehmen. „Und mein Papa kocht“.

Wo, zum Teufel, ist also das Problem?

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