Hamburger Doppelmord - Tödliche Wirklichkeitsverleugnung

Ein Asylbewerber tötet in Hamburg seine ehemalige Freundin und ihr gemeinsames Kind. Der tragische Fall zeigt, dass falsches Denken schlimme Folgen haben kann. Diesen Text lasen Sie im April am häufigsten

Flüchtlinge bitten im Dom von Regensburg um Kirchenasyl / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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In Hamburg wurden durch einen Doppelmord vier Kinder zu Halbwaisen. Es handelt sich um die Kinder der deutschen Staatsangehörigen Sandra P., 3 und 6 und 7 und 15 Jahre alt. Sandra P. wurde 34 Jahre alt. Sie fand am vergangenen Donnerstag gemeinsam mit ihrer jüngsten Tochter einen grausamen Tod. Dem einjährigen Kind wurde vom Vater die Kehle durchschnitten, nachdem er Sandra P. vor den Augen ihres neuen Freundes am Bahnhof Jungfernstieg erstochen hatte. Der Täter ist ein Mann aus dem Niger, mit dem Sandra P. drei Monate lang zusammen war. Nach seinem Doppelmord rief der 33-jährige Mourtala M. selbst die Polizei.

Der Doppelmord von Hamburg zeigt in exemplarischer Verdichtung, dass falsches Denken grausame Folgen zeitigen kann. Der Staat toleriert Gesetzesübertretungen, die von Kirche und Grünen begrüßt werden, und am Ende zahlen Frauen und Kinder die Zeche. Auch in Kandel und in Freiburg waren es Frauen, die ermordet wurden von Asylbewerbern mit prekärem Aufenthaltsstatus. In Hamburg hatte Mourtala M. der „Lampedusa-Gruppe“ angehört, der ein ausführlicher Eintrag bei Wikipedia gewidmet ist. Die „Lampedusa-Gruppe“ besteht aus im Jahr 2013 nach Deutschland migrierten Afrikanern, die bereits zuvor in Italien das Asylverfahren durchlaufen hatten. Sie durchquerten innerhalb der EU mehrere Staaten, „flohen“ von einem Land in das andere, in dem sie folglich kein Recht mehr auf dauerhafte Bleibe erwerben konnten. 

Kirchenasyl: Falsch verstandene Nächstenliebe

Dennoch stießen sie hier, in Deutschland, auf das praktische Wohlwollen von Kirche und Grünen und vermutlich auch weiten Teilen der Hamburger Stadtbevölkerung. Der Moslem Mourtala M. lebte zunächst im seinerseits bestenfalls halblegalen, staatlicherseits aber geduldeten Kirchenasyl der St.-Pauli-Gemeinde, wo er sich offenbar für islamistische Internetangebote zu interessieren begann und zum Fan des Salafistenpredigers Pierre Vogel wurde.

Das Kirchenasyl beruht auf einer nicht nur theologisch fatalen Verwechslung von (gebotener) Nächsten- und (unbiblischer) Fernstenliebe. Wenn die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche mitteilt, mit dem Kirchenasyl träten die Kirchgemeinden „zwischen Behörden, die Anordnungen zum Abschiebungsvollzug auszuführen haben, und Flüchtlinge“, gesteht sie damit ein, dem Rechtsstaat in die Speichen greifen zu wollen.

Zumal das Kirchenasyl sogar Rückführungen „innerhalb Europas“ verhindern soll, etwa von Deutschland nach Italien, „auch dann kann der Schutz durch eine Gemeinde nötig werden“. So wird die Europäische Union als gemeinsamer Raum des Rechts von Asylaktivisten ausgehebelt – mit dem Segen des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und vieler anderer kirchlicher Funktionäre.

Über Recht und Gesetz

Was die Hamburger Grünen wiederum zur „Lampedusa-Gruppe“ verlautbarten, gehört zum Kernbestand des neudeutschen Moralregiments auf anderer Leute Kosten: Es gebe eine Pflicht zur „humanitären Verantwortung“, denn „Hamburg ist eine weltoffene Stadt, die sich Humanität leisten kann und muss“. Weltoffenheit, der altgediente Joker im Begriffspoker der Etatisten, soll ein Staat dadurch dokumentieren, dass er Illegalität prämiert und sie auf dem Verwaltungsweg in Legalität verwandelt. Auch die Hamburger Grünen wissen, dass die afrikanischen Migranten „keinen legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland“ haben. Das ficht die Grünen nicht an, es brauche ein „Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen“. Und die „Hetze durch die Polizei“ müsse ein Ende haben. So treffen sich christliche Kirchenasylaktivisten und grüne Weltverbesserer in ihrer Fundamentalkritik am Rechtsstaat: Dort das christliche Gewissen, hier die eigene Humanität stehen höher als Recht und Gesetz.

Der Hamburger Doppelmord ist nicht die logische, aber eben doch auch eine Folge von soviel selbstgerechter Überhebung. Der Mensch, der aus fremden Gewaltkulturen nach Europa kommt, wird entweder für eine Tabula Rasa gehalten, die nach Belieben mit europäischen Werten beschrieben werden kann – oder aber für einen edlen Wilden, von dem die aufnehmende Gesellschaft nur lernen könne. Das eine ist Gefühlschristentum ohne Bibel, das andere Vulgärrousseauismus. Beides verkennt die Realität des Menschlichen auf tragische Weise und zum eigenen Moralvergnügen. 

Übrigens ereignete sich der Hamburger Doppelmord in der Geburtsstadt der amtierenden Bundeskanzlerin. Ein Wort hierzu von Angela Merkel ist bisher nicht überliefert.

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