Grüne, Linke, SPD - Warum linke Politik spaltet

Wenn Ideologie mehr zählt als Mathematik und Vernunft, spalten Politiker die Gesellschaft. Darum sind linke Parteien, allen voran Rot-Rot-Grün, unglaubwürdig, wenn sie vor einer Teilung warnen. Denn sie treiben diese voran

Rot, rot, grün: nicht immer Felder vollendeter Harmonie / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Zum Gassenhauer der späten Merkel-, mittleren Steinmeier-Jahre zählt die Klage, unser Land sei gespalten. Mal soll soziale Spaltung herrschen zwischen Alt und Jung, dann zwischen Arm und Reich, mal zwischen Ost und West oder Frau und Mann oder Inländern und Ausländern. Auf all diesen Feldern besteht tatsächlich keine vollendete Harmonie. Wird es sie je geben? Darüber droht freilich in Vergessenheit zu geraten, dass mit der politischen Linken eine bedeutsame politische Kraft von Spaltungen lebt und diese voranzutreiben sich müht. Anders als etwa der politische Liberalismus setzt die politische Linke die eigene Wahrheit fest voraus. So nährt die Linke jene Spaltung, die sie zu bekämpfen vorgibt.

Nehmen wir das mutmaßlich scheiternde Ansinnen der Berliner Linkspartei, den Mietendeckel zur Mietenfräse auszubauen. In bestehende Mietverträge wäre dann einzugreifen, wenn die vereinbarte Miethöhe sich über einem staatlicherseits festgesetzten Mininiveau bewegte. Halbierungen der monatlichen Zahlungen wären rückwirkend möglich. Die Berliner Bausenatorin Karin Lompscher von der Linkspartei sieht darin ein probates Mittel gegen „Mietspekulation“, Bundesvorsitzende Katja Kipping sekundiert, im Kampf gegen „Miethaie“ brauche man ein solches Gesetz. Der „Miethai“ aber kann schlicht der Mensch als Vermieter sein, gegen den der Mensch als Mieter aggressiv und spalterisch in Stellung gebracht wird.

Die Wahrheit zählt mehr als Grundrechenarten

Und die Folgen solcher Zwangskappungen sind für jeden, dem die eigene Wahrheit nicht mehr zählt als die Grundrechenarten, einsichtig: Auftragseinbrüche und Entlassungen bei Handwerksbetrieben und Wohnungsbaugesellschaften, Verlotterung der Bausubstanz, noch weniger Angebote auf dem freien Wohnungsmarkt. Mittelfristig ginge es allen schlechter, aber die linke Idee hätte auf dem Papier den Sieg davongetragen.

Nehmen wir zweitens die Überlegungen der nach links marschierenden deutschen Sozialdemokratie, durch eine Vermögenssteuer Enteignungen zu legitimieren. Nichts anders nämlich wäre es, wenn, wie SPD-Politiker Johannes Kahrs verkündete, „Leute“ mit „100.000 Euro auf der Bank keine Kleinsparer“ sind und folglich wohl zur Kasse gebeten werden dürfen. Der Facharbeiter also, der sich ein Leben lang Geld zurücklegte für seine private Altersversorge, rückt für die SPD in die Nähe von Spekulantentum, Großfinanz, Börsenjonglage. Die eigene Klientel wird beschimpft. Und warum? Um eine spalterische Neiddebatte zu entfachen, in der man sich als Beschützer der Geringverdiener und Sozialhilfeempfänger gerieren kann. Die SPD will Turbulenzen in die Gesellschaft tragen, damit ihre Botschaft von der vermeintlichen sozialen Gerechtigkeit besser gehört wird.

Die Grünen wollen Sachsen missionieren

Nehmen wir drittens die derzeit erfolgreichste linke Partei, die „Grünen“. Das hohe moralische Tremolo, mit dem diese ihre Forderungen vorträgt, ist ohne Spaltungen, ja ohne simplen Dualismus nicht zu haben. Wer sich der grünen Agenda nicht anschließt, ist in grüner Perspektive ein verstockter Tor, der nicht einsehen will, was die Stunde geschlagen habe und dass es fünf vor zwölf, Matthäi am Letzten sei. Ihn müssen harte Gesetze zur Räson bringen. Die Dringlichkeitsemphase der Grünen geht über all jene achselzuckend hinweg, die sich der grünen Prioritätensetzung widersetzen, die etwa Fragen der Ökonomie oder der Migration für wichtiger halten als die Klimafrage und gerne täglich in ihr Steak beißen. Wenn Robert Habeck sagt, Sachsen müsse durch die Grünen weltoffen werden, steigert sich die Spaltungsbereitschaft zum Messiaskomplex.

Die politische Linke ist der Januskopf in der Parteienfamilie. Sie klagt soziale Gerechtigkeit ein und fordert Maßnahmen, die immer neue Ungerechtigkeiten hervorbringen. Sie appelliert an den Zusammenhalt in der Gesellschaft und setzt immer neue Spaltungen ins Werk. Sie gibt jene zu schützen vor, denen sie mittelfristig schadet. Sie setzt die eigene Wahrheit als für alle gegeben und allgemein erwiesen voraus, sodass sie statt des Arguments die Moral im Munde führen kann. Sie denkt nicht, sie will handeln. Aus all diesen Gründen ist es ein verdammt großes Elend, dass der politische Liberalismus in Deutschland keine überzeugende Stimme hat.

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