Gerhard Schröder - Unsere sagenhafte Politik

Obwohl sie Gerhard Schröders Politik einst kritisierte, wünscht Sophie Dannenberg ihn sich jetzt zurück. So ergeht es ihr auch mit anderen Politikern. Wird sie eines Tages auch Angela Merkel vermissen?

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Bundeskanzler Gerhard Schröder sitzt der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel in der so genannten Elefantenrunde am Wahlabend des 22.9.2002 gegenüber / picture alliance
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Autoreninfo

Sophie Dannenberg, geboren 1971, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Ihr Debütroman „Das bleiche Herz der Revolution“ setzt sich kritisch mit den 68ern auseinander. Zuletzt erschien ihr Buch „Teufelsberg“

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Zunehmend komme ich mir vor wie ein politischer Hans im Glück. Hans lässt sich ja ständig über den Tisch ziehen und freut sich noch. Aber im Unterschied zum grimmschen Hans will ich den Goldklumpen, den er zu Beginn des Märchens als Lohn bekommt und loswerden will, unbedingt wieder zurückhaben. Der Goldklumpen, das sind jene Politiker, über deren Abwahl ich mich mal gefreut habe.

Schröder und Fischer vor allem. Erst war ich begeistert, Rot-Grün war immerhin mein Jugendtraum gewesen. Bald darauf waren ich und viele meiner Freunde dann aber gewaltig enttäuscht. Wenn ich heute frage, was wir damals eigentlich gegen sie hatten, fällt keinem mehr was dazu ein. Vielleicht waren wir einfach nur beleidigt, weil unsere Posterboys weder sympathisch noch kultiviert waren, sondern Angeber, Machos und Weiberhelden, weil Schröder ständig grinste, mit Putin kokettierte und dann auch noch Rilkes „Panther“ verhunzte und weil Fischer seine militante Vergangenheit verschleierte, dazu schlanke Zweireiher trug und in der Toskana rumhockte.

Irgendwann wünschen wir uns Merkel zurück

Einige ihrer Entscheidungen waren aber tatsächlich klug. Der Kosovo-Einsatz war nicht nur moralisch sinnvoll, sondern hat die Bundesrepublik aufs geopolitische Parkett geholt. Auch die Weigerung, am desaströsen Irakkrieg teilzunehmen, war richtig. Und von ihren Fehlern erreicht keiner die weitreichenden Folgen der merkelschen Politik.

Inzwischen glaube ich sogar, dass ausgerechnet der ordinäre Schröder nicht nur die Flüchtlingskrise schnell und entschieden gemeistert, sondern auch die SPD am Leben gehalten hätte. Es gäbe damit noch immer die verknatterte CDU, und die AfD wäre eine feine Professorenpartei mit irgendwie 4 Prozent geblieben. Hans im Glück tauscht den Goldklumpen gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans, die Gans gegen einen Stein, der dann in den Brunnen fällt.

Manchmal fürchte ich, dass wir das Ende der Kette noch gar nicht erreicht haben, sondern erst bei der Kuh sind. Immer öfter denke ich an solche Abfolgen: Mit Steinmeier habe ich Abbitte an Fischer, mit Westerwelle an Steinmeier, mit Gabriel an Westerwelle und mit Maas an allen zusammen geleistet. Und irgendwann will ich dann Merkel zurück. Ich kann mir das noch nicht vorstellen, aber der Tag wird kommen. Ganz bestimmt.

Dieser Text ist in der September-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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