Führungskrise der Union - Kann Laschet die CDU wirklich versöhnen?

Ein tiefer Riss geht durch die Union, auf der einen Seite die Anhänger einer Merz-CDU, auf der anderen die einer Art Polenz-CDU. Ob Armin Laschet im Falle seiner Wahl die beiden Seiten der Partei versöhnen kann, ist mehr als fraglich.

Gegen Armin Laschet dürften die anderen Kandidaten kaum eine Chance haben / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Beim Heiligen Römischen Reich dauerte die Führungskrise 36 Jahre. 36 Jahre schlingerte es seit dem Jahr 925 dahin, ohne gekrönten Kaiser, bis sich  Otto I. mit seinem Sieg über die Magyaren auf dem Lechfeld 955 empfahl und 961 von Papst Johannes XII. zum Kaiser gekrönt wurde. 

Natürlich ist Angela Merkel nicht Karl der Große und die CDU ist nicht das Heilige Römische Reich. Dennoch ist absehbar, dass mit dem erfolglos zu Ende gehenden Intermezzo der Einjahres-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer das Führungsvakuum und vor allem die tiefe Sinnkrise der Christdemokraten in Deutschland schon überwunden sein könnte.

Merz-CDU oder Polenz-CDU?

Die Frage, wer sie eigentlich als Partei sein will, was sie im Innersten zusammenhält, hat sich tief und ohne Antwort hineingefressen in diese Partei, die der amtierenden Kanzlerin über Jahre und bald Jahrzehnte dazu diente, ihre Macht zu erreichen und abzusichern.

Zu besichtigen ist nun die tiefe Scharte, die sich ausdehnt zwischen dem, was man die Merz-CDU nennen kann, und einer Polenz-CDU. Letztere benannt nach einem glücklosen und seinerzeit von Angela Merkel schleunigst ausgetauschten Generalsekretär, der in Zeiten der sozialen Medien zu einer späten Blüte wie auch lang vermisster Aufmerksamkeit gefunden hat und gegen den selbst Merkelianer wie der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther sich wie Retro-Konservative ausnehmen.

Die SPD ist der CDU voraus

Das Schisma der CDU gründet mindestens so tief wie jenes der SPD nach den Schröder-Jahren. Das liegt nicht nur daran, dass Merkel inzwischen doppelt so lange regiert wie ihr Vorgänger. Das liegt auch daran, dass sie ihrer Partei in der Zusammenschau mehr zugemutet hat als Gerhard Schröders Agenda dessen Sozialdemokraten.

Die SPD ist der CDU auch insofern voraus, als sie sich für einen klaren Retro-Kurs, die Auslöschung des Schröderschen Erbes entschlossen hat. Das mag man mit Blick auf ihre Kanzlerchancen kritisch sehen (niemals wird das so wieder was mit einem SPD-Kanzler). Aber für den innerparteilichen Frieden ist der Eskabo-Kurs lindernd wie eine Wundkompresse. Vielleicht wird man im Rückblick einmal sagen, dass die SPD diese Phase brauchte, um danach erst wieder eine Machtperspektive zu haben.

So läuft es nicht bei der CDU

Die Entsprechung von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bei der CDU heißt Friedrich Merz. Könnten die Mitglieder wie jene der SPD über den nächsten Vorsitzenden mehr oder minder direkt entscheiden, dann wäre der Sieg mit einiger Sicherheit seiner.

Aber so läuft es nicht bei der CDU. Deshalb hat sich der in der CDU je nach Gusto als gewieft oder verschlagen angesehene Armin Laschet das Two-in-One-Prinzip entwickelt. Als wahrgenommenes Merkel-Kontinuum, als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes und Vorsitzender der NRW-CDU hat er die besten Karten, auf dem konventionellen Gremien-Weg zum neuen Vorsitzenden gewählt zu werden. 

„Take two get one for free“

Um seine Chancen zu maximieren, ist Laschet zum einen in einen dosiert Merkel-kritischen Modus übergegangen, etwa in der Europa-Politik, in der in seinen Augen Deutschland in den letzten Jahren zu apathisch war (was stimmt). Zum andern hat er sich mit Jens Spahn einen Beifahrer ausgesucht und ihn für seine Mission gewonnen, der die junge Version einer Sehnsucht nach mehr Konservatismus in der CDU verkörpert.

„Take two get one for free“, preisen in Großbritannien die Supermärkte und Buchhandlungen ihre Produkte an. Dieses „Nimm-zwei-bekomm-einen-kostenlos“-Prinzip wendet Laschet an. Zusammengenommen macht all das seine Konkurrenten, auch den außer Konkurrenz laufenden Norbert Röttgen chancenlos.

Kein Religionsfriede in Sicht

Für die CDU ist aber mit der mutmaßlichen Wahl von Armin Laschet zur neuen Nummer Eins in der Partei noch gar nichts besser. Erst wenn Laschet es vermag, das Schisma der CDU zu überwinden, wird sie die Hypothek ablegen können, die ihr Angela Merkel zugunsten ihrer Kanzlerschaft aufgebürdet hat.

Um es noch einmal in historischen Parallelen zu sagen: Weder ist bei der CDU derzeit ein Konkordat von Worms noch ein Religionsfriede von Augsburg in Sicht.  

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