Europäische Sicherheitspolitik - Es geht auch ohne großen Bruder

Vor wenigen Tagen trafen sich die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs, um das 25-jährige Bestehen des sogenannten Weimarer Dreiecks zu feiern. Unter anderem wollen sie in der Verteidigungspolitik enger zusammenarbeiten. Eine Abkehr von der Nato hält auch Ramon Schack für sinnvoll

Die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Polens: Jean-Marc Ayrault, Frank-Walter Steinmeier und Witold Waszczykowski / picture alliance
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Autoreninfo

Ramon Schack ist Journalist und Buchautor mit Sitz in Berlin. Zuletzt erschienen seine Bücher „Neukölln ist nirgendwo“ und „Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“.

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Ist es für Deutschland überhaupt noch sinnvoll, auf die EU zu vertrauen in ihrer jetzigen, fragwürdigen Konstellation? Diese Frage, die vor ein paar Monaten noch ketzerisch geklungen hätte, ist angesichts der Krisen und Konflikte in unserem Umfeld, angesichts des Brexits und einer fehlenden gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik der Staatengemeinschaft von beklemmender Aktualität.

Immerhin wird zur Zeit nicht mehr von einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine geredet, was vor einigen Jahren noch ernsthaft in Erwägung gezogen wurde. Auch die Erweiterung in Richtung Türkei wird nicht mehr angestrebt. Viel häufiger gewinnen geostrategische Konzepte an Bedeutung, die man bis vor Kurzem noch als gestrig abgetan hätte.

Die Nato-Hegemonie wird in Frage gestellt

Da wird plötzlich gefordert, dass sich Europa, wenn es überleben will, auf ein paar starke Staaten konzentrieren müsse. Diese Forderungen, welche keineswegs nur von politischen Abenteurern oder extremen Rändern des politischen Spektrums erschallen, stellen auch die Nato-Hegemonie in Frage. Denn weshalb sollte sich die EU der globalen Nato-Strategie unterordnen und deren wahllose Out-of-area-Einsätze mittragen, die den Interessen unseres Kontinentes schaden?

Immerhin ist es Europa, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Krisenherden Nordafrikas und des Nahen Ostens befindet. Und die sind 15 Jahre nach dem Beginn des von Washington ausgerufenen Krieg gegen den Terror im Übermaß vorhanden und eben nicht die versprochenen „Leuchttürme der Demokratie“. Dazu kommen steigende Flüchtlingszahlen, eine erhöhte Terrorgefahr und ein ins Wanken geratenenes politisches System Europas.

Europäische Sicherheitspolitik betreiben

Natürlich soll hier nicht das transatlantische Bündnis pauschal abgelehnt werden, oder gar eine wünschenswerte, partnerschaftliche Allianz auf Augenhöhe. Aber Europa muss endlich selbst seine sicherheitspolitischen Interessen definieren und diese auch verfolgen. Dafür muss erkannt werden, dass die EU in ihrer jetzigen territorialen Ausdehnung zwar einen gemeinsamen Wirtschaftsraum bilden kann, eine unabhängige Außen- und Verteidigungspolitik aber auf einen engen Kern beschränkt bleiben muss.

Da Großbritannien mittelfristig die EU verlassen wird und militärisch ohnehin auf die USA ausgerichtet bleibt, kommen hierfür ernsthaft nur drei Staaten in Frage: Frankreich, Polen und Deutschland, das sogenannte Weimarer Dreieck, wie man dieses Bündnis nach dem Ende des Kalten Krieges taufte.

„Zusammenarbeit intensivieren“

Vor wenigen Tagen wurde in Thüringen das 25-jährige Bestehen des Weimarer Dreiecks gefeiert, eines außenpolitischen Gesprächsforums, welches in den vergangenen Jahren immer mehr in Vergessenheit geriet. Es ist bemerkenswert, dass in der politischen Führung der drei betreffenden Staaten ein Umdenken eingesetzt zu haben scheint. Die bisher angestrebte Osterweiterung von Nato und EU sowie der verstärkte Einfluss Washingtons auf Europa werden inzwischen kritisch gesehen.

Die ständig wiederholten Behauptungen, ohne Amerika sei Europa seinen Feinden schutzlos ausgeliefert, haben heute keine Gültigkeit mehr. Denn der Terror kann heute überall zuschlagen, unabhängig vom jeweiligen Waffenarsenal eines Landes oder Bündnisses.

Die Umwandlung des Weimarer Dreiecks von einem Gesprächsforum hin zu einer Allianz zwischen Frankreich, Deutschland und Polen wäre diesbezüglich ein Schritt in die richtige Richtung. „In Anbetracht der beispiellosen Herausforderungen für Europa erachten wir es für erforderlich, die Zusammenarbeit zu intensivieren und ihr einen neuen Impuls zu geben“, heißt es in einer gemeinsamen Jubiläums-Erklärung der Außenminister. Als gemeinsame Handlungsfelder sind darin die Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Wirtschafts-, Energie- und Beschäftigungspolitik genannt. Es wäre wünschenswert, wenn diesen Worten auch bald Taten folgen würden.

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