Eberhard Zorn - Ein Sanierer für die Truppe

Der neue Generalinspekteur Eberhard Zorn soll die Bundeswehr wieder einsatzfähig machen. Doch bis neues Geld auch bei der Truppe ankommt, wird viel Zeit vergehen

Erschienen in Ausgabe
„Eine Europaarmee sehe ich eher als Vision“, sagt Eberhard Zorn, der neue Generalinspekteur der Bundeswehr / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

So erreichen Sie Werner Sonne:

Anzeige

Wenn Eberhard Zorn aus seinem Büro auf den Berliner Landwehrkanal schaut, dann sieht er auf ein Gerüst. Die historische Fassade des Verteidigungsministeriums wird aufwendig saniert. Das passt irgendwie, denn auch der neue Generalinspekteur der Bundeswehr hat einen aufwendigen Sanierungsauftrag übernommen. Aber der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, Dauerkritiker der Zustände in den kaputtgesparten Streitkräften, braucht trotzdem nur einen Satz, um dieses Ziel zu beschreiben: „Die Bundeswehr wieder einsatzfähig machen.“

Die Trendwende sei eingeleitet, das versichert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gerne. Tatsächlich zeigt der Haushalt 2019 eine steil ansteigende Kurve auf 43 Milliarden Euro, 2015 waren es lediglich 32,97 Milliarden. Aber Bartels erkennt noch nicht, dass das Geld bei der Truppe angekommen ist. Es gebe noch kein neues Material, bisher stehe alles nur auf dem Papier. „Ich glaube es erst, wenn ich es sehe“, so der Wehrbeauftragte. Da muss jetzt Zorn ran.

„Enorm guter Bezug zur Truppe“

Selbst mancher Insider war überrascht, als im Frühjahr die Wahl auf Zorn als neuen Generalinspekteur fiel. Dabei ist der 58-jährige Saarländer kein Außenseiter in der Truppe. Er durchlief alle Stationen, die ein Offizier für diese Spitzenposition braucht: Ausbildung im deutschen und im französischen Generalstab, Kommandos über eine Fallschirmjägerbrigade und die Division Schnelle Kräfte, Auslandseinsätze auf dem Balkan. Aber Zorn verbrachte auch viel Zeit im Personalwesen, wo die Scheinwerfer nicht so hinleuchten. Von dort holte ihn die Verteidigungsministerin und machte ihn zum ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr – „in schwieriger Zeit“, wie sie dazu formulierte.

Doch das ist nach wie vor eher eine Untertreibung. Oberstleutnant André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands, spricht öffentlich davon, die Streitkräfte befänden sich immer noch „im freien Fall“. Und dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, kommt er ins Schwärmen. „Zorn ist es gelungen, in kürzester Zeit Vertrauen zu gewinnen.“

Was Wüstner, der rund 200 000 Mitglieder hinter sich weiß, scharf beobachtet, ist Zorns Verhältnis zur Truppe. Anders als sein Vorgänger Volker Wieker, der viel Zeit damit verbringen musste, den Sanierungsfall Bundeswehr der Politik zu erklären, braucht Zorn das nicht mehr. Dass die Bundeswehr mehr Geld, mehr Personal, mehr funktionsfähiges Material braucht, ist inzwischen weitgehend unbestritten. Nun geht die Kritik dahin, dass es zu lange dauert. Eberhard Zorn hat jetzt, so ein Insider, „mehr Beinfreiheit“. Die nutzt er, um sich, wann immer er kann, bei den Soldaten sehen zu lassen. „Er hat einen enorm guten Bezug zur Truppe“, lobt Wüstner. „Er kennt wie kein anderer die Stärken und Schwächen der Bundeswehr – und er scheut sich nicht, diese klar auszusprechen.“

Hauptfeind: Bürokratie

Eberhard Zorn will aber sich besonders um die unteren Dienstgrade bemühen, denn nach Wegfall der Wehrpflicht braucht man Mannschaften, die deutlich länger Dienst tun. Sein Hauptfeind: die Bürokratie. „Die Bürokratie erschwert die Auftragserfüllung, die Leute fühlen sich eingeengt“, sagt er. Die lange Kette der Verantwortungsebenen will er deshalb vereinfachen: „Das ist mir eine Herzensangelegenheit.“

Ansonsten, so Zorn, sei die Stimmung bei der Truppe da „ausgezeichnet“, wo es genug Material und Personal gebe – wie etwa beim Nato-Großmanöver in Norwegen, wo wieder Material zusammengekratzt wurde, zulasten anderer Einheiten. „Sie ist da mittelmäßig, teilweise eher schwierig, wo sehr viel Material abgegeben wurde.“ Seine Lösung: Diese gebeutelten Einheiten schickt er möglichst in den Auslandseinsatz, von Afghanistan bis ins Baltikum, wo die Ausrüstung in der Regel besser ist.

Europaarmee muss warten

Zorn hofft, dass seine Maßnahmen bald greifen werden, für die vielen Waffensysteme, die derzeit nicht fahren, fliegen oder schwimmen können. „Trendwende beim Personal ab Mitte nächsten Jahres sichtbar, bei den Ersatzteilen genauso.“ Allerdings sieht er das Land mittlerweile vor allem dort bedroht, wo man mit Kampfpanzern und anderem klassischen Militärgerät wenig ausrichten kann. „Cyber ist für mich eine überwölbende Thematik, militärisch, aber auch zivil.“ Die Bundeswehr bündle ihre Fähigkeiten in einem neuen Kommando, aber das sei nur „ein erster Schritt“.

Und dann wäre da noch der überraschende Vorschlag von Kanzlerin Merkel, eine Europaarmee zu schaffen. Eberhard Zorn äußert sich dazu ganz diplomatisch: „Eine Europaarmee sehe ich eher als Vision. In den nächsten Jahren werden wir den bereits eingeschlagenen Weg ganz pragmatisch weiterverfolgen.“ Mit anderen Worten: Auf absehbare Zukunft wird das nichts.


Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.














 

Anzeige