Meistgelesene Artikel 2021: November - „Die Dunkelziffer bei den Impfschäden ist enorm hoch“

Sorgen vor einer Corona-Impfung tut der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission als Unfug ab. Das kritisiert der Internist Erich Freisleben. Im Interview erzählt er offen von den möglichen Nebenwirkungen der Impfung und äußert die Ansicht, dass die derzeitige Politisierung der Wissenschaft auf Dauer das Vertrauen der Menschen erschüttern könnte.

Jens Spahn lässt sich medienwirksam von seinem Hausarzt impfen / dpa
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Autoreninfo

Björn Eenboom ist Filmkritiker, Journalist und Autor und lebt im Rhein-Main-Gebiet.

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Dr. med. Erich Freisleben studierte Medizin in Berlin und Kiel und absolvierte seine Facharztausbildung zum Internisten. Seit 35 Jahren praktiziert er als Hausarzt. Er promovierte in der Geschichtsmedizin zum Thema Rassenhygiene und Rassenideologie, war als Delegierter in der kassenärztlichen Vereinigung tätig und publiziert Artikel zu gesundheitspolitischen Themen.

Herr Freisleben, Sie sind praktizierender Hausarzt und impfen auch gegen das Corona-Virus. Was würden Sie jemanden wie dem Fußballer Joshua Kimmich raten, den die Sorge umtreibt, dass es noch nicht genügend Langzeitstudien gibt, weshalb er sich derzeit nicht impfen lassen möchte?

Corona hat viele Wunden hinterlassen. Da diese Krankheit seit nunmehr fast zwei Jahren in Politik und Medien verhandelt wird, anstatt wie sonst nur zwischen Ärzten und Wissenschaftlern, schlagen öffentliche Stellungnahmen oft hohe Wellen. Die Haltung eines jeden zu dem Thema ergibt sich aus dem Kontext der persönlichen Erfahrungen, der allgemeinen Lebenshaltung und des eigenen Informationshintergrunds. Ich würde als erstes Herrn Kimmich Verständnis für seine Haltung signalisieren und ihm anbieten, sich die Situation gemeinsam mit mir anzusehen. In jedem Fall würde ich die Entscheidung, die er letztendlich trifft, respektieren.

Was sagen Sie Ihren Patienten, wenn Sie auf das Thema Impfung angesprochen werden?

Fragen dazu werden mir täglich vielfach gestellt und jedes Mal fällt zunächst meine Antwort gleich aus. Ich rate ihnen weder zu einer Impfung noch rate ich davon ab, sondern helfe, die individuell passende Entscheidung zu finden. Denn selbst für mich ist die Situation noch immer unübersichtlich. Als Hausarzt gilt als oberste Prämisse die hippokratische Forderung, keinem Patienten Schaden zuzufügen oder möglichen Schaden von ihm abzuwenden. Daher fühle ich mich verpflichtet, den Patienten über das Für und Wider aufzuklären. Das bedeutet, abzuwägen, wie hoch im speziellen Fall das Erkrankungsrisiko ist und ob ein nennenswertes Risiko eines Impfschadens besteht. Ein junger gesunder Mann hat bei einer Corona-Infektion ein relativ geringes Krankheitsrisiko. Gleichzeitig besteht die nicht ganz zu vernachlässigende Möglichkeit einer unerwünschten Impffolge. Auf dieser Basis soll er selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen will oder eher auf sein Immunsystem vertrauen möchte.

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Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hält die Debatte um Kimmichs Impfsorgen für Unfug. Auch der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Carsten Watzl sagt, die Wissenschaft sei sich einig, dass Nebenwirkungen nach einer Impfung „nicht vorkommen, beziehungsweise eine extrem seltene Rarität bei einzelnen Impfstoffen“ seien.

Das sehe ich ganz und gar anders, denn da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Diese genetischen Impfstoffe haben einen völlig anderen Wirkmechanismus als die bisher bekannten. Trotz der jahrzehntelang erprobten Techniken nahm die jeweilige Entwicklung eines neuen Impfstoffs in der Regel bis zur Standardzulassung acht oder zehn Jahre in Anspruch. Man kannte die wesentlichen Probleme und nutze dennoch den langen Zeitraum, um auch auf mittel- oder längerfristige Komplikationen zu reagieren und hat im Einzelfall manchen Impfstoff gar nicht erst zugelassen oder sogar wieder zurückgenommen. Diese wichtigen Unterschiede zu verwischen halte ich, wie auch viele Wissenschaftler, für unredlich.

Dann schaden solche Aussagen der Impfdebatte?

Die Politisierung der Wissenschaft, wie wir sie derzeit erleben, bei der sehr viel Druck ausgeübt wird und bei der immer dieselben Wissenschaftler als Zeugen aufgerufen und Andersmeinende ins Aus gestellt werden – das alles wird einen gewaltigen Flurschaden hinterlassen, weil letztendlich auf Dauer das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft, vor allem in Bezug auf Impfungen, massiv erschüttern wird. Mir liegt sehr daran, dass man die Wahrheit auf den Tisch legt. Selbst dann gibt es immer noch genügend gute Argumente für eine Impfung, aber Zweifel können durchaus berechtigt sein. Man muss die Freiheit respektieren, selbst zu entscheiden, ob man sich impfen lässt oder nicht. Eine echte Herdenimmunität ist bei Corona durch Impfung niemals herzustellen. Daher ist die Impfung ein Individualschutz und nicht, wie oft dargestellt, ein sozialer Akt.

Es heißt, die Risiken einer Corona-Infektion und die damit verbundenen Folgeschäden durch Long-Covid stünden in keiner Relation zu den Risiken einer möglichen Impfnebenwirkung.

Das kann ich abschließend noch nicht beurteilen. Ich habe bisher ungefähr 300 Covid-Fälle in meiner Praxis erlebt, habe durch schwere Krankheitsverläufe sechs Patienten verloren und in vier Fällen ein Monate währendes Long-Covid-Syndrom diagnostizieren müssen. Als Folge der umfangreicheren Anzahl von Corona-Impfungen starb ein zuvor weitgehend gesunder 62-Jähriger an einer Sinusvenenthrombose, verfolgte ich drei Lungenembolien, ein Guillain-Barré-Syndrom und registrierte 25 Fälle mit teils erheblichen, über Wochen bestehenden Nebenwirkungen.

Welche Impfnebenwirkungen haben Sie feststellen können?

Symptome, die sehr häufig sind, sind etwa eine ungeheure Müdigkeit, untypische starke Kopfschmerzen bis hin zu neurologischen Phänomenen wie Nervenschmerzen, Lähmungen, Geschmacksstörungen, Lichtempfindlichkeit, oft Dinge, die auf eine Gehirnbeteiligung hinweisen. Die Beschwerden führten zwar nicht zwingend zu einem Krankenhaus-Aufenthalt, sie beeinträchtigten aber das Leben der Betroffenen oftmals stark.

Melden Sie diese Fälle?

Ja, diese Nebenwirkungen meldete ich dem Paul-Ehrlich-Institut und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Die besagten fast 30 Fälle sind in Relation zu der Anzahl von 2.500 Patienten, die pro Quartal in meiner Praxis von zwei Ärzten behandelt werden und von denen vielleicht 60 Prozent geimpft sind, eine erstaunlich hohe Zahl.

Woran liegt das?

Eine fundierte Meldung von Impfschäden, bei der auch vernünftig die Verläufe und Zusammenhänge beschrieben werden, bedeutet einen ungeheuren Zeitaufwand, der sich parallel zur Praxisarbeit gar nicht bewerkstelligen lässt, sondern nur in der Freizeit. Spontanmeldungen von Arzneimittelnebenwirkungen liegen normalerweise bei fünf bis zehn Prozent. Bei den Schäden nach Corona-Impfungen schätze ich die Meldequote mit vier Prozent ein. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Dunkelziffer enorm hoch ist. Gerade bei der Einführung eines massenhaft angewendeten neuen Impfprinzips hätte zwingend eine lückenlose Dokumentation und wissenschaftliche Begleitforschung stattfinden müssen, statt sich auf Spontanmeldungen zu verlassen. Ich möchte deshalb Patienten, die unklare Symptome nach einer Corona-Impfung haben, ermuntern, damit zu Ärzten zu gehen, auch wenn diese Symptome erst einmal diffus klingen. Und ich würde mir wünschen, dass Kollegen sorgfältig recherchieren und nicht voreingenommen sind, was Impfnebenwirkungen betrifft.

Sie vermuten, dass Impfnebenwirkungen nicht ausreichend ernst genommen werden?

Leider musste ich diese Erfahrung schon machen. Ich hatte beispielsweise eine junge Frau mit einer starken Beeinträchtigung des Bewusstseins und einer Nervenlähmung ins Krankenhaus geschickt und auf die Einweisung geschrieben, dass es einen möglichen Zusammenhang zur Impfung gibt. In der Ambulanz wurde der Frau während der Untersuchung dann versucht auszureden, dass das etwas mit der Impfung zu tun haben könnte, und man hat sie letztendlich wieder nach Hause geschickt, da man einen psychosomatischen Zusammenhang vermutete. Ihr Zustand verschlechterte sich jedoch weiter. Ich habe ihr dann Kortison verabreicht und innerhalb einer Woche war sie wieder genesen. Es ist erstaunlich, wie sehr die Ärzteschaft selbst in den renommiertesten Kliniken mögliche Zusammenhänge mit einer Impfung partout nicht sehen will.

Wie erklären Sie sich, dass ein Kortison-Präparat helfen kann?

In dem Fall eines Mannes, bei dem eine Woche nach der zweiten Impfung eine starke Wesensveränderung auftrat, die letztlich in völlige Immobilität mündete, vermutete ich eine autoimmun-entzündliche Hirnerkrankung. Da bei einem kurzen stationären Aufenthalt dieser Zusammenhang unbeachtet und ohne Therapie blieb, behandelte ich gewissermaßen in einem Verzweiflungsakt versuchsweise mit hochdosiertem Kortison. Zwei Tage später besuchte mich der Mann in meiner Praxis, wie durch ein Wunder gebessert. Wir wissen von Herzmuskelbiopsien bei impfinduzierter Myokarditis und von histologischen Befunden von nach Impfung Verstorbener, dass als überschießende Abwehrreaktion massenhaft T-Zell-Lymphozyten ins Gewebe wandern können. Durch Kortison kann ein solcher Prozess gestoppt werden. Nachdem ich inzwischen mehr als 20 Fälle so behandelt habe und in fast 80 Prozent die Symptome sich ganz entscheidend besserten, gehe ich davon aus, dass auch bei Patienten mit den bereits genannten weniger schweren Symptomen ein solcher autoimmun-entzündlicher Prozess in milderer Form auftritt. Wenn dieser Zusammenhang nicht beachtet wird, wird die Symptomatik leicht fehlgedeutet oder als psychosomatisch verkannt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ideologisierung der Impffrage offensichtlich nicht selten dazu führt, solche Zusammenhänge vorab auszuschließen.

Kürzlich ist Ihr Buch „Ansichten eines Hausarztes. Wege aus dem Corona-Dilemma“ erschienen. Welche Wege gibt es denn jenseits der Impfung aus der Pandemie?

Wenn man auf Schweden blickt, wo die Strategie der Pandemie bekanntermaßen anders gehandhabt wurde, sind zwar zu Beginn auch viele alte Leute gestorben. Sie wurden, wie in allen Ländern, zu wenig geschützt. Durch die fehlenden Lockdowns und die weniger strengen Kontaktbeschränkungen hat sich die Bevölkerung jedoch, teilweise geschützt durch vorbestehende Antikörper gegen die früheren Corona-Viren, viel mehr mit dem Virus auseinandergesetzt. Von dieser bevölkerungsweit robusteren, natürlich erworbenen Abwehrkraft profitiert Schweden heute. Denn dessen Corona-bedingte Infektions- und Sterbezahlen sind gegenüber den vermeintlichen Impf-„Musterländern“ wie Großbritannien und Israel ganz deutlich geringer.

Gesundheitsminister Jens Spahn möchte die epidemische Notlage Ende November auslaufen lassen. Begrüßen Sie das?

Die pandemische Lage hätte schon im Frühjahr aufgehoben werden müssen, da die Wellen der Alpha- als auch der Delta-Variante, vor der so gewarnt worden sind, nur in einem geringen Ausmaß stattgefunden haben. Wir werden mit diesem Erreger leben und umgehen müssen. Wir hätten nach bestimmten Kriterien definieren können, wie bedroht die Menschen jeweils wirklich sind, und uns dann auf die Gefährdeten konzentrieren können, um ihnen einen maximalen Schutz zu gewähren.

An welche Kriterien denken Sie?

Wir hätten einen großen Teil der Menschen auf Antikörper gegen endemische Corona-Viren testen lassen können, die in den letzten Jahren als Schnupfen-Virus durch das Land gegangen sind. Denn inzwischen wissen wir, dass die Antikörper gegen die damals noch harmlosen Corona-Viren auch gegen Sars-Cov-2 wirksam sind. Zwar nicht im Sinne eines hundertprozentigen Schutzes, aber so, dass sie zu einem großen Teil zumindest schwere Verläufe eher unwahrscheinlich machen. Menschen, die viele Kontakte im Leben haben, wie Erzieher oder Ärzte, haben meist einen sehr hohen Antikörpergehalt. Diese Testmöglichkeit hätte man besonders jüngeren Menschen anbieten können und die Impfung vorrangig denen geben sollen, die weitgehend ungeschützt und insgesamt verletzlich sind. Der Bevölkerung wäre mit solch einem gezielteren, aber entspannteren Umgang ein Großteil der Ängste erspart geblieben. Dann wären wir, wie Schweden, schon längst aus der Pandemie draußen. Doch Angstschüren und Starren auf die Inzidenz haben das Problem ungeheuer in die Länge gezogen und ziehen es noch auf unabsehbare Zeit weiter in die Länge. Anhaltendes Social-Distancing verschlechtert unweigerlich die natürliche Immunität der Allgemeinheit. Außerdem werden voraussichtlich die Kosten eines endlosen Nachimpfung-Marathons durch Personaleinsparungen im Gesundheitswesen und die Folgekosten des Lockdowns durch eine hohe Teuerungsrate refinanziert.

Die Fragen stellte Björn Eenboom

 

Dr. med. Erich Freisleben: Ansichten eines Hausarztes. Wege aus dem Corona-Dilemma. Freya Verlag. 232 Seiten. 14,90 Euro.

 

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