Vorschlag von Daniel Günther - Spurwechsel? Ja, aber...!

Daniel Günther möchte abgelehnten Asylbewerbern mit einer geregelten Tätigkeit einen Spurwechsel ermöglichen, um doch in Deutschland bleiben zu können. Der Vorschlag ist sinnvoll. Aber nur unter einer Bedingung

Migrant in der Ausbildung: Beste Voraussetzung für die Integration / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Der richtige Begriff entscheidet in der politischen Debatte oft schon über Sieg und Niederlage. Und der Begriff, den der agile und von sich selbst hingerissene Daniel Günther da wieder in die Debatte gebracht hat, der ist richtig gut. Spurwechsel – das ist griffig, plastisch, klingt mobil, modern und unbürokratisch.

Mit einem Spurwechsel soll nach Willen des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten lediglich geduldeten oder abgelehnten Asylbewerbern die Möglichkeit gegeben werden, vom aussichtslosen Fahrstreifen Asyl auf die Überholspur Einwanderung zu wechseln, wenn sie in der Zeit erfolgreich eine Lehre gemacht und schon in dem Beruf gearbeitet haben. Dies ist nach der so genannten 3plus2-Regelung jetzt schon möglich: also drei Jahre Ausbildung, dann zwei Jahre Arbeit. Nur ist danach bisher Schluss, und eine Rückkehr ins Herkunftsland wird erzwungen. 

Es gibt kein einfaches „Dafür“ oder „Dagegen“

Der Umgang mit Asylbewerbern ohne Asylbewilligung ist eine dieser Fragen, die sich nicht mit einem einfachen „Dafür“ oder „Dagegen“ beantworten lassen. Denn natürlich ist es so, dass zwei Rechtssysteme nicht das Gleiche sind wie zwei Fahrstreifen einer Straße. Sie sind normativ, bindend und regeln jeweils voneinander getrennte Rechtsräume. Und natürlich würde ein solcher Spurwechsel des Rechtsweges mit einiger Sicherheit auch eine zusätzliche Anziehungskraft auf die Menschen ausüben, die in ihren Ländern keine Perspektive für sich sehen. Zum dritten ist es nicht von der Hand zu weisen, dass diese ausgebildeten Heimkehrer in ihren Herkunftsländern diejenigen sein können, die diese Länder dank ihrer in Deutschland erworbenen Fähigkeiten nach vorn bringen. Dass also auf diese Weise die berühmten Fluchtursachen „bekämpft“ werden, wie man gemeinhin so sagt. 

Andererseits kann niemand übersehen, das die unterschiedlichen Rechtswege Einwanderung und Asyl (und deren unterschiedlichen Begründungen) am Ende mit den selben Menschen zu tun haben. Und es ist für die Beteiligten wie den ausgebildeten Facharbeiter sowie dessen glücklichen Arbeitgeber nur schwer einzusehen, dass dieser junge Mitarbeiter wieder gehen soll, in dem Moment, wo es eigentlich zum Wohle aller ist, dass er da bleibt. Und es kann auch niemand ernsthaft bestreiten, dass ein ausfüllender Job in einem festen Arbeitsgefüge die beste Voraussetzungen dafür ist, sich zu integrieren und in einem bis dahin fremden Land wirklich heimisch zu werden. 

Wie es gehen könnte

Nach Abwägung all dieser Aspekte kann weder Günther noch seinen Gegnern 100 Prozent Recht gegeben werden. Aber es gibt eine Möglichkeit, die Für und Wider in einen Einklang zu bringen. Und zwar so: Man könnte einen solchen Spurwechsel für all jene in Betracht ziehen, die schon hier sind und sich haben ausbilden lassen und zur Freude ihrer Arbeitgeber den Facharbeitermangel beheben helfen. 

Es sind jene gut eine Million Migranten, die in der großen Welle der unkontrollierten Einwanderung nach Deutschland gekommen sind. Ein Spurwechsel für diese Leute kann es aber nur geben, wenn zeitgleich Einrichtungen an der Außengrenze errichtet werden, oder am besten gleich in den Ländern, von denen aus sie sich übers Mittelmeer auf den Weg machen. Diese Behörden müssten die Zuwanderwilligen von Asylsuchenden scheiden. Das wäre nötig, damit die Spur des Rechtsweg schon außerhalb des Territoriums dieses Rechtsraumes geklärt wird. 

Vertrauen und Rückhalt bei der Bevölkerung gewinnen

So wie der Herbst 2015 und das Frühjahr 2016 für immer eine (verheerend lehrreiche) Ausnahme bleiben müssen, so muss die möglichst intensive Aufnahme dieser Menschen in unsere Gesellschaft die Ausnahme bleiben. So würde ein weiterer Sog-Effekt verhindert. 

Kurzum noch einmal: Ein Spurwechsel für diese Personengruppe kann es NUR und ERST DANN geben, sobald die Entscheidungszentren über Asyl beziehungsweise Zuwanderung existieren. Diese sollten daher im Interesse aller so schnell wie möglich errichtet werden. Denn sie stellen dann noch etwas anderes immens Wichtiges wieder her: Verloren gegangenes Vertrauen und erodierender Rückhalt bei denen, die schon länger hier leben, früher bekannt als heimische Bevölkerung.    
 

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