CSU in Wallerstein - Wo man noch nicht „so weit“ ist

In der bayerischen Gemeinde Wallerstein sollte auf CSU-Wunsch der 44 Jahre alte Sener Sahin bei der kommenden Kommunalwahl kandidieren. Doch plötzlich regt sich Widerstand in der Partei. Zwar ist Sahin mit einer Katholikin verheiratet und trainierte die Fußballmannschaft. Doch er ist auch Moslem

Die CSU im bayerischen Wallerstein will die Kirche im Dorf lassen / piture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Wallerstein liegt nicht am Ende der Welt, aber man kann es von dort aus ziemlich gut sehen. Oder wie soll man den Satz verstehen, der dem CSU-Ortsvorsitzenden Georg Kling herausrutscht, als man ihn fragt, ob es stimmt, was man über seine Parteifreunde lesen konnte. Dass sie einen Bürgermeisterkandidaten nur deshalb nicht bei der bayerischen Kommunalwahl antreten lassen wollten, weil dieser Mann zwar bayerischer ist als viele Bayern, weil er aber als Sohn türkischer Zuwanderer Moslem ist? „Man muss die Kirche im Dorf lassen“, sagt Kling, der Viehhändler ist, und man kann durch das Telefon hören, wie er mit den Augen rollt. „Wir sind auf dem Dorf, und wir sind noch nicht so weit.“

So weit wofür? Für eine Gesellschaft, die schon seit den sechziger Jahren eine Zuwanderungsgesellschaft ist, auch wenn das in Wallerstein nicht alle wahrhaben wollen? Oder für den Untergang des Abendlandes? Hat man in der CSU Angst davor, Wähler an die AfD zu verlieren, wenn man jetzt einer Entwicklung Tribut zollt, die nicht nur in den Großstädten, sondern längst auch in der Provinz zum Alltag gehört? Verstößt es nicht gegen das in der Verfassung verankerte Gleichheitsgebot, wenn man Bürger wegen ihrer Religionszugehörigkeit von politischer Teilhabe ausschließt?

Sein Moslem-Sein hat nie interessiert

Solche Fragen muss sich die CSU gefallen lassen. Ihr Vorsitzender Markus Söder hat gerade wieder gefordert, die Partei müsse jünger werden – weiblicher und grüner sowieso. In Wallerstein aber, einem Dorf mit 3.327 Einwohnern, versuchen sie, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Wie passt das zusammen?

Der Kandidat, um den es geht, ist nicht irgendwer. Er ist ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Sener Sahin, 44, verheiratet, zwei Kinder, ist in Bayern geboren und aufgewachsen. Er hat hier studiert und sich als Unternehmer selbstständig gemacht. Er hat jahrelang eine Fußball-Mannschaft trainiert. Dass er Moslem ist, hat, so scheint es, jahrelang niemanden interessiert, auch nicht in der CSU. Schließlich, hat Sahin im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, sei es ja der CSU-Ortsverband gewesen, der ihn gebeten hatte, für das Amt zu kandidieren.

Er habe von Anfang an geahnt, dass das Ärger gebe. Aber dass sich aus demselben Ortsverband plötzlich „Parteifreunde über 60“ gemeldet hätten, die genau das verhindern wollten, habe ihm dann aber doch wehgetan. Schließlich wolle er „ja nicht Pfarrer werden, sondern Bürgermeister.“ Und als Ehemann einer Katholikin sei er „bestimmt öfter in der Kirche als die, die mich jetzt nicht wollen“, sagte er.

Niemand sonst wollte das Ehrenamt

Aber wenn Sahin dem C in CSU mit einer Selbstverständlichkeit Rechnung trägt, die manchen Ur-Bayern alt aussehen lässt, wo liegt dann eigentlich das Problem? Kann die Partei nur repräsentieren, wer schon mit Rosenkranz zwischen den Fingern zur Welt kam? Vor einigen Jahren hat sich die CSU für Mitglieder der jüdischen Gemeinde geöffnet. Gelten für Muslime andere Spielregeln? Man hätte diese Frage gerne einem der  Gegner Sahins gestellt. Doch öffentlich wolle sich keiner äußern, sagt der CSU-Ortsvorsitzende Georg Kling.

Die Idee, Sahin als Bürgermeisterkandidaten vorzuschlagen, stammt von ihm. Die Enttäuschung über die Reaktion seiner Parteifreunde ist ihm anzumerken. Weil sich außer Sahin niemand gemeldet hat, der dieses Ehrenamt übernehmen wollte, geht die CSU jetzt wohl ohne eigenen Kandidaten in die Kommunalwahl. Sieht so die vielbeschworene Erneuerung aus? 

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