Cicero im Oktober - Nicht noch mal

Die Bilanz der Großen Koalition ein Jahr vor der Bundestagswahl ist ernüchternd. Wenn sich die beiden Volksparteien zusammentun, dann addiert sich das nicht im Regierungshandeln. Und es schadet der Demokratie, wenn in den großen Fragen alle Parteien einer Meinung sind

Die Parteien der Großen Koalition leiden unter Angela Merkel / Illustration: Jens Bonnke
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es bedürfte gar nicht mehr unbedingt solch eindeutiger Belege. Aber wenn Sigmar Gabriel, der vor einem Jahr mit dem „Refugees welcome“-Button am Revers neben Kanzlerin Merkel auf der Regierungsbank saß, plötzlich die Obergrenze entdeckt, spätestens dann weiß ein jeder und eine jede im Land: Diese Legislaturperiode ist faktisch beendet. Die Zeit des Regierens ist vorbei. Von jetzt an ist Wahlkampf. 

Der richtige Zeitpunkt also für ein Resümee. Zum zweiten Mal in elf Jahren ist diese Große Koalition in personell identischer Besetzung an der Spitze für die Geschicke des Landes zuständig gewesen. Wie erfolgreich hat sie diese Rolle treuhänderisch wahrgenommen? Bringen Große Koalitionen mit ihren großen Mehrheiten große Dinge zustande? Die Redaktion von Cicero kommt in der Titelgeschichte zu einer nüchternen, ernüchternden Bilanz. Es erweist sich: Wenn sich die beiden bislang großen Volksparteien zusammentun, dann addiert sich das nicht im Regierungshandeln. Sondern die beiden starken Kräfte heben sich in erster Linie gegenseitig auf. Übrig bleiben unsinnige Konzessionen an die jeweilige Klientel wie die Rente mit 63 hier und die Mütterrente da. 

Beträchtlicher Schaden an der Demokratie

Darüber hinaus richtet die Große Koalition als Dauerzustand einen beträchtlichen Schaden an der Demokratie an. Dieser Schaden tritt inzwischen offen zutage. Die Wahlerfolge der AfD speisen sich nicht in erster Linie aus Rassismus und dumpfem Rechtsradikalismus. Sondern aus einem Gefühl der Ohnmacht, wenn in großen politischen Fragen alle derzeit im Parlament vertretenen Parteien einer Meinung sind. 

Deshalb ist die Lehre aus den Merkel-Jahren der Großen Koalition: Bitte nicht noch mal. Alles, nur keine Große Koalition mehr. Sondern eine handlungsfähige Regierung hier und eine starke Opposition da. Wahl und Wechsel – mit diesem politischen Gezeitenspiel ist die parlamentarisch-repräsentative Demokratie in diesem Land ein halbes Jahrhundert im Großen und Ganzen gut gefahren. Es muss wieder die Regel werden. Mit den fünf Landtagswahlen dieses Jahres hat der Souverän begonnen, diesen Zustand wiederherzustellen.

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