Kampf um Kanzlerkandidatur - „Des Gegners Kraft nutzen Du musst“

Man müsse auf der „hellen Seite der Macht“ stehen, lautet die Forderung von Markus Söder an die Unionsparteien. Der CSU-Chef mag zwar ein Fan von Fantasy-Serien sein, aber in diesem Fall geht sein Vergleich nach hinten los. Er selbst ähnelt inzwischen eher dem „Joker“ aus den Batman-Filmen.

Markus Söder als Shrek bei der fränkischen Fastnacht im Jahr 2014 / dpa
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Rüdiger Suchsland (Foto privat), Jahrgang 1968, ist Kulturjournalist, Regisseur und Filmkritiker.

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Bei der „Fastnacht in Franken“ war es im letzten Jahrzehnt vor Corona immer eine der spannendsten Fragen: Welche Maske wird Markus Söder diesmal tragen?

Wie man sich vorstellen kann, hat der Nürnberger aus Münchener Sicht einen für manche gewöhnungsbedürftigen Humor. Aber was Söder auch seine größten Feinde nicht absprechen würden: Er ist ein echter leidenschaftlicher Kinofan. Als einer der wenigen, wenn nicht sogar der einzige unter den Landesfürsten der Republik geht er regelmäßig ins Kino, kennt tatsächlich manche Filmtitel der letzten Jahre nicht nur vom Hörensagen, und hat schon öfters erzählt, wie gerne er mit seinen beiden Söhnen, den jüngeren seiner vier Kinder, Filme und Serien auf Streaming-Plattformen anschaut.

Diese Kino-Erfahrungen inspirieren offenkundig auch Söders Faschingskostüme. Ob als Gandalf, als Homer Simpson oder als Marilyn Monroe – jedes Mal versuchten politische Beobachter, Söders neueste Verkleidung als Geste politischer Kommunikation zu interpretieren. Nach wie vor unvergessen ist vor allem, wie Söder 2014 als knallgrüner Shrek auftrat. Nur als „Terminator“ ist er bisher noch nicht gekommen. Film und Fernsehen inspirieren auch seine rhetorischen Metaphern: „Winter is coming“ hatte er auf seiner „Game of Thrones“-Kaffeetasse stehen, die er immer deutlicher sichtbar bei den häufigen Videoschalten des vergangenen Sommers vor sich aufstellte.

„Star Wars“ lässt grüßen

Jetzt also „die helle Seite der Macht“ – dort müsse die Union wieder hinkommen, lautete eine inzwischen vielzitierte Floskel Söders bei der gemeinsamen Fraktionssitzung von CDU/CSU am Dienstag. „Star Wars“ lässt grüßen. 

Diese Formulierung verrät freilich mehr. Auch mehr, als Söder vermutlich verraten möchte. Sie zeigt nämlich nicht nur, wo sich der CSU-Chef bislang selber stehen sieht. Sie belegt auch, dass Söder das allmählich eskalierende Duell um die Kanzlerkandidatur nicht nur als fairen politischen Wettbewerb begreift, sondern als Kampf zwischen Gut und Böse, als Duell auf Leben und Tod. Eine Schlacht zwischen zwei Jedi-Rittern.

Aber Markus Söder hat im Kino nicht richtig aufgepasst. Oder er hat nur gesehen, was er sehen wollte: Todesmutige X-Wing-Flieger, die den überlegenen Todesstern besiegen; Anakin Skywalker, der zwischen Gut und Böse lange elegant die Mitte hält und als schwarzer Lord Darth Vader aus dem Untergang der Galaktischen Republik und ihrer korrupten parlamentarischen Schwatzbude, dem Senat, wie Phoenix aus der Asche zum von allen gefürchteten Herrn des Sternen-Imperiums hervorgeht.

Bei alldem hat er vergessen, dass sich bei „Star Wars“ die kleinste und unscheinbarste Figur am Ende als der mächtigste und stärkste Kämpfer entpuppt. Yoda nämlich, der knuffige Hobbit-ähnliche Jedi-Ritter und Lehrer von Luke Skywalker. 

Die stärksten Helden im „Star Wars“-Universum verkünden nämlich die Lehren des Stoizismus, zeigen Vernunft und Selbstbeherrschung und praktizieren das Nicht-Handeln des Zen-Buddhismus – galaktische Gurus wie Obi-Wan Kenobi und Yoda. „Vergessen musst Du alles, was früher Du gelernt“, ist eine der wichtigsten Botschaften, die Yoda dem jungen Luke Skywalker zu vermitteln sucht, um dessen überschießenden, sprunghaften Ehrgeiz in die richtigen Bahnen zu lenken. Auch Markus Söder hat diese Lektionen noch vor sich. 

Laschet als Yoda der deutschen Politik

Armin Laschet hat sie bereits verinnerlicht. Schon im Kampf mit Friedrich Merz um den CDU-Vorsitz agierte Laschet als ein Yoda der bundesdeutschen Politik: „Des Gegners Kraft nutzen Du musst.“ Laschet kann warten. Die Macht ist mit ihm. 

Söder dagegen droht zu einer Art Donald Trump der Union zu werden und ähnelt nun weder dem weisen Magier Gandalf, noch dem innerlich zerrissenen, Macht nur mittels seiner furchteinflößendem Rüstung ausstrahlenden Lord Vader. Sondern vor allem dem „Joker“ der Batman-Filme. Kein irgendwie kreativer Kopf, sondern ein Hasardeur und zappeliger Herr des Chaos; der größte Soziopath der Kinoleinwand. 

Wie dieser wird Markus Söder seinen jetzigen Kampf am Ende verlieren. Denn wenn Angela Merkels Erbe einer modernisierten CDU in die Zukunft gerettet werden soll, braucht man einen Kandidaten, der die wahrscheinlichsten Koalitionsoptionen Schwarz-Grün oder Jamaika am glaubhaftesten verkörpert. Und der keine Angriffsflächen bietet. So führt in der Union weiterhin kein vernünftiger Weg an Armin Laschet vorbei.

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