Bundeszentrale für politische Bildung - Bundeszentrale für politische Blödheit

Die Bundeszentrale für politische Bildung entwickelt sich vom seriösen Anbieter neutral recherchierter Hintergrundinformationen zur ideologisch agierenden Propagandabehörde auf Kosten der Steuerzahler. Jetzt mischt auch noch das Bundesverfassungsgericht mit.

Stand der Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 2017 auf der Buchmesse in Leipzig / dpa
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Autoreninfo

Gerhard Strate ist seit bald 40 Jahren als Rechtsanwalt tätig und gilt als einer der bekanntesten deutschen Strafverteidiger. Er vertrat unter anderem Monika Böttcher, resp. Monika Weimar und Gustel Mollath vor Gericht. Er publiziert in juristischen Fachmedien und ist seit 2007 Mitglied des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Für sein wissenschaftliches und didaktisches Engagement wurde er 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Foto: picture alliance

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„Liebe Freundinnen und Freunde der Demokratie“, beginnt eine leutselige Videobotschaft des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Was anschließend folgt, ist der Aufruf zu einem Wettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Unter dem Motto „Wir ist Plural – Preis zur Stärkung der Demokratie“ möchte die bpb „Initiativen und Projekte auszeichnen […], die sich für unsere gemeinsamen demokratischen Werte wie Pluralismus, Toleranz, Freiheit und Schutz vor Diskriminierung einsetzen“, heißt es weiter.

In der dazugehörigen Pressemitteilung Nr. 34/2021 erklärt das BVerfG seine Kooperation mit der bpb: Unter der Leitfrage „Wie engagiert Ihr Euch für die demokratischen Werte des Grundgesetzes?“ sollen demnach insgesamt 15 Projekte mit Preisen ausgezeichnet werden. Die in der Pressemitteilung verlinkte Website wiristplural.de singt das Hohelied auf die „aktive Zivilgesellschaft“: „Nach den Anschlägen in Hanau und Halle zeigt auch die Corona-Pandemie, dass die Werte der Demokratie immer wieder gegen Verschwörungstheorien und antidemokratische Angriffe vertreten werden müssen.“

Da die Initiatoren wenig Vertrauen in die den Grundrechten inhärente Überzeugungskraft zu haben scheinen, sollen Geldpreise bis zu 5.000 Euro darüber hinwegtäuschen, dass hier das höchste Gut unseres Rechtsstaats mit leeren Worthülsen verhökert wird wie saures Bier. Dass die bpb schon 2010 vom BVerfG zur Wahrung von „Ausgewogenheit und rechtsstaatlicher Distanz“ hatte ermahnt werden müssen, ist heute nur noch eine Randnotiz.

Topfschlagen und Demokratie

Als dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde verfügt die bpb im Haushaltsjahr 2021 über einen Etat von 97 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 musste die bpb noch mit knapp 34 Millionen auskommen. Die sanften Propagandisten nutzen diese üppige Ausstattung unter anderem zur Finanzierung zahlreicher fragwürdiger Videokanäle wie SayMyName, deren Inhalte sich teilweise zwischen infantilem Blödsinn und überkandideltem Unfug bewegen. 

Auch das Narrativ von der deutschen Kartoffel als abwertende Bezeichnung für Menschen ohne Migrationshintergrund wird auf diesem Weg befeuert. So wirbt SayMyName schon mal auf seiner Instagramseite für ein Buch des Journalisten Mohamed Amjahid, das sich als „Anleitung zu antirassistischem Denken“ versteht, indem es deutschen Kartoffelmenschen in Aussicht stellt, bei entsprechendem Wohlverhalten zur Süßkartoffel aufzusteigen.  

Ein einmaliger Ausrutscher? Mitnichten! So soll der YouTube-Kanal Abdelkratie „wichtige Eckpfeiler unserer Demokratie einfach und verständlich“ rüberbringen. „Egal wie: Hauptsache, einfach und verständlich“, erklärt der Betreiber in einem Video. Dass er seinen Auftrag nahezu übererfüllt, zeigt sich schnell: „Jeder liebt Topfschlagen!“, konstatiert er überzeugt. Noch besser sei nur ein anderes Gesellschaftsspiel, „eins, bei dem in Deutschland bis zu 80 Millionen Leute mitspielen können. […] Das Spiel heißt Demokratie!“ Ah, ja.

Ein ebenfalls fragwürdiger Beitrag zur politischen Bildung ist die kleine Plauderei zweier junger Männer auf dem Kanal Hey Bao, die sich so detailreich wie belanglos über die erfolgreiche Erschaffung von Safer Spaces austauschen. YouTuber darkvictory, ein Kanal für kindliche Nachwuchs-Nerds mit Aufmerksamkeitsdefizit, durfte sich bereits 2015 über den warmen Geldregen der bpb freuen. Dafür lieferte er oberflächliche Informationen im nervösen Comicstyle, deklariert als „Brain Fed“, Fütterung fürs Gehirn. Ob die jungen Gehirne allerdings von der Information profitieren, dass beim fair produzierten Smartphone „zwei von vier Konfliktmaterialien aus fairem Anbau“ stammen, nämlich Coltan und Zinn? Schließlich geht aus dem Beitrag nicht hervor, in welchen Ländern Coltansträucher und Zinnbäume (oder umgekehrt?) gedeihen.

„Auf geht´s Kolleg*innen!“

Die genannten Beispiele machen klar: Ein Streifzug durch den YouTube-Auftritt der bpb einschließlich der dort verlinkten Playlists lohnt sich absolut. Denn mit eigenen Augen zu sehen, in welchen teilweise tendenziösen Kanälen die Steuergelder versickern, trägt ganz erheblich zur persönlichen politischen Bildung bei, wenn auch etwas anders als gedacht: Der massiv ausgeweitete Etat, über dessen Verwendung die jährlich durch das Finanzministerium veröffentlichten Einzelpläne nur sehr pauschal Auskunft geben, hat die bpb offenkundig zu einem Financier vieler junger Filmschaffender gemacht. 

Da wollen Journalisten nicht nachstehen: „Auf geht's Kolleg*innen: In der Sonderkategorie Lokalmedien werden herausragende Beiträge von Reportagen, Blogs und Podcasts bis hin zu hauseigenen Projekten gesucht – Einreichungen sind bis zum 20. Juni 2021 online möglich unter http://wiristplural.de“, ermunterte der Bayerische Journalistenverband seine Mitglieder über Twitter, um nur ja keinen möglichen Zugriff auf die Staatskasse zu verpassen. 

Ideologisch agierende Propagandabehörde

Über die bpb und ihre Fördertöpfe wächst nicht nur die ominöse „Zivilgesellschaft“, vertreten durch ausgewählte YouTuber, langsam mit der Regierung zusammen, sondern auch die Presse. Die Neuen Deutschen Medienmacher, welche sich laut einem Bericht der NZZ in den beiden vergangenen Jahren über eine Unterstützung von 75.888 Euro aus den Töpfen der bpb freuen konnten, machen es längst vor. Dieselbe Organisation war es auch, die durch ihre alljährliche Verleihung der „Goldenen Kartoffel“ eine neue Form der Diskriminierung hoffähig machte. 

Der immer weiter um sich greifende Eindruck, im falschen Film zu leben, geht somit auch auf die konsequent spalterischen Aktivitäten der bpb zurück. Ihre sukzessive Entwicklung vom seriösen Anbieter neutral recherchierter Hintergrundinformationen zur ideologisch agierenden Propagandabehörde mit über 300 Mitarbeitern ist tragisch und inakzeptabel.

Dass nun auch noch das BVerfG mit an Bord ist, beschädigt die bisher als unantastbar geltende Autorität der obersten Verfassungshüter erheblich. „Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts verhalten sich innerhalb und außerhalb ihres Amtes so, dass das Ansehen des Gerichts, die Würde des Amtes und das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität nicht beeinträchtigt werden“, lautet eine der grundlegenden Verhaltensleitlinien für Verfassungsrichter

Ein Anspruch, hinter dem die Institution in ihrer Gesamtheit nicht zurückstehen sollte.

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