BND-Gesetz - Manche Journalisten sind gleicher als andere

Die Medienkolumne: Deutsche und europäische Journalisten dürfen nicht abgehört werden – und andere schon? Der Bundestag entscheidet heute über ein neues Gesetz, das dem Bundesnachrichtendienst genau dieses Recht zuspricht. Aber auch inländische Journalisten können dann schnell ins Visier der Agenten geraten

Durch das neue Gesetz würden die Befugnisse des BND massiv ausgeweitet / picture alliance
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Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Beim Thema Überwachung ist wahrscheinlich kaum ein Schriftsteller so häufig zitiert worden wie der Brite George Orwell. Das geplante BND-Gesetz vergleicht man aber besser nicht erneut mit dessen Klassiker „1984“, sondern mit einem anderen seiner Werke: dem Roman „Farm der Tiere“.

Darin verjagt das Vieh die Menschen vom Hof, die Schweine übernehmen die Herrschaft – und werden schließlich selbst zu Despoten. „Alle Tiere sind gleich“, heißt es sodann, „aber manche sind gleicher als die anderen.“

Es gilt eine Zwei-Stufen-Gleichheit


Nach diesem Grundsatz will der Bundesnachrichtendienst künftig verfahren, sollte der Gesetzentwurf, der heute im Bundestag beraten wird, so durchkommen. Gleich und gleicher sind darin aber nicht Tiere, sondern Journalisten. Es gilt eine Zwei-Stufen-Gleichheit: Deutsche und auch europäische Journalisten sind bessergestellt – allein aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft. Das BND-Gesetz schützt sie vor Überwachung. Anders sieht es für ausländische Journalisten aus Nicht-EU-Staaten aus. Sie dürfen vollständig abgehört werden.

Regierungssprecher Steffen Seibert versuchte die Journalisten in der Bundespressekonferenz zu beschwichtigen, es gehe ja nur um „Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung“. Und wer es immer noch nicht verstanden hat, dem erklärte es der Sprecher des Justizministeriums: „Ausland-Ausland-Überwachung ist die Überwachung von Journalisten im Ausland.“

Merke: Pressefreiheit gilt ab sofort nur noch im Inland.

Das hat aber auch Konsequenzen für deutsche Journalisten. Das Problem: Sie können auch dann schnell ins Visier geraten, wenn sie mit ausländischen Kollegen zusammenarbeiten, etwa bei grenzüberschreitenden Recherchen zu Terrorismus oder Geldwäsche. Dann könnten auch ihre Informanten auffliegen.

Vor der Sommerpause durchgepeitscht


Das, worauf die Reporter ohne Grenzen zuerst hingewiesen haben und was hier zwischen EM-Halbfinale und Endspiel am letzten Tag vor der Sommerpause durch das Parlament gepeitscht werden soll, ist ein Skandal: Ein Jahr nach der „Netzpolitik“-Affäre und drei Jahre nach den Snowden-Enthüllungen sollen die Befugnisse des Nachrichtendienstes nicht eingedämmt, sondern massiv ausgeweitet werden. So wie der US-Geheimdienst NSA den „Spiegel“ einst abhörte, könnte nun auch der BND etwa US-Medien ausschnüffeln – völlig legal.

Doch damit nicht genug. Die Reform erlaubt es dem BND, künftig Metadaten an ausländische Geheimdienste weiterzugeben. Betroffen ist auch der Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt, dem weltweit größten Datentunnel. Die Agenten bekommen hier einen Blanko-Zugriff, obwohl DE-CIX sich derzeit gerichtlich gegen das Absaugen durch den BND wehrt.

Schlechte Karten für Whistleblower


Schließlich ist auch der Kernpunkt der Reform zu hinterfragen – die Kontrolle des Nachrichtendienstes. Die Bundesregierung will einen „Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums“ schaffen. Dabei handelt es sich um einen Staatsbeamten oder Richter – keinen Abgeordneten – mit beschränkter Haftung. Er unterliegt absoluter Verschwiegenheitspflicht, darf also bei Gesetzesbrüchen nicht die Öffentlichkeit informieren, hat aber kein Zeugnisverweigerungsrecht.

Dieses erscheine „im Ergebnis nicht geboten“, so heißt es dazu lapidar im Gesetzentwurf. Das heißt, er müsste im Fall der Fälle vor Gericht seine geheimen Quellen preisgeben. Anders als der Wehrbeauftragte des Bundestages, an den sich Soldaten vertrauensvoll wenden können, wäre keinem Agenten, der einen Rechtsbruch in seinem Dienst beobachtet, zu raten, sich an diesen „Bevollmächtigten“ zu wenden.

Folglich zerfällt die BND-Kontrolle im Bundestag in vier Einheiten: eine hörige G-10-Kommission, ein stummer Parlamentarischer Kontrolldienst, ein mickriges Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses, ein zahnloser „Ständiger Beauftragter“. Wenigstens sind hier mal wirklich alle gleich.

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