Bernd Althusmann - Jovial und angriffslustig

Fünf Tage vor der Niedersachsenwahl liegen SPD-Ministerpräsident Stephan Weil und Herausforderer Bernd Althusmann gleichauf. Auch beim gestrigen TV-Duell ließ Althusmann wieder offen, mit wem er am liebsten koalieren würde. Der CDU-Landeschef im Porträt

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CDU-Landeschef Bernd Althusmann wird bei der Wahl in Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil herausfordern / Henning Bode
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Läuft alles nach Plan, wird die CDU am 15. Oktober bei der Landtagswahl in Niedersachsen klar stärkste Partei – und kann den Ministerpräsidenten stellen. Der soll dann Bernd Althusmann heißen und eine Koalitionsregierung führen – mit wem auch immer. Althusmann, 50 Jahre alt und noch bis Ende August Mitarbeiter einer Personalberatungsfirma in Hamburg, ist Landes­chef seiner Partei. Auch ohne den für manche überraschenden Wechsel der Landtagsabgeordneten Elke Twesten von den Grünen zur CDU – und damit vom Regierungs- ins Oppositionslager – wäre die Union mit ihm als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf gezogen. Aber jetzt muss eben alles etwas schneller gehen, drei Monate früher als ursprünglich vorgesehen stimmen die Niedersachsen darüber ab, wer ihr Land künftig regiert. 

Althusmann hätte statt vorgezogener Wahlen zwar auch den Weg des konstruktiven Misstrauensvotums einschlagen können, aber das wollte er nicht: „Weil man mir sonst unterstellt hätte, die Sache inszeniert zu haben.“

Die Affäre Twesten 

„Die Sache“, damit ist natürlich der Fall Twesten gemeint. Und die CDU will unbedingt den Eindruck vermeiden, sie hätte den Übertritt der 54-jährigen Finanzwirtin von langer Hand eingefädelt. Er habe, sagt Althusmann bei einem Treffen in seiner Heimatstadt Lüneburg, zunächst gar nicht geglaubt, dass es der Grünen-Abgeordneten mit einem Wechsel in seine Partei ernst sei. Eine Woche, bevor der Fall Anfang August öffentlich wurde, habe Twesten ihn um ein persönliches Gespräch gebeten, „und ich halte es für einen völlig normalen Vorgang, dass ich dieses Gespräch auch mit ihr geführt habe“. Selbst nach diesem Treffen bei Kaffee und Apfelkuchen sei er sehr skeptisch gewesen: „Ich habe ihr mehrfach gesagt, sie dürfe diese Entscheidung nur fällen, wenn sie sich ihrer Sache auch persönlich ganz sicher sei und ihre politische Heimat in der CDU sehe. Ich habe ihr auch vorgeschlagen, fraktionslos zu bleiben.“ Aber Twesten wollte nicht, sie ist inzwischen Mitglied der CDU-Fraktion, die zusammen mit der FDP jetzt über eine Stimme Mehrheit im Landtag von Hannover verfügt.

Die SPD von Ministerpräsident Stephan Weil reagierte empört und sah finstere Mächte am Werk. Althusmann, jovial und hemdsärmelig, kontert beherzt: „Die SPD sollte sich jetzt mal wieder fangen. Es war immerhin deren Ministerpräsident, der die Sache ins Rollen gebracht hat, weil er Signale nicht ernst genommen hat.“ Elke Twesten habe sich schon seit langem von ihrer Partei entfremdet, ihr Wechsel sei ein Zeichen dafür, „wie tief die niedersächsischen Grünen gespalten sind“.

Wahlversprechen und politischer Freiraum

Bernd Althusmann, der bei der vergangenen Wahl sein Direktmandat verlor und nicht im Parlament sitzt, gilt in der CDU als zuverlässig und pragmatisch. Als Kultusminister im Kabinett von David McAllister war er unter anderem für die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre verantwortlich. Das hat sich allerdings nicht bewährt, G 8 wurde von Rot-Grün rückgängig gemacht. Die SPD will Althusmann im Wahlkampf mit diesem Thema stellen; der nennt es „eine Debatte von gestern“: Die CDU werde in Niedersachsen bei G 9 bleiben, „und mit mir wird es auch keine Studiengebühren mehr geben“. Als Kultusminister hatte er noch für Studiengebühren geworben, aber die Erfahrungen als Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung von 2013 bis 2016 in Namibia brachten ihn angeblich zum Umdenken. Klar ist jedenfalls: Mit Bildungspolitik kann man Wahlen verlieren.

Deswegen geht Althusmann bei diesem Thema in die Offensive. „Ich habe selten einen so schlechten Start ins neue Schuljahr erlebt wie jetzt in Niedersachsen“, sagt er: fehlende Lehrer, zu große Klassen, Unterrichtsausfall. Als möglicher Regierungschef verspricht er Besserung; auch für den Autobahnausbau und für mehr innere Sicherheit will er sich einsetzen. „Hannover zum Beispiel steht im Kriminalitätsranking der deutschen Städte auf Platz drei.“ Und dann gibt es da natürlich noch den niedersächsischen Weltkonzern VW, an dem das Land mit 20 Prozent beteiligt ist. Ministerpräsident Weil war unlängst in die Kritik geraten, weil er sich als VW-Aufsichtsrat für eine Regierungserklärung zum Dieselskandal mit dem Automobilbauer abgestimmt hatte. Althusmann greift das gerne auf: „Der Ministerpräsident eines Landes darf nie in die Rolle des Kontrollierten kommen“, kritisiert er. „Diese nach Vetternwirtschaft riechende Situation muss beendet werden. Denn sie schadet auch VW.“

Weniger deutlich formuliert er, wenn es darum geht, mit wem die CDU in Niedersachsen am liebsten koalieren würde. Da erinnert Bernd Althusmann auch schon mal an seine Zeit in der Lüneburger Kommunalpolitik und das dort entstandene gute Verhältnis zu dem einen oder anderen Grünen oder Sozialdemokraten. Mit anderen Worten: Nach dem 15. Oktober kann vieles möglich sein.

 

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