Attentat in Straßburg - Das Gift in den Köpfen

Beim Attentat von Straßburg zeigt sich einmal mehr: Viele Politiker und Journalisten scheuen sich, den Grund für die Morde zu benennen. Der fanatische Islam muss endlich konsequent ausgrenzt werden, auch vom Mehrheits-Islam. Von Alexander Kissler

Islamistischer Terrorismus: Straßburger Szenen zur Adventszeit / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Wieder Frankreich, wieder Straßburg, wieder der Weihnachtsmarkt, wieder islamistischer Hass auf den Westen, Hass auf Europa, Hass auf die Freiheit, Hass auf das Christentum: Nicht als Farce, sondern als Tragödie scheint Geschichte sich unablässig zu wiederholen. Vor 18 Jahren wollten algerische Muslime in der Adventszeit ein Blutbad rund ums Straßburger Münster anrichten, und nun tötete der algerischstämmige Franzose Cherif Chekatt, ein „Allahu akbar“ auf den Lippen, drei Menschen unweit des Weihnachtsmarktes, verletzte ein weiteres Dutzend zum Teil schwer, mit Messer und Pistole.

Und wieder zirkulieren falsche Zuschreibungen und Relativierungen. Radikalisierte Muslime wie Chekatt sind aber keinesfalls das logische Resultat dieser oder jener misslungenen Vergesellschaftung. Sie sind nicht Rebellen wider ein System, das sie ablehnt, gegen ein Land, dem sie sich trotz Staatsbürgerschaft nicht verbunden fühlen. Sie sind nicht der dunkle Spiegel einer Gesellschaft, in dem diese sich selber erkennen kann. Nein. Sie sind Protagonisten einer freigewählten tödlichen Ideologie, der sie das Leben anderer Menschen zu opfern bereit sind. Diese tödliche Ideologie ist der fanatische Islam.

Der fanatische Islam ist Gift in den Köpfen

So selbstverständlich der Zusammenhang ist, so selten wird er ausgesprochen. Der fanatische Islam ist das Gift in den Köpfen der Mörder von Straßburg, Paris, Nizza, London, Berlin. Die Attentäter sind und waren nicht Opfer, sondern Täter; nicht Getriebene, sondern Verbrecher. Schaut man sich die Kriminalitätsakte von Cherif Chekatt an, muss man sagen: In solchen verworfenen Menschen herrscht das Böse. Und das Böse ist Frucht einer Ideologie.

Kein Zufall ist es, dass auf jüdischer Seite das Gespür für die Abgründe des fanatischen Islam am größten sind. In dessen Fokus sind Juden und Christen gleichermaßen geraten. Das „American Jewish Committee Berlin“ erklärt: „Was in Straßburg geschehen ist, macht fassungslos. Es darf uns aber nicht sprachlos machen. Deutschland und die EU müssen mehr gegen den Terror und die Verbreitung der islamistischen Ideologie tun, mit der er gerechtfertigt wird. Hass und Gewalt dürfen nicht Alltag werden.“

Kondolenzadressen aus dem Stehsatz

Damit sind die entscheidenden Zusammenhänge in einer Klarheit benannt, zu der sich bisher kein deutscher Regierungsvertreter aufraffte: Wer vom Fassungslosen zum Sprachlosen fortschreitet, der wird seine Fassung immer wieder verlieren. Am Boden des Terrors ruht eine Ideologie. Und nur wer diese Ideologie benennt und bekämpft, überlässt der Gewalt nicht den Alltag. Mit Kondolenzadressen aus dem Stehsatz wird man des Terrors nicht Herr. In der deutschen Politik und in deutschen Tageszeitungen herrscht nicht zuletzt deshalb das Vogel-Strauß-Prinzip, weil man die Auseinandersetzung mit dieser Ideologie scheut. Man will den Islamismus nicht zu hart anfassen, weil man es sich mit dem Islam nicht verscherzen will.

Wer das Böse aus der Welt schaffen oder es zumindest zähmen will, der muss an der Wurzel ansetzen, der bösen Ideologie. Wie bekämpft man Ideologien? Indem man sie als Bedrohung erkennt und jede Kumpanei mit ihnen ächtet. Da darf es kein kulturrelativistisches Weggucken geben, kein pseudointegratives Schulterzucken. Ein islamischer Fanatismus, der sich gegen Christen, gegen Juden, gegen Liberale jedweder Herkunft richtet, muss auch dann seine diskursive Daseinsberechtigung verlieren, wenn er über Brücken in den Mehrheitsislam verfügt. Diese aktive Ausgrenzung ist Aufgabe aller Bürger und Politiker und besonders jener Muslime, die zu oft die islamische Solidarität höher einschätzen als das Gebot der Menschlichkeit. Schafft die Übeltäter fort aus euren Reihen: Dazu müssen Muslime endlich bereit sein – auch dann, wenn die Übeltäter sich Imam oder Scheich nennen oder als Freiheitskämpfer verkleidet sind.

Liberalität heißt nicht Laissez-faire

Das Europäische Parlament hat nach langen Vorarbeiten gestern in Straßburg, am Tag Eins nach „Straßburg“, für neue Anti-Terror-Maßnahmen votiert: „Die Abgeordneten wollen ein europaweites Register für 'Hassprediger' und einen verbesserten Informationsaustausch zwischen Polizeien und Geheimdiensten. Heimkehrende Kämpfer, etwa aus Gebieten wie dem ehemaligen 'Islamischen Staat' in Syrien und Irak, sollen stärker überwacht und gegebenenfalls angeklagt werden.“ So sinnvoll diese Vorschläge sind, so seltsam mutet an, dass im 75-seitigen Bericht des Anti-Terror-Sonderausschusses nur je einmal vom „radikalen islamischen Fundamentalismus“ und vom „islamistischen Extremismus“ die Rede ist.

Die Symptome will man benennen, die Krankheit lieber verschweigen. Das wird nicht funktionieren. Nötig wäre beides: polizeiliche, geheimdienstliche, politische Maßnahmen und der Ausschluss der klammheimlich Einverstandenen aus allen Gesprächen. Ein Islam, der sich rein über seinen Opferstatus definiert, ist ebenso blind für fanatische Täter in den eigenen Reihen, wie eine Mehrheitsgesellschaft, die Liberalität mit Laissez-faire verwechselt, es für ihre Feinde ist. Wer dem Bösen mildernde Umstände zugesteht, verhilft ihm zum Sieg.

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