„Panorama“-Vorwürfe gegen Bundeswehr-Offizier - Diffamierung auf Kosten der Gebührenzahler

Das ARD-Magazin „Panorama“ wirft einem Offizier der Bundeswehr vor, er sympathisiere mit Rechtsradikalen. Die Beweislage ist äußerst dünn und fußt auf Unterstellungen. Tatsächlich haben die Autorinnen des Fernsehbeitrags Verbindungen ins linksextreme Milieu.

Verdachtsberichterstattung im ARD-Politikmagazin „Panorama“ / Screenshot ARD
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Handelt es sich um einen Skandal, der da am vergangenen Donnerstag im ARD-Magazin Panorama aufgedeckt wurde? Oder ist die Panorama-Redaktion vielmehr selbst das Skandalon, weil sie einen Bundeswehroffizier als vermeintlichen Sympathisanten von Rechtsradikalen diffamiert – und ihn damit öffentlich und bei voller Namensnennung ins gesellschaftliche Abseits stellt?

An diesem Mittwoch war die Causa des Oberstleutnants Marcel Bohnert, bis vor kurzem noch Social-Media-Referent im Verteidigungsministerium, sogar Thema bei der Bundespressekonferenz. Schon deswegen ist es keine Petitesse. Zumal sie in eine Zeit fällt, in der etwa die Vorsitzende der Regierungspartei SPD den deutschen Sicherheitskräften „latenten Rassismus“ unterstellt. Was ist geschehen?

Klassische Verdachtsberichterstattung

Unter der Schlagzeile „Bundeswehr: Social-Media-Leiter sympathisiert mit Rechtsradikalem“ hat Panorama am 23. Juli über besagten Marcel Bohnert berichtet mit der Erzählung, dieser sei auf Instagram mit einem Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung vernetzt; dem Oberstleutnant würden einschlägige Beiträge „gefallen“. Konkret handele es sich um einen Instagram-Nutzer mit dem Nickname „incredible_bramborska“, der sich offen zur sogenannten Identitären Bewegung bekenne und im Netz ein Foto mit der Parole „Defend Europe“ gepostet habe.

Dieses sei von Bohnert mit einem „Like“ versehen worden – für die Panorama-Leute offenbar Hinweis genug, dass Bohnert selbst dem identitären Milieu zuzurechnen sei. Ein klassischer Fall der Verdachtsberichterstattung, zumal hinlänglich bekannt ist, dass die Vergabe von Herzchen im Internet ungefähr so bedeutsam ist wie etwa der Umstand, auf Facebook miteinander „befreundet“ zu sein. Aber sei’s drum.

Verteidigungsministerium prüft Vorwürfe

Tatsache ist eben auch, dass Teile der Bundeswehr, insbesondere bei der Elitetruppe KSK, sich mit dem Vorwurf rechtsextremer Umtriebe auseinanderzusetzen haben. Vor diesem Hintergrund wiegt die Unterstellung besonders schwer, ein Offizier mit Dienstsitz im Verteidigungsministerium (zumal mit einer Zuständigkeit für Öffentlichkeitsarbeit) zeige im Internet Sympathien für den ganz rechten Rand. Das Ministerium kündigte nach Ausstrahlung der Panorama-Sendung an, die Vorwürfe bis ins Detail zu prüfen.

Ministeriumssprecher Christian Thiels ließ sich am 23. Juli wörtlich wie folgt auf den Sachverhalt im Zusammenhang mit Marcel Bohnert ein: „Die Person ist nicht mehr mit Aufgaben im Bereich Social Media betraut. Zu weiteren Details dürfen wir uns aus rechtlichen Gründen nicht äußern. Grundsätzlich gilt: In der gesamten Bundeswehr gilt unabhängig von Position oder Dienstort die Null-Toleranz-Linie der Verteidigungsministerin bezüglich Extremismus oder Zweifeln an der notwendigen Verfassungstreue. Mit Blick auf Social-Media-Aktivitäten legen wir einen besonders hohen Maßstab bei denjenigen an, zu deren dienstlichen Aufgaben eben dieser Bereich der Kommunikation gehört. Auch das ist jetzt Teil der laufenden Prüfung.“ Die Prüfung dauert bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt an.

Bohnert bedauert seine Likes

Aber auch Oberstleutnant Bohnert hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet. In einem Interview mit Spiegel Online sprach er von einem „fatalen Fehler“, den er mit dem Liken des Beitrags von „incredible_bramborska“ (offenbar einem ehemaligen Bundeswehrsoldaten mit Einsatzerfahrung in Afghanistan) gemacht habe. „Mir ging es darum, die Community von Soldaten zu unterstützen, die im Netz von ihrem Alltag berichten und so die Bundeswehr sichtbarer machen“, so Bohnert gegenüber Spiegel Online. Doch hätte er sich die Inhalte genauer ansehen müssen; „stattdessen habe ich so gut wie alles mit einem Herz versehen, was unseren Hashtag erwähnte“. Er mache sich deswegen schwere Vorwürfe, sei aber selbst „in keiner Weise rechtsextrem“ sondern stehe vielmehr, so Bohnert, „nicht nur als Soldat voll und ganz auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung“.

Strobl als eine Art Belastungszeugin

In dem Interview nahm Bohnert außerdem Stellung zu weiteren Vorwürfen, die Panorama mittlerweile nachgeliefert hatte. Da geht es etwa um einen Vortrag zum Thema Afghanistaneinsatz bei einer sicherheitspolitischen Tagung am „Studienzentrum Weikersheim“ im Jahr 2014. Das Studienzentrum sei seit seiner Gründung immer wieder in Skandale verwickelt gewesen, so Panorama – und zitiert eine österreichische „Rechtsextremismus-Expertin“ namens Natascha Strobl mit den Worten, Weikersheim gehöre zum „Stamminventar der Neuen Rechten“.

Strobl, die im Panorama-Beitrag als eine Art Belastungszeugin auftritt, hatte dort auch Bohnerts Internet-Like kommentiert, und zwar mit den Worten: „Ein ,Gefällt mir‘ ist ganz klar, zumal auf Instagram, eine Zustimmungsbekundung. Damit zeigt man ganz öffentlich, dass man einverstanden ist mit dem, was da geschrieben worden ist.“ Von Natascha Strobl wird noch die Rede sein.

Auftritte in Weikersheim und vor Burschenschaft

Marcel Bohnert jedenfalls sagte gegenüber Spiegel Online zu seinem Auftritt im „Studienzentrum Weikersheim“, er sei „nicht stolz“ darauf, gibt aber zu bedenken, dass dort immerhin auch schon der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, Wolfgang Schäuble, Gerhard Schröder oder Norbert Blüm Vorträge gehalten hätten. Allesamt wohl eher nicht als Vertreter der „Neuen Rechten“ bekannt.

Auch einen Auftritt bei der Münchener Burschenschaft Cimbria im Jahr 2015 bedauert er. Die Studentenverbindung gilt als ultrakonservativ bis rechtsnational, doch das sei Bohnert damals nicht bewusst gewesen: „Da ich immer für Menschlichkeit und eine differenzierte Diskussion mit allen Strömungen eingetreten bin, habe ich dort die Chance gesehen, Einfluss zu nehmen.“ Auch bei Cimbria referierte der damalige Bundeswehrhauptmann zum Thema Afghanistaneinsatz.

Reaktionäres Weltbild?

Mittlerweile hat Panorama weiteres vermeintlich belastendes Material zu Marcel Bohnert ausfindig gemacht. Bei einer Diskussionsveranstaltung an der Universität der Bundeswehr im März 2018 zum Thema „Innere Führung“ sagt er die (seitens der Panorama-Redaktion mit Unheil dräuender Musik eingeleiteten) Sätze: „Eine pluralistische Gesellschaft kann ich nicht gleichsetzen mit dem Militär. Da gelten grundsätzlich mal andere Regeln. Wenn Sie sagen, jeder Mensch in dieser Republik, egal welches Interesse er hat, egal, was er für Hobbys frönt, egal, welche politische Ausrichtung er hat, kann uneingeschränkt in jeder Verwendung im Militär einen guten Job machen, dann glaube ich das einfach nicht.“ Offenbar soll dieses Statement, das bei Lichte besehen eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringt, Bohnerts verfestigt reaktionäres Weltbild belegen.

Angesagtes Uniformträger-Bashing

Bis zu diesem Punkt könnte der vermeintliche Panorama-Skandal als effektheischender Versuch gesehen werden, auf das momentan sehr angesagte Uniformträger-Bashing aufzuspringen, um einem Bundeswehr-Offizier mit einseitigen Unterstellungen die Verfassungstreue abzusprechen. Was ja in Zeiten, in denen immer häufiger Journalismus mit Aktivismus verwechselt wird, ein besonders im öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitverbreitetes Phänomen ist. Und genau an dieser Stelle wird es interessant, weil die beiden Autorinnen des Panorama-Beitrags, Katrin Kampling und Caroline Walter, ganz offenbar knietief und ohne jede Scheu im Aktivistenmilieu stehen.

Knietief im Aktivistenmilieu

In einem Beitrag für Die Welt hat der Autor und Blogger Rainer Meyer („Don Alphonso“) ziemlich ausführlich die Hintergründe von Kampling und Walter recherchiert. Das Ergebnis: Caroline Walter sei (ganz im Sinne ihrer eigenen Vorwürfe gegen Bohnert) eindeutig mit Organisationen vernetzt, „die teils linksradikal, teils nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzämter sogar gesichert linksextremistisch sind“. Sie folge bei Twitter unter anderem den Accounts der Autonomenhochburgen Rigaer94 und Liebig34, der „Radikalen Linken Berlin“ sowie der „Undogmatischen Radikalen Antifa“.

Verbindung zu linken Aktivisten

Katrin Kampling wiederum sei vernetzt mit einer Aktivistin, die zeitweise als Sprecherin eines Zusammenschlusses namens „Offensive gegen Rechts“ mit linken und linksradikalen Gruppen auftrat, welche sich vor allem gegen den von der FPÖ veranstalteten Wiener „Akademikerball“ gerichtet hätten.

Im Rahmen einer Demonstration gegen diese Veranstaltung sei es bereits zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen. Der Name der Aktivistin: Natascha Strobl, exakt jene Frau also, die im Panorama-Beitrag als „Rechtsextremismus-Expertin“ auftritt und mit ihren Unterstellungen als Zeugin der Anklage gegen Marcel Bohnert fungiert. Das von Strobl herausgegebene Buch „Die Identitären“ erscheint übrigens im Münsteraner „Unrast Verlag“, einem laut Selbstdarstellung „politisch radikalen“ Buchverlag.

Zunehmend schlechtes Image

Wer angesichts dieser Begleitumstände noch glaubt, Panorama würde auch nur halbwegs ausgewogene Berichterstattung betreiben, muss ausgesprochen naiv sein. Es ist genau jene Art von Journalismus, der die Dinge mit allen nur zur Verfügung stehenden Mitteln so zurecht biegt, dass am Ende die vielbeschworene „Haltung“ dabei herauskommt: Diffamierungskampagnen mit freundlicher Unterstützung durch die Gebührenzahler.

Die Öffentlich-Rechtlichen brauchen sich über ihr zunehmend schlechtes Image, das keineswegs nur im AfD- oder Pegida-Milieu vorherrscht, wahrlich nicht zu wundern. Gert von Paczensky, der das Magazin Panorama Anfang der 1960er Jahre beim NDR gründete, wäre ohne jeden Zweifel entsetzt über die heutigen Methoden der Redaktion.

Rückendeckung durch Kameraden

Auf Facebook hat sich übrigens am Mittwoch noch ein anderer Kronzeuge zu Wort gemeldet. Sein Name ist Mohammed Ali Slim, Feuerwehrmann in Offenburg, ehemaliger Bundeswehrsoldat und Kamerad des angeblich rechtsradikalen Marcel Bohnert. Er schreibt:

„Ich kenne Herr Bohnert sehr gut und hatte beruflich viel mit ihm zu tun! Als man mich öffentlich dafür kritisiert hat, dass ich mit islamischer Herkunft eine deutsche Uniform trage, bekam ich durch Herrn Bohnert Rückendeckung! Ich selbst hatte es mit Uniform auf den Social-Media-Plattformen nie einfach! Deutsche mit Migrationshintergrund haben mich als Landesverräter betitelt und Rechtsgesinnte als ,Schläfer‘ oder gar Spion. Ich habe mich einer konstruktiven Diskussion nie entzogen und stehe hinter meiner Einstellung und meiner Ansicht! Auf meinen Seiten auf Social Media und auch privat war Herr Bohnert stets mit mir und hat mich ohne zu zögern in der Öffentlichkeit als Kamerad und Freund verteidigt! Marcel Bohnert hat mir jedes Mal aufs neue bewiesen, was es heißt: Ein Soldat der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Dabei zählt für Oberstleutnant Bohnert nicht, woher man kommt, welche Hautfarbe, Religion oder sexuelle Orientierung man hat! Für ihn zählt der Kamerad, auf den man sich immer verlassen kann!“

Vielleicht hätte Panorama ja mal bei Mohammed Ali Slim nachfragen können. Oder besser nicht – es hätte ja nicht ins Konzept gepasst.

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