Angela Merkel - Allein auf der Bank

Außer den Grünen will offenbar niemand mehr mit Angela Merkel regieren. Es zeichnet sich eine Große Koalition gegen die Kanzlerin ab, an der auch ihre eigene Partei beteiligt ist. Ihr Politikstil scheint an ein trauriges Ende gekommen

Bleibt Angela Merkel allein auf der Bank übrig? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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In Italien sind jetzt holterdipolter Neuwahlen, und Ex-Premier Matteo Renzi behauptet gleichwohl keck, so instabil wie Deutschland sei Italien aber nicht. Deutschland sei Anfang 2018 instabiler als das seit jeher zerklüftete Italien, diesen Spruch muss man sich auf de Zunge zergehen lassen. 

Solche römischen Witze auf Kosten Berlins sind möglich, weil keiner mehr mit Angela Merkel will. Bis auf die Grünen möchte keine Partei mehr mit ihr regieren, zu weiten Teilen nicht einmal mehr ihre eigene, die CDU. Es ist wie in der Schule. Erinnert sich noch jemand an die Mannschaftswahl in der Schulturnhalle? Nach und nach wählten die beiden Mannschaftsführer ihre Mitspieler aus, und von wem man wusste, des er weder als Werfer noch als Fänger etwas taugt beim Völkerball, der blieb sitzen und sitzen und sitzen. Bis nur noch der unsportliche, leicht adipöse Klassenstreber auf der Bank übrig blieb und wie ein Handicap auf zwei Beinen von einer Mannschaft genommen werden musste. 

Das Lobkartell

FDP-Chef Christian Lindner steht im Feuer der Kritik, weil er erst ein mögliches Bündnis aus Union, Grünen und FDP hat platzen lassen. Und hinterher gesagt hat, es könne schon eine zweite Runde von Jamaika-Verhandlungen geben. Nach einer weiteren Wahl. Und ohne Merkel. 

Zugleich lobt Lindner Leute wie Jens Spahn in der CDU. Es ist überhaupt interessant, wer im Moment wen lobt. Die CSU, namentlich  Alexander Dobrindt, lobt zum Beispiel Andrea Nahles von der SPD. Und das obwohl oder eben gerade weil kaum jemand in der SPD die unverhandelbaren Bedingungen der Partei für ein etwaige weitere Große Koalition so hoch türmt wie die Fraktionsvorsitzende. 

Mit anderen Worten: es ist ein Lobkartell derjenigen erkennbar, die sich eine politische Zukunft lieber ohne Angela Merkel vorstellen können. Die finden, dass ihr Politikstil an sein trauriges Ende gekommen ist: Lange nichts zu tun, und dann etwas Überstürztes, das sich als folgenreiche Fehlleistung erweist. Wie beim finanzmaroden Griechenland, der Kernenergie und der Migration. Die finden, dass sowohl die CDU als auch die FDP als auch die SPD einen zu hohen Preis bezahlt haben und weiter bezahlen sollen dafür, dass Merkel weiter Kanzlerin bleibt. 

Große Koalition gegen Merkel

Die politische Bilanz der Kanzlerin bleibt bescheiden. Ihre Kanzlerschaft hinterlässt keinen Fußabdruck wie jene ihrer beiden unmittelbaren Vorgänger, die mit der Wiedervereinigung und dem Euro sowie der Agenda 2010 jeweils feste Einträge im Geschichtsbuch hinterlassen haben. Von Merkel wird bleiben, dass sie es geschafft hat, trotz meist schwacher Wahlergebnisse immer weiter zu regieren. Oft auf Kosten des jeweiligen Koalitionspartners. Und nicht zuletzt auch der eigenen Partei. 

Das ist aber an ein Ende gekommen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, dann ist derzeit eine informelle Große Koalition aus den Herren Markus Söder, Christian Lindner, Jens Spahn und einigen namhaften Herrschaften der SPD vor allem daran interessiert, dass die Regentschaft Merkels zu Ende geht. Gegen diese Große Koalition wird sich Merkel schwer tun. Mit jedem Tag, den dieses neue ohne neue Regierung Jahr älter wird, steigt daher die Wahrscheinlichkeit dass es Merkels letztes ist als Kanzlerin.  

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