Am Wahlkampfstand: CDU - Probier’s mal mit Gemütlichkeit

Klaus-Dieter Gröhler ist CDU-Direktkandidat in Berlin-Charlottenburg. Um die Wähler wirbt er mit heißen Würstchen, aber die Stimmung bleibt lauwarm. Gröhlers Botschaft: Politik soll ein nettes Beieinander sein. Die Strategie kommt einem bekannt vor

Um die Wurst ging‘s beim Grillen mit CDU-Kandidat Klaus-Dieter Gröhler eher nicht / Foto: Frederick Leo
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Frederick Leo studierte Geschichte in Oxford, Großbritannien. Er betreibt das englischsprachige Think Tank Omelas Institute.

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„Jetzt geht’s um die Wurst“ heißt es bei der CDU in Berlin-Charlottenburg, aber es dauert ein bisschen bis das Feuer unter dem Wahlkampfgrill so richtig heiß wird. Den Grillnachmittag veranstaltet die CDU kurz vor der Bundestagswahl auf dem Grundstück eines sympathisierenden Steuerberaters, angrenzend an eine stark befahrene Straße. Dort ist es recht eng. Auf der kleinen Rasenfläche ist gerade Platz für einen mittelgroßen Grill und ein paar Bierbänke und Hochtische, bestückt mit Chipstüten und Softdrinks. Um die 30 Menschen allen Alters, auch Familien, stehen in Grüppchen auf dem Rasen verteilt, unterhalten sich rege und lachen. Allgemein entsteht bei der Aktion der Eindruck: Politik ist ein gemütliches Beieinander, da kann jeder dabei sein. Den Anschein, dass es für die CDU bei der Bundestagswahl „um die Wurst” geht, hat das Ganze eher nicht. 

Ein entspannter Kandidat

Verstärkt wird das Bild der Entspanntheit durch den Veranstalter, in Person von Klaus-Dieter Gröhler. Er sitzt seit 2013 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Charlottenburg-Wilmersdorf im Bundestag. Zuvor war er mehr als 20 Jahre lang in der Bezirksversammlung Vorsitzender des Bau-Ausschusses. „Da hatte ich viel zu entscheiden“, sagt er und lacht. Nun, da er Teil der Bundestagsfraktion ist, müsse er sich aber oft hinten anstellen und einreihen. Im Bundestag habe er im Laufe der vergangenen Legislaturperiode „die Basics gelernt”. Jetzt würde er dort „gerne weitermachen“. 

Ob ihm das ermöglicht wird, ist nicht garantiert. Zwar erreichte er bei den vergangenen Wahlen 37,1 Prozent der Erststimmen und 32,5 Prozent der Zweitstimmen – und lag damit jeweils mehr als 5 Prozentpunkte vor der SPD. Jedoch steht er nicht auf der Landesliste der CDU. „Wenn ich nicht direkt gewählt werde, komme ich nicht rein“, stellt er klar. Davon lässt er sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Polemische Wortgefechte mit den Vertretern anderer Parteien sind bestimmt nicht so sein Ding. 

Bezirk ohne Brennpunkte

Stattdessen schmeißen er und sein Team lieber den Grill an, mal auf einem Privatgrundstück, mal auf öffentlichen Plätzen. Passanten haben dann die Wahl zwischen Schweine- und Tofuwürsten, Ketchup und Senf. Gröhler ist von dieser Strategie überzeugt: „Sicher, keiner wählt im Gegenzug für kostenloses Essen im Wert von 50 Cent etwas, was er vorher nicht gewählt hätte. Aber so kann man die Leute mal persönlich kennenlernen. Dann sehen sie einen nicht immer nur auf dem Plakat.“ Eine rothaarige Frau um die 30 bestätigt Gröhlers Aussage im Herantreten: „Ich habe mich einfach eingeladen gefühlt.“

Der Stil Gröhlers und seiner Partei in Charlottenburg-Wilmersdorf mögen etwas lethargisch anmuten. Doch damit passen sie durchaus zu ihrer Umgebung. Mit Vorzeigestadtteilen wie Grunewald und Schmargendorf und ohne nennenswerte Brennpunkte gilt der Bezirk als allgemein bürgerlich. Zwar ist der Ausländeranteil mit 29,2 Prozent vergleichsweise hoch, jedoch gelingt die Integration dank relativ niedriger Arbeitslosigkeit, intakter Familien und hohem Bildungsniveau gut. Die Menschen hier fühlen sich sicher. „Ich wohne in Schmargendorf“, erzählt eine ältere Dame in einer grauen Jacke aufgeregt, „und da ist es tatsächlich wie auf einem Dorf. Man hört kaum Autolärm nachts.“

Das beeinflusst Gröhlers Politik maßgeblich. Ein Mangel an wahlkreisinternen Problemen ermöglicht ihm, die Aufmerksamkeit auf die Bundesebene zu lenken. Bei den bundespolitischen Themen überwiege die Tagesaktualität. So kann Gröhler dann für die Parteilinie werben. 

Ganz auf Parteilinie

Als ihn ein älterer Herr mit Schnauzbart und Schultheiß in der Hand zur Flüchtlingskrise befragt, hat er sofort eine passende Antwort auf Lager. „Man muss Fluchtursachen vor Ort bekämpfen. Nach der Wende hieß es in der DDR auch, ‚kommt die D-Mark nicht zu uns, kommen wir zur D-Mark.‘“ Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion wäre damals der einzig richtige Schritt gewesen. Mit Afrika sei das jetzt ähnlich. Dort würden sich die Leute sagen „kommen Stabilität und Wohlstand nicht zu uns, kommen wir zu Stabilität und Wohlstand“. Das müsse sich ändern, sagt Gröhler. „Das mag lange dauern, die Probleme dort zu lösen, aber wir müssen ja irgendwo anfangen.“ Gröhlers Botschaft scheint klar zu sein: eine Stimme für ihn ist eine Stimme für das CDU-Bundeswahlprogramm. Mehr als einen Würstchenstand braucht es für die Verbreitung dieser Botschaft wohl auch nicht.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Der Grill ist aus, der Wind weht nasskühl über den Rasen, irgendwo heulen Sirenen, aber sie sind weit weg. Gröhler schüttelt sich fröstelnd die Pulloverärmel über die Fingerspitzen, da fasst ihn ein gut gelaunter, korpulenter Herr im Jackett an die Schulter und zieht ihn zu sich. Der Mann verspricht Gröhler begeistert seine Stimme, möchte zum Abschluss aber noch für sich und seine Familie ein Gruppenbild mit dem Kandidaten und der Skulptur des Berliner Bären, die ein wenig verloren mitten auf dem Rasen steht. Die Gruppe bringt sich etwas tollpatschig in Position, die Menschen lächeln breit. Der Fotoblitz leuchtet auf und blendet für einen kurzen Moment die Teelichter aus, die nun auf den Tischen – ähnlich dem Wahlkampf der CDU – nur ein wenig flackern.

Dieser Text ist Teil einer Serie, für die Cicero sich bis zur Bundestagswahl an Berliner Wahlkampfständen verschiedener Parteien umsehen wird. Hier finden Sie die vergangenen Teile zur SPDzur AfD und zu den Grünen.

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