Alfred Dregger - Haltung und Herz gefragter denn je

Der CDU-Politiker Alfred Dregger war einst prominenter Vertreter des nationalkonservativen Flügels der CDU. Acht Gründe, warum einer wie er heute in der deutschen Politik vermisst wird

Der Politiker Alfred Dregger (CDU) aufgenommen mit seiner Frau Dagmar und seinem Boxer "Ingo" im Jahr 1974 in seinem Garten im hessichen Fulda / picture alliance
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Autoreninfo

Dieter Weirich ist gelernter Journalist und war als Sprecher und später Abgeordneter ein enger Weggefährte Alfred Dreggers. Nach seiner politischen Tätigkeit als Landtags-und Bundestagsabgeordneter war er zwölf Jahre Intendant der Deutschen Welle und Kommunikationsdirektor der Fraport AG. Er hat gerade eine Dregger-Biografie mit dem Titel „Haltung und Herz“ im Frankfurter Societätsverlag herausgebracht.

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Seit dem schwindelerregenden Abstieg der Unionsparteien in der Wählergunst erinnert man sich wieder an Alfred Dregger. Unter dem ebenso grundsatztreuen wie legendären Wahlkämpfer wäre Merkels Flüchtlingspolitik, der Aufstieg der AfD und die Sozialdemokratisierung der Union nicht möglich gewesen, sagen die einen. Die anderen verweisen auf den veränderten Zeitgeist, die Herausforderungen der Migration, die Probleme der Globalisierung. Die Zeit sei über die Dreggers hinweggegangen, weshalb dies überflüssige Restromantik sei.

Was Dregger heute wohl in der aktuellen Politik propagieren und  ob er sich im Grabe umdrehen würde, damit will ich mich in dem wohlfeilen Streit über sein geistiges Erbe nicht äussern. Als sein einstiger Pressemann meinte ich nach seinen Elogen auf die SPD-Ikone Kurt Schumacher, der Kommunisten noch als „rot lackierte Nazis“ bezeichnet hatte, leicht zynisch: „Nur tote Sozialdemokraten sind bei der Union gute Sozialdemokraten“. Es gebe genügend aktuelle Spitzengenossen, die eine harte Auseinandersetzung verdient hätten.

Wenn ich aber gefragt werde, ob Persönlichkeiten mit dem geistigen Kompass und dem Werteverständnis Dreggers in der heutigen Politik vermisst und deshalb gebraucht würden, antworte ich mit einem klaren Ja. Dregger war – so der frühere Welt-Chefredakteur Herbert Kremp – ein „der Mode enthobener Staatsmann“. Mit anderen Worten: Seine Werte und auch Visionen sind von zeitloser Gültigkeit.

Dies hat vor allem acht Gründe:

1. Haltung

„Man darf alles verlieren, nur seine Haltung nicht“ sagte Dregger nach seiner Niederlage bei der hessischen Landtagswahl, mit der sein Traum von der Übernahme der Staatskanzlei endgültig geplatzt war. Er war ein Mann des aufrechten Gangs, der um die Bedrohung des Rückgrats als gefährlichstes Körperteil in der Politik wusste. Schmeichler, Opportunisten, „Polit-Chamäleons“ waren ihm zuwider.

2. Mut
Er schielte nicht ständig nach demoskopischen Resultaten, ließ sich durch Kritiker in Medien bei der Durchsetzung seiner  Überzeugungen nicht beirren. Der Athener Staatsmann Perikles war sein Vorbild und er folgte seiner Empfehlung: „Wisset, dass das Geheimnis des Glücks die Freiheit, der Freiheit Geheimnis aber der Mut ist“.

3. Glaubwürdigkeit
Dregger war bis zur Naivität hin ehrlich. Darin begründete sich seine Glaubwürdigkeit. Sein Wort galt, man konnte sich auf ihn verlassen. Intrigen waren ihm fremd.Betrachtet man sich die Vorbehalte der heutigen Bevölkerung gegenüber Politikern ganz allgemein in Umfragen, so hätte diese Eigenschaft ihren besonderen Wert.

4. Konservativer Streiter
Mit ihm war der rechte Flügel der Unionsparteien nicht verwaist wie heute, sondern mit ihm und CSU-Chef Strauß,aber auch mit Karl Carstens, Gerhard Stoltenberg und  anderen als Angebot an national denkende Wähler hervorragend besetzt. Eine Volkspartei sollte seiner Auffassung nach in ihrer ganzen Breite ein interessantes Angebot machen. Konservativ zu sein hieß für ihn, Bewahrenswertes zu pflegen und allem Neuen aufgeschlossen zu sein oder – wie Strauß zu sagen pflegte – an der Spitze des Fortschritts zu marschieren. Er wollte den streitigen Diskurs innerhalb der Partei, nach dessen Beendigung aber die Geschlossenheit, die für den Wähler von besonderem Wert ist. Der Streit sollte aber innerhalb der Unionsfamilie ausgetragen werden,eine vierte Partei lehnte er immer ab, verwies auf skandinavische bürgerliche Parteien, die nach ihrer Aufsplitterung bedeutungslos geworden waren

5. Engagierter Europäer
Wer die Reden des im Monnet-Komitees frühzeitig mitarbeitenden Dreggers liest, erkennt in ihm einen europäischen Visionär, der frühzeitig für eine gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik, aber auch für ein subsidiäres Europa,in dem die Partner ihre nationalen Identitären bewahrten, eintrat. Helmut Kohl hat ihn zu Recht einen deutschen Europäer und europäischen Deutschen genannt.

6. Geschichtsbewusstsein
Wie Helmut Schmidt stammte Dregger aus der Kriegsgeneration. Nie wieder Krieg hieß für beide die Motivation für eine vernünftige Politik des Äusseren wie im Innern.Sein umfassendes Geschichtsbewusstsein ließ es nicht zu, dass die Geschichte des deutschen Volkes auf die unseligen zwölf Jahre des braunen Unrechtsregimes reduziert wurden. „Die Geschichte unseres Volkes umfasst nicht nur zwölf, sondern 1200 Jahre. Sie begann nicht mit Hitler und sie führte auch nicht notwendig auf ihn hin. Vor Hitler war Bismarck und nach Hitler war Adenauer“ sagte er. (Anmerkung der Redaktion: Alfred Dregger trat 1940 in die NSDAP ein.)

7. Stil
Dregger war ein Mann von Bildung und guten Manieren, ein Herr. Er führte sachpolitisch harte Auseinandersetzungen, zu persönlichen Verletzungen ließ er sich nie hinreißen. Ein Stil, der auch heute noch Schule machen könnte.

8. Charisma
Dregger war ein Wahlkämpfer von Format, Haudegen und Publikums-Magnet zugleich. Der Mittelpunkt des Menschen ist das Herz und nicht der Kopf, pflegte er zu sagen. Deswegen waren seine Botschaften emotional, seine Sprache einfach und verständlich. Für die Wiederbelebung des konservativen Flügels in der Union wäre die Typologie Dregger ein Hoffnung schaffendes Element.
Bleibt die Frage: Ist die politische Evolution in der CDU weitergegangen und für einen wie Dregger gebe es keinen Platz mehr? Die Frage beantworte ich mit Nein. Eine Partei lebt von starken Persönlichkeiten, die mit den ihr zur Verfügung stehenden Begabungen versuchen, den Zeitgeist zu prägen und sich ihm nicht anzupassen. Dregger wäre ein Streiter wider den Zeitgeist, den Anpassungsbereiten in der Union zum Trotz.

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