Hausverbot für AFD-Politiker im „Bocca di Bacco“ - Wir müssen draußen bleiben

Dürfen Gastwirte Gäste abweisen, weil sie für die AfD im Parlament sitzen? Diese Frage hat ein Berliner Promi-Italiener aufgeworfen, der eine Tischreservierung für Alice Weidel & Co ablehnte. Immer häufiger hebelt Political Correctness als PR-Instrument das Diskriminierungsverbot aus

AfD verboten: In der Rangordnung einiger Restaurants rangieren Mitglieder der Partei auf einer Höhe mit Hunden / picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Man hätte gerne das Gesicht von Alice Weidel gesehen, als sie von der Absage des italienischen Restaurants „Bocca di Bacco erfuhr. Die E-Mail endet mit „Cordiali saluti“, „mit freundlichen Grüßen“, mit „best regards“. Ihr Inhalt aber ist eine Ohrfeige für die AfD-Chefin und ihre Parteikollegen Alexander Gauland, Jörg Meuthen und Bernd Baumann. Das Restaurant, in Berlin eine ebenso beliebte Adresse für Politiker wie für Hollywood-Schauspieler, teilte der AfD-Führungsspitze mit, eine Tisch-Reservierung sei nicht möglich. „Politiker und deren Angestellte, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, politischer Einstellung oder Hautfarbe diskriminieren und diskreditieren, möchten wir nicht bedienen.“ 

Es war nicht das erste Mal, dass Gastronomen AfD-Politikern die Tür vor der Nase zuschlugen. Das jüngste Opfer der Politik der geschlossenen Tür war die bayerische Frontfrau Katrin Ebner-Steiner, die dem rechten Flügel um Björn Höcke nahe steht. Sie hatte in der „Goldenen Bar“ im Münchner Haus der Kunst schon Artischocken mit Dip und Seeforelle mit Ingwer-Gurken bestellt, als die Betreiberin sie mit Verweis auf das multikulturelle Personal wieder hinaus komplimentierte. Man dulde keine Vertreter rechtspopulistischer Parteien im Haus.

AfD-Verbotsaufkleber im Hipster-Restaurant

Die Begründung war noch verhältnismäßig sachlich formuliert – verglichen mit dem Verbotsaufkleber, der einst an der Tür des Hipster-Restaurants Nobelhart & Schmutzig klebte. Er zeigte die drei Buchstaben der Partei in einem roten Rahmen – durchgestrichen. Solche Verbote kannte man bislang nur für Vierbeiner. In der Hierarchie der Gäste rangieren AfD-Politiker offenbar auf einer Höhe mit Hunden. Es kostet nicht viel Phantasie, sich vorzustellen, wie die Öffentlichkeit reagieren würde, wenn anstelle von AfD-Politikern Menschen mit schwarzer Hautfarbe der Zugang verwehrt würde. 

Ein Aufschrei der Empörung ginge durchs Land. Von Diskriminierung wäre die Rede – und davon, dass solche Verbote gegen das Grundgesetz verstießen. Heißt es dort nicht in Artikel 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“?

„Wer AfD einlädt, wird gekleistert“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) beruft sich auf das Hausrecht. Jeder Unternehmer könne selber entscheiden, wen er bewirte – und wen nicht. Schließlich trügen die Inhaber die Verantwortung für das Wohl ihrer Gäste und Angestellten. Es sei ihre Aufgabe, Unruhe zu vermeiden. Wenn es um die Bewirtung von Gruppen geht, mag diese Begründung zutreffen. Die Gefahr geht hier aber nicht von der AfD, sondern von der Antifa aus. Im Internet ruft sie ihre Mitglieder dazu auf, Gastronomen einen Besuch abzustatten: „Wer AfD einlädt, wird gekleistert. Fotos von zersplitterten Fensterscheiben veröffentlicht die Antifa wie Trophäen auf ihrer Homepage. Aus Angst vor weiteren Besuchen linksextremer Aktivisten sagen die Gastwirte dann weitere AfD-Veranstaltungen ab. Wie aus Berliner Sicherheitskreisen verlautetet, soll die Zahl von Straftaten gegen Gastronomiebetriebe und Veranstaltungsorte im Kontext mit der AfD im dreistelligen Bereich liegen. 

Dass die Gefahr von Unruhe im „Bocca di Bacco“ oder in der „Münchner Bar“ gedroht habe, darf getrost bezweifelt werden. Alice Weidel und Katrin Ebner-Steiner sind demokratisch gewählte Vertreter einer Partei, die es innerhalb von vier Jahren zur stärksten Oppositionsfraktion im Bundestag gebracht hat. Man kann diese Partei für die rassistischen Ausfälle ihres Rechtsaußen-Flügels verurteilen. Man kann, nein, muss sich die Frage stellen, ob Politiker wie Weidel, Höcke oder Ebner-Steiner wirklich noch mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung stehen. Ob diese Partei vertrauenswürdig genug ist, um das Amt des Bundestagsvizepräsidenten zu bekleiden. Aber das gibt einem noch lange nicht das Recht, AfD-Politiker aus Restaurants auszusperren. 

Solche Verbote werden nicht rechtlich, sondern moralisch legitimiert. Es gehört zum guten Ton, sich gegen die AfD abzugrenzen, um zu demonstrieren, dass man selber gegen Rechts ist und zu den Guten gehört. Die Seeforelle mit Ingwer-Gurken schmeckt eben gleich noch viel besser, wenn man sich als Gast in der Illusion wiegen darf, man speise in einem Club, der nur Menschen mit der „richtigen“ Gesinnung hereinlasse. Members only. Political Correctness als PR-Instrument. 

Füßetrampeln in der Filterblase 

Dieser Trend betrifft nicht nur die Gastronomie, sondern auch andere Veranstaltungsorte. Und er nimmt bisweilen bizarre Züge an, wie das Beispiel Margarete Stokowski zeigte. Im November 2018 sagte die Vorzeige-Feministin und Spiegel-Online-Kolumnistin eine Lesung in  einer Buchhandlung in München wieder ab, als sie erfuhr, dass es dort auch ein Regal mit Literatur der Neuen Rechten gäbe. Das Argument des  Buchhändlers, dass man sich doch nur gegen Rechts engagieren könne, wenn man wisse, was Rechte denken und lesen, ging im allgemeinen Beifall und Füßetrampeln der Fans der Autorin in ihrer eigenen Filterblase unter. 

Rechts ist böse, links ist gut. In diesem Schwarz-Weiß-Schema haben sich beide Seiten häuslich eingerichtet. Die Linken feiern sich für ihr Gutmenschentum, die Rechten nutzen solche Verbote, um sich als Opfer einer angeblichen Verschwörung zwischen dem Establishment und den so genannten Leitmedien zu stilisieren – und um auf dieser Grundlage wieder neue Anhänger zu mobilisieren. 

Beides ist Gift für die Demokratie. 

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