Meistgelesene Artikel 2016 - CDU - Das Ende einer Volkspartei

Im Juni 2016 schrieb Alexander Marguier, dass die CDU sich in den vergangenen Jahren zum Angela-Merkel-Verein entwickelt hätte. Außerdem würde die CSU permanent Sand ins Getriebe schütten. Wer Horst Seehofer bei der CSU-Klausur zugehört hat, dem dürfte das bekannt vorkommen

Angela Merkel gibt in der Union den Ton an, doch an der Basis rumort es / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Jetzt ist die Peter-Tauber-Union also dort angekommen, wohin der fesche CDU-Generalsekretär sie mit schlafwandlerischer Sicherheit gesteuert hat: in den Umfragen bei 30 Prozent. Schuld daran dürfte mal wieder das uneinsichtige Schwesterchen CSU sein, deren Vorsitzender tagein, tagaus nichts Besseres zu tun hat, als der Kanzlerinnen-Partei Sand ins Getriebe zu streuen, das ansonsten mit ausreichend grünem Schmierstoff so geschmeidig laufen sollte wie die neuerdings mit Steuergeld angetriebenen Elektromobile. Letzteres übrigens entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung im Koalitionsvertrag.

Dem weißblauen Himmel sei Dank, dass es den polternden Bajuwaren-Häuptling Seehofer gibt, sonst käme im Berliner Konrad-Adenauer-Haus noch jemand auf die Idee, sich dumme Fragen zu stellen. Zum Beispiel jene, ob die Rechnung des neuen Hausorakels Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen wirklich aufgeht. Demzufolge kann nämlich „die CDU rechts Verluste verkraften, weil sie das in der Mitte mehr als kompensieren“ könne. Was argumentativ schon deshalb bestechend ist, weil in der Logik der CDU-Führung der vermeintlich provinzielle Konservatismus des Horst Seehofer dazu führt, dass sich die Wähler in Scharen der AfD zuwenden – denn die würden ja für das Original stimmen (was ausgerechnet in Bayern nicht der Fall ist). Links der Mitte scheint dieser Glaubenssatz erstaunlicherweise aber keine Geltung zu haben, sonst käme das CDU-Zentralkomitee ja nicht auf die Idee, im grünen Milieu zu fischen. Oder wählen Grünen-Anhänger tatsächlich lieber Taubers Unisex-Union anstatt ihre eigene Stamm-Partei?

Schwarz-rot-grüne Regierung unter Merkel?

Man könnte sich aber auch fragen, ob die ach so modernen Funktionäre der Christdemokraten nicht besser beraten wären, ein bisschen häufiger auf die CSU zu hören. Denn die hält sich im Freistaat in Umfragehöhen nahe der absoluten Mehrheit – während die Union ohne den Rückenwind aus Bayern irgendwo um die 22 Prozent läge. Eine stolze Volkspartei sieht jedenfalls anders aus. Und daraus ergibt sich schon gleich eine weitere Frage: Mit welcher Koalitionsaussage wollen die Unionsparteien eigentlich in den nächsten Bundestagswahlkampf gehen, wenn es nach heutigem Stand nicht einmal mehr für die Große Koalition reicht?

Angela Merkel als präsidiale Kanzlerin einer schwarz-grün-roten Regierung, diese Vorstellung mag vielleicht noch Unionsspitzenkräfte wie Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen in freudige Erregung versetzen. Anderswo, insbesondere in südlicheren Gefilden der Bundesrepublik, hält sich die Begeisterung ob solcher Aussichten in Grenzen. Aber vielleicht reicht es der rundum modernisierten CDU ja auch schon, wenn sie sich den Grünen nicht wie in Baden-Württemberg als Juniorpartner andienen muss.

Die Karte Merkel ist kein Trumpf mehr

Wer sich in diesen Tagen mit CDU-Abgeordneten unterhält, bekommt vor allem große Ratlosigkeit zu spüren, teilweise auch Verzweiflung. Denn jetzt rächt es sich, dass diese Partei sich in den zurückliegenden Jahren zum Angela-Merkel-Verein entwickelt hat, der jede Volte der Vorsitzenden mitzutragen bereit war, solange deren Strahlkraft Wahlsiege versprach. Damit ist es nun vorbei, und auch die derzeitigen Versuche des Kanzleramts, die kopflose Politik der offenen Grenzen im Nachhinein als alternativloses Staatshandeln ins rechte Licht zu rücken, werden daran nichts mehr ändern können.

Der Vertrauensverlust ist da, deswegen werden auch Wohlstandsvernichtungsprogramme wie die Energiewende nicht mehr als ökologisches Heilsversprechen angenommen, sondern zunehmend kritisch hinterfragt – das Kartenhaus droht zusammenzubrechen. „Sie kennen mich“: Mit diesem Wahlkampfslogan wird die Bundeskanzlerin nicht noch einmal ins Rennen gehen können. Denn der Satz würde nach ihren Einlassungen in der Causa Böhmermann und angesichts der regelmäßigen Pilgerfahrten an den Sultanspalast in Ankara mittlerweile wie eine Drohung klingen.

Die CDU ist nicht mit sich im Reinen – und keiner weiß das besser als deren Abgeordnete, denen es immer schwerer fällt, die inhaltliche Kluft zwischen der Elite im Adenauer-Haus und der Basis im Wahlkreis zu überbrücken. Eine Volkspartei kann so nicht funktionieren. Und es spricht wenig dafür, dass es der Union auf Dauer anders ergehen sollte als der SPD. Die Sozialdemokraten sind da, wie es sich für eine Fortschrittspartei gehört, einfach nur schon einen Schritt weiter. Also am Abgrund.

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