FDP in der Opposition - Das drohende Liberalala

Die FDP unter Christian Lindner hatte einem Jamaika-Bündnis mit Grünen und Union eine Absage erteilt, weil sie das nicht unberechtigte Gefühl hatte, in dieser Koalition das fünfte Rad am Wagen zu sein. Doch jetzt droht ihr das gleiche Schicksal in der Opposition

Opposition, aber wie? Die FDP findet ihre Rolle nicht. / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Nicht erst der offene Streit zwischen dem Parteichef und seinem quecksilbrigen Vize Wolfgang Kubicki um die richtige Russlandpolitik hat erwiesen, welche Probleme die Liberalen haben, einen Ort und eine Rolle in der Opposition zu finden. Das Terrain um sie herum ist arrondiert. Jeder hat seinen USP, sein Alleinstellungsmerkmal. Die Grünen umschmeicheln weiter ihre Lieblingskanzlerin und würden Angela Merkel am liebsten dazu bringen, die unbequeme CSU durch sie in der Regierung zu ersetzen. Die Linke intoniert ihren immergleichen Refrain, dass sie und nur sie die Interessenwalterin der sozial und finanziell Schwachen ist. Und die AfD geriert sich als parlamentarischer Arm einer Merkel-muss-weg-Bewegung.  

Dazwischen bisher ohne jedes Profil: Die Liberalen. Im Wahlkampf noch, in seiner Endphase, hatte Christian Lindner selbst noch für ein Einfrieren der Krimfrage im Umgang mit Russland plädiert. Jetzt muss er russlandfreundliche Avancen seines zum Bundestagsvizepräsidenten promovierten Stellvertreters einfangen und zu einer Einzelmeinung erklären. Das alles nährt zwei der drei Klischees, mit denen die FDP seit jeher zu kämpfen hat:

Mehrheitsbeschaffer und Besserverdiener

Das erste, immer nur Mehrheitsbeschaffer zu sein, hatte Linder mit seinem Nein zum Regieren widerlegt. Aber das Label der liberalen Beliebigkeit droht wieder haften zu bleiben bei diesem Schlingerkurs in Sachen Russland. „Liberalala! Liberalala“ hat der so genannten Remstalrebell (und Vater des Tübingers Oberbürgermeisters) Helmut Palmer immer vor der Stuttgarter Oper gesungen, wenn die FDP zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen rief.

Und auch das zweite Label wird wieder klebrig: das der Partei der Besserverdienenden, wenn Kubicki öffentlich einräumt, dass er als Rechtsanwalt drei Mandanten vertritt, denen die Sanktionen der Europäischen Union gern Russland wirtschaftlich zu schaffen machen. In dem Fall sogar in der verschärften Form, selbst dieser Besserverdiener zu sein.

Die fünfte politische Jahreszeit ist vorbei

Mit Kubicki ist Lindner einen faustischen Pakt eingegangen. Zu Wahlkampfzeiten ist der schlagfertige Schleswig-Holsteiner ein trefflicher Partner, der in Talkshows Aufmerksamkeit erregt. Wenn aber diese fünfte Jahreszeit des politischen Betriebs wieder vorbei ist, dann wird aus einem Mann wie Kubicki ein Problem. Weil sich ein Kubicki nicht steuern lässt. Er ist der Peter Gauweiler der FDP. Lindner zahlt also jetzt den Preis für das Agreement, das er mit Kubicki eingegangen ist.

Dazu kommt, dass die Fraktion mehrheitlich aus Leuten besteht, die ihre Hauptaufgabe nicht im Meckern, absondern im Machen sehen. Unternehmer, aktive und ehemalige, denen die Oppositionsrolle alles andere als auf den Leib geschrieben ist. Erste Frustration macht sich unter ihnen breit.

Christian Lindner gebührt das Verdienst, die FDP aus der außerparlamentarischen Opposition zurück in die parlamentarische Opposition geführt zu haben. Er hat die Offerte des Regierens ausgeschlagen, um die FDP in der Opposition als eigenständige Kraft zu entwickeln. Bislang ist er davon noch weit entfernt.  

 

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