Erziehung - Der Vaterknacks

Strenge Väter können ihre Kinder brechen oder immun gegen die Welt werden lassen. Ein Beispiel dafür ist Donald Trump. Setzt sich autoritäre Erziehung durch, weil sie Kinder stärker antreibt?

Zufrieden wirken oder zufrieden sein? Donald Trump wirkt getrieben / picture alliance
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Autoreninfo

Sabine Bergk ist Schriftstellerin. Sie studierte Lettres Modernes in Orléans, Theater- und Wirtschaftswissenschaften in Berlin sowie am Lee Strasberg Institute in New York. Ihr Prosadebüt „Gilsbrod“ erschien 2012 im Dittrich Verlag, 2014 „Ichi oder der Traum vom Roman“.

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Er sei deshalb so verkorkst, bekannte Donald J. Trump in seinem Buch „Think Big“, weil sein Vater ziemlich viel von ihm verlangt habe. Der Vater des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Fred C. Trump,  soll demnach eisern und extrem kritisch gewesen sein und mit Lob gegeizt haben. In der Grundschule, schrieb Trump, sei er völlig erziehungsresistent gewesen. Als Trump 13 Jahre alt war, verbannte ihn sein Vater auf die Militärschule. Das habe ihm gut getan, gestand Trump später. Einer der Erzieher der strengen Kadettenanstalt, Theodore Dobias, erzählte kurz vor seinem Tod Reportern der Washington Post, dass Trump immer die Nummer eins sein wollte. Er habe sich stets nach Anerkennung gesehnt. 

Wenn Druck auf Kinder zu groß wird, zerbrechen sie entweder oder gehen den entgegengesetzten Weg. Nicht selten driften sie in eine Welt der Unterhaltung und des Spaßes ab. Wenn sie eh nicht geliebt werden und nie gut genug sein können, dann können sie zumindest auf den Putz hauen. Bei manchen Heranwachsenden wird der Spaß zur Sucht und sie gehen unter.

Donald J. Trumps Bruder Freddy, auf dem alle Erwartungen der Firmenübernahme lasteten, verfiel dem Alkohol und starb früh. Trump entschied sich für den Gegenweg: Er musste unbedingt erfolgreich sein – am besten der größte Mann der Welt. Trumps Bauten uferten dementsprechend aus. Die Innendekoration seines Luxus-Resorts Mar-a-Lago erinnert nicht von ungefähr an den Geschmack des prunksüchtigen Bayernkönigs Ludwig II. Ludwig wurde übrigens Kraft eines psychiatrischen Gutachtens entmündigt.

Kinder wollen ihre Väter glücklich machen

In einer Nachbarschaft mit Häusern, Gärten und Garagen lebten zwei Söhne, beide hochbegabt. Der Vater verdiente gutes Geld und war mit seinen Sprösslingen sehr ehrgeizig. Sein ältester Sohn brach bereits im Teenageralter zusammen und machte schließlich eine schlichte Gärtnerlehre. Der jüngere Sohn, der in Mathematik alle übertraf, ohne dafür lernen zu müssen und auf dessen Rücken alle Hoffnungen lasteten, wurde zum Organisator von Partys. Nicht selten habe ich Geschichten von Söhnen oder Töchtern, die sich im jungen Erwachsenenalter erhängten, vor den Zug warfen oder vom Hochhaus sprangen, gehört. Dafür muss man nicht weit reisen. Das geschieht in der unmittelbaren Umgebung. Oft waren es Kinder ehrgeiziger und strenger Väter. Die Welt ist voll mit Kindern, die das Gefühl haben, den Vater nie glücklich machen zu können, egal wie sehr sie sich auch anstrengen. 

Dabei sollte gerade das Gegenteil der Fall sein: Väter sollten ihre Kinder glücklich machen. Kinder sind nicht dazu da, strenge Väter zufrieden zu stellen, die niemals zufrieden sein werden und es auch nicht werden können, solange ihr Fokus auf sie selbst und nicht auf die Kinder gerichtet ist. Die Selbstherrlichkeit der Väter zu bedienen gleicht der Fahrt in einer unendlichen Warteschleife. Man selbst ist dabei nie dran. Manche Kinder verbringen ihr gesamtes Leben in dieser Schleife.

Die Strenge – ein Export aus Deutschland

Trumps Großeltern kamen aus Deutschland. Die Härte und Strenge seines Vaters kann durchaus auf eine deutsche Härte zurückzuführen sein. Wer hier schon als Kind gestählt wurde, galt einst als überlebensfähig. Michael Hanekes Film „Das weiße Band“ erzählt von solch abgehärteten Kindern. Diese Härte bleibt oft hartnäckig erhalten, auch wenn man den Kontinent wechselt.

Ehrgeiz, Gefühlskälte und Aufstiegswille – das sind Prägungen, die Generationen überleben. Sie überspringen Jahrhunderte. Sie überleben in der Sprache, in Sprüchen, in Reimen, Liedern und Glaubenssätzen. „Du bist nicht gut genug“, ist so ein multiresistenter Glaubenssatz, ein Bakterium, das Jahrhunderte, Weltkriege und sämtliche Therapeuten überlebt. So manchen kostet die Überwindung dieses einen Satzes ein ganzes Leben. 

Wir wollten keine Anerkennung und wollten sie doch

Wir führten als Kinder Listen. Für jede Eins gab es eine Deutsche Mark. Auf den Listen stand dann fein säuberlich untereinander geschrieben: Eins = 1 DM, Eins = 1 DM, Eins = 1 DM. Später stand ich längere Zeit auf der Autobahnbrücke. Mit schlafwandlerischer Sicherheit lernte ich nur Menschen kennen, die auch einen Vaterknacks hatten. Wir hielten gemeinsam Grabreden auf unsere Väter, wollten auch gar keine Anerkennung mehr und wollten sie doch irgendwie. Um Hochhäuser und Golfanlagen zu bauen, fehlte uns das Kleingeld. Dabei wäre es so einfach gewesen, diesen ewig unzufriedenen Vater zu übertrumpfen. Dafür braucht man gar keinen Trumpf-Tower zu bauen. Man kann einfach einen liebevollen Umgang pflegen und sich selbst verzeihen, wenn etwas einmal nicht wie eine Eins läuft. Herz ist Trumpf.

Natürlich ist es dramatischer, die Welt mit einem wütenden Twittergewitter täglich zu beschießen. Damit besiegt man aber niemals sich selbst. Vielmehr wird man zu einem schimpfenden Etwas, das zwanghaft groß sein will und doch als ewiges Kind in der Warteschleife des Vaters stecken geblieben ist. 

Wie können Väter es richtig machen?

Väter haben es schwer. Ein abwesender Vater, der viel verlangt, kann ebenso destruktiv sein wie ein anwesender Vater, der viel verlangt und auch noch die ganze Zeit da ist. Anders herum ist ein anwesender Vater, der gar nichts verlangt, auch nicht gut. Und ein abwesender Vater, dem alles egal ist, wirkt ebenso destruktiv. Gibt es überhaupt konstruktive Vateransätze? Die Vaterforschung ist noch eine junge Disziplin, es gibt sie erst seit dem Ende der 90er Jahre.

Über Modelle der Vaterschaft hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine umfassende Broschüre herausgegeben. Professor Dr. Wassilios E. Fthenakis, Direktor des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP) in München, fasst in den „25 Facetten der Vaterschaft“ den Stand der Vaterforschung zusammen. Den Extremen des „neuen“ Vaters, der sich liebevoll um seine Kinder kümmert und dem vernachlässigenden, sogar Gewalt ausübenden Vater, stellt er vielschichtige Vatermodelle entgegen. Es gibt keine normative Rollendefinition für Väter. Vaterschaft befindet sich in einem kontinuierlichen kulturellen Wandel.

Was hilft es aber, wenn sich im Endeffekt gerade jene Sprösslinge, die unter schwer autoritären Vätern litten, immer wieder durchsetzen? Kinder, die keine Geborgenheit, keinen Schutzraum hatten, sondern von innen her täglich attackiert wurden? Die immer angriffs- und verteidigungsbereit am Mittagstisch saßen? Später bauen die einen Hochhäuser, die anderen springen vom Hochhaus.

In einer ZEIT-Umfrage über Väter (2016) brachte es der Schriftsteller Martin Walser in „Zehn Sätzen, die von meinem Vater blieben“ auf den Punkt: Was ist ein guter Vater? Satz 1: Vor einem guten Vater hat ein Kind keine Angst. Satz 10: Ein guter Vater weiß nicht, dass er ein guter Vater ist.

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