CDU und CSU nach der Wahl - „Die Union wirkt in Teilen hirntot“

In der Union brodelt es nach der Wahlschlappe, besonders unter den jüngeren Abgeordneten. Der 40-jährige CSU-Politiker Andreas Lenz bezweifelt, dass eine Erneuerung gelingt, wenn CDU und CSU die Regierung übernehmen. Lenz fordert, die Parteibasis endlich ernst zu nehmen – und eine personelle Erneuerung.

Armin Laschet gestern im Konrad-Adenauer-Haus, neben ihm Generalsekretär Paul Ziemiak / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

So erreichen Sie Moritz Gathmann:

Anzeige

Der CSU-Politiker Andreas Lenz ist seit 2013 Mitglied des Bundestags für den Wahlkreis Erding-Ebersberg. Bei der Bundestagswahl hat er seinen Wahlkreis mit 42,3 Prozent der Erststimmen klar gewonnen.

Herr Lenz, Sie haben heute auf Twitter geschrieben: „Die Union wirkt in Teilen hirntot es gibt viel zu tun!“ Was meinen Sie damit?
Das stimmt das habe ich nicht umsonst geschrieben. Wir brauchen mehr Zukunftskompetenz in der Union. Man sollte sich rückbesinnen, sich erneuern, auf Basis von Werten die Zukunft beschreiben. Da war die Union in den letzten Jahren aber zu selbstgefällig nach dem Motto: Alles ist gut, alles bleibt gut. Man hat sich zu wenig Gedanken über die Standortbestimmung gemacht, keinen Weg aufgezeichnet, wo man 2025 bis 2030 mit dem Land hin will.

%paywall%

Das ist sehr abstrakt. Haben die Idee von der Zukunft eher die Teile der Partei, die zwischen 40 und 50 sind, und nicht jene, die 60 plus sind?

CSU-Politiker Andreas Lenz

Grob gesagt ist das so, aber es liegt nicht nur am Alter. Es gab vor der Wahl krasse Fehleinschätzungen über Stimmungslagen.

Geht es konkreter?

Eine Fehleinschätzung betrifft die Kandidatenfrage. Eine andere jene, ob man mit dem Status Quo Wahlen gewinnen kann. Das geht aus meiner Sicht nicht.

Auf gut Deutsch heißt das: Armin Laschet war der falsche Kandidat.

Ich war aus gutem Grund auf der Seite von Markus Söder. Aber das ist nur ein Mosaikstein des Ganzen: Bei der Union hat man geglaubt, dass es am Ende irrelevant ist, wer der Kandidat ist, weil die Union sowieso den Anspruch hat zu regieren. Unterm Strich bleibt aber die Erkenntnis: Es gab keine Idee, wie man die Zukunft gestalten will.

Armin Laschet hat heute gesagt, dass die CDU zwar eine Erneuerung brauche, dass das aber auch in Regierungsverantwortung geschehen könne. Geht das?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Fürs Land wäre eine Regierungsbeteiligung der Union gut  aber wäre eine Erneuerung glaubwürdig, wenn man regiert? Ich sehe da schon die Gefahr, dass in einer Regierung wieder so getan wird, als wäre alles gut. Da fehlt die Kraft zur Erneuerung, stattdessen gibt es dann wieder ein „Weiter so“.

Laschet hat heute betont, die Aufarbeitung und Erneuerung müsse mit der Basis geschehen – und nicht mit den Gremien. Aber auch seine Kandidatenkür hat ja gezeigt: In der Union entscheiden die Gremien – sonst wäre ja Söder, der bei der Basis beliebt war, Kanzlerkandidat geworden, und nicht Laschet. Nehmen Sie seine Worte ernst?

In der Vergangenheit hat man die Basis nicht zur Genüge eingebunden. Und wenn ich von Basis spreche, dann geht das auch weiter: Ich meine da auch unsere „Stammkundschaft“ – also der Mittelstand, die Landwirtschaft, ganz normale Arbeitnehmer. So erfüllt man den Begriff Volkspartei mit Leben.

Morgen will die Unionsfraktion ihre Führung wählen: Ralph Brinkhaus soll da im Amt bestätigt werden. Aber geht so Neuanfang?

Man kann das nicht nur an einzelnen Personen festmachen. Wir müssen als Union in sämtlichen Bereichen besser werden. Wir brauchen eine neue Exzellenzkultur. Wir müssen den Anspruch haben, die besten Rezepte fürs Land zu haben. Es geht um einen glaubwürdigen Neuanfang.

Wer sollte denn im Erneuerungsprozess eine wichtige Rolle spielen? Jens Spahn vielleicht oder Carsten Linnemann?

Es gibt in der zweiten Reihe viele Köpfe, die da eine Rolle spielen könnten.

Sie selbst zum Beispiel?

Ja, warum nicht? Ich stelle mich jeder Verantwortung. Es gibt viele Köpfe, die momentan noch gar nicht so präsent sind, die aber auch was können.

Und für die war es in den vergangenen Jahren schwer, durchzukommen?

Auf jeden Fall. Aufgrund der langen Regierungszeit wurde eher das Regierungsteam wahrgenommen.

Und weil Kontinuität über allem stand?

So ist es. Und es wurde innerhalb der eigenen Reihen zu wenig Kritik zugelassen. Um besser zu werden, muss man sich schon kritisch mit sich auseinandersetzen.

Aber gab es in der CDU nicht die von Annegret Kramp-Karrenbauer angestoßenen „Werkstattgespräche“ und ein in Gesprächen mit der Basis formuliertes Grundsatzprogramm?

Die Werkstattgespräche habe ich auch erlebt. Aber für die Basis ist es frustrierend, wenn bestimmte Dinge nicht besprochen werden oder wenn der Eindruck entsteht, dass diese Gespräche nur Makulatur sind. Dann ist das am Ende sogar kontraproduktiv. Wenn man solche Projekte macht, muss man die Basis auch ernst nehmen.

Die Fragen stellte Moritz Gathmann.

Anzeige