Wahl in Ungarn - Was Orbans Sieg für Deutschland und Europa bedeutet

Als klarer Sieger ist die Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban aus den Parlamentswahlen in Ungarn hervorgegangen. Offenbar strebt Orban bessere Beziehungen zu Deutschland und zur EU an. Doch an seiner kruden Wahlkampagne wird er wohl vorerst festhalten

Orban sieht sich selbst als vom Schicksal auserwählt, Ungarn in die Zukunft zu führen / picture alliance
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Autoreninfo

Boris Kálnoky ist freier Journalist und lebt in Budapest. Er entstammt einer ungarisch-siebenbürgischen Familie

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Klarer als erwartet hat Ungarns Regierungspartei Fidesz die dritten Wahlen in Folge gewonnen, und Ministerpräsident Viktor Orban sein insgesamt viertes Mandat. Den letzten Hochrechnungen zufolge könnte es wie 2010 für eine erneute Zweidrittelmehrheit reichen. Orbans zweite Aussage in der Wahlnacht, nach den üblichen Danksagungen und Beteuerungen, Ungarn auch weiterhin als „christliche Kultur“ und „Land mutiger Menschen“ erhalten zu wollen, war diese: „Wir wollen eine starke und erfolgreiche EU.“

Mehrere Insider haben in den vergangenen Wochen signalisiert, dass Orban mit Deutschland und letztlich auch mit der EU bessere Beziehungen anstreben will. Mit der EU wird das wahrscheinlich warten müssen bis nach den Wahlen zum Europäischen Parlament 2019, die die Kräfteverhältnisse in Europa verändern dürften.

Ein Sieg der Stabilität

Für Deutschland und Österreich, die wirtschaftlich starke Interessen in Ungarn haben, ist Orbans Sieg immerhin ein Sieg der Stabilität, und Stabilität ist gut für Unternehmen. Ein Sieg der Opposition hätte ein zähes Koalitionsdurcheinander und, so sagten es die Oppositionsführer selbst, baldige Neuwahlen gebracht. Ungarn wäre unberechenbar geworden.

Sehr bald dürfte auch klar werden, ob eine Besserung des eisigen politischen Klimas zwischen Berlin und Budapest möglich ist. Signale dafür werden in der Zusammensetzung der nächsten Orban-Regierung zu suchen sein. Letztlich wird es aber auch davon abhängen, ob Deutschland überhaupt bereit ist, einen Schritt auf Orban und, breiter gefasst, Ostmitteleuropa zuzugehen. Orban scheint gewillt, dafür unter anderem seine Russland- und seine Amerika-Politik künftig stärker an Berlin auszurichten. 

Die zwei Lehren des Viktor Orban

Der ungarische Regierungschef hat aus dieser Wahl mit Sicherheit zwei Lehren gezogen: Seine krude Kampagne gegen US-Milliardär George Soros, mit Anleihen bei Weltverschwörungstheorien und teilweise fremdenfeindlichen Anklängen gegen Migranten, Roma und Muslime, hat sich gelohnt. Er hat gewonnen, ohne ein einziges Wahlversprechen machen zu müssen, ohne ein Wahlprogramm. Man darf also eine Fortsetzung dieser Kampagne zumindest bei den Wahlen zum Europäischen Parlament nächstes Jahr erwarten.

Die zweite: Er hat Probleme mit der Jugend und vor allem in Budapest. Budapest ist nicht so wichtig, so lange er die Zustimmung auf dem Land hat – dort vermochte Fidesz erfolgreich seine Wähler zu mobilisieren, während in Budapest die linke Opposition erfolgreich war. Aber auf die Jugend kann auf Dauer keine Partei verzichten. Insidern zufolge wird die neue Regierung dieser Erkenntnis Rechnung tragen und bemüht sein, attraktiver zu werden für junge Menschen, etwa in der Zusammensetzung des neuen Kabinetts.

Oppositionsparteien vor der Existenzfrage

Für die Opposition beginnt nun, nachdem sie sich erstmals echte Hoffnungen auf einen zumindest relativen Erfolg gemacht hatte, eine Zeit der Introspektion. Es gibt ein Wählerpotenzial von 25 Prozent für Linke und Liberale, aber fünf Parteien müssen sich das teilen. Dazu kommt die grüne LMP, die sich mit ungefähr acht Prozent etwas verbessern konnte. Diese Parteien stehen nun vor der Existenzfrage: Wer ist denn nun das Gesicht der linken Opposition? Fünf Gesichter? Das kann nie funktionieren.

Orban wird sich noch stärker als in den vergangenen Jahren als der Mann empfinden, den das Schicksal an Ungarns Spitze gestellt hat. Als historische Figur, um das Land in eine bessere, freiere, stärkere Zukunft zu führen. Es ist auch klar, wo er diese Zukunft sieht: in einem engeren Zusammenschluss der mitteleuropäischen Länder, um von dieser Warte aus entscheidenden Einfluss zu nehmen auf die Zukunft Europas. Insbesondere mit Polen wird er mehr denn je den Schulterschluss suchen, und nach Berlin signalisieren: Hier sind wir, wir sind eure Freunde. Wir wollen nicht euer Geld wie die Südeuropäer. Versteht uns endlich.

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