US-Präsident Donald Trump - Sein Watergate-Moment

Es wird eng für US-Präsident Donald Trump. Seinem früheren Wahlkampfmanager Paul Manafort drohen bis zu 80 Jahre Gefängnis. Sein Ex-Anwalt Cohen beschuldigt ihn mehrerer Straftaten. Wenn die Demokraten die Kongresswahlen gewinnen, könnten sie ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn anstrengen

US-Präsident Donald Trump verstrickt sich immer tiefer in Skandale / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Donald Trump hatte für den Abend wieder einmal einen großen Wahlkampfauftritt vor seinen Anhängern geplant, diesmal in West Virginia, wo er dankbare Anhänger wegen seiner Kohle-Unterstützung hat. Doch innerhalb von nur einer Stunde vermasselte ihm die Justiz den Tag. In zwei verschiedenen Prozessen wurden zwei seiner einst engsten Vertrauten verurteilt, und erstmals wurde er selbst schwer belastet. Diesmal wird es ernster als jemals zuvor in seiner skandalumwitterten Präsidentschaft. Kommentatoren sprachen schon von einem „Watergate Moment“. Das war Anfang der siebziger-Jahre der Anfang vom Ende der Präsidentschaft von Richard Nixon. Es hat sich gezeigt: Die Justiz in den USA lässt sich auch von einem ständig drohenden Präsidenten nicht einschüchtern, die Gewaltenteilung funktioniert. Der Vertreter der Anklage gegen Trumps Ex-Anwalt trat trotzig vor die Presse und sagte: „Niemand steht über dem Gesetz“. 

Anwalt räumt Schweigegeldzahlungen ein 

Michael Cohen war rund zehn Jahren sein „Fixer“, nicht nur sein Anwalt. Er war der Mann für schwierige Fälle, der für Donald Trump die Drecksarbeit erledigte, immer loyal. Er würde sogar eine Kugel für seinen Klienten abfangen, hatte er mal erklärt. Doch jetzt, unter dem Druck eindeutiger Beweise, packte er aus, um seinen eigenen Kopf zu retten. Er habe die Schweigegeld-Zahlungen an den Porno-Star „Stormy Daniels“ und, über einen Verlag, das Playmate- Model Karen McDougal wegen ihrer Affären mit Donald Trump in Abstimmung und auf Anweisung seines prominenten Klienten geleistet, und zwar mit dem Ziel, die unmittelbar bevorstehenden Wahlen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Justiz sieht darin einen kriminellen Verstoß gegen die strengen Wahlkampffinanzierungsregeln – das ist nicht irgendeine Kleinigkeit, das ist im Verständnis des US-Justizsystems ein Verbrechen (felony). Mit anderen Worten: Sein Ex-Anwalt beschuldigt Donald Trump, ein Verbrechen begangen zu haben, ein Mittäter, denn er gab den Auftrag. Tatsächlich gelang es, diese beiden Ex-Gespielinnen erst einmal mundtot zu machen, elf Tage nach der Zahlung wurde Trump mit knapper Mehrheit gewählt. 

Solidarität mit einem Steuerbetrüger 

Und damit nicht genug. Innerhalb von 60 Minuten fiel auch das Urteil gegen seinen Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort. Eine Jury befand ihn in acht Punkten schuldig, wegen Steuerhinterziehung, Bankbetrugs und illegaler Auslandskonten, die Manafort dem Fiskus verschwiegen hatte. Dem 69-Jährigen drohen bis zu 80 Jahre  Gefängnis. Das bedeutet: Er wird  wahrscheinlich den Rest seines Lebens hinter Gitter verbringen. Dieses Verfahren gegen seinen früheren Wahlkampfmanager belastet Donald Trump nicht direkt, die Taten lagen vor der Zusammenarbeit im Wahlkampf. Oder soll man sagen: noch nicht? Manafort bezog seine Millionen ja von Leuten in der Ukraine, die eng mit Kremlchef Wladimir Putin verbunden waren.

Ein Steuerbetrüger im ganz großen Stil mit Beziehungen zu Leuten im Putin-Orbit – das müsste doch jeden Spitzenpolitiker sofort bei einer solchen Verurteilung auf scharfe Distanz bringen. Nicht so Donald Trump. Paul Manafort sei ein „guter Kerl“, sagte Trump unmittelbar danach, der Prozess gegen ihn sei „traurig“. Schon deshalb, weil er weit über den eigentlichen Untersuchungsauftrag des Sonderermittlers Robert Mueller hinausgegangen sei, der sich ja mit der Frage beschäftigt, ob Trump und seine Vertrauten mit Russland zusammengearbeitet haben, um die US-Wahlen gegen Hillary Clinton zu gewinnen. Und natürlich habe sich, so Trump erneut, gezeigt, es habe keine solche Zusammenarbeit durch ihn mit Russland gegeben, alles sei eben nur eine „Hexenjagd“. Die ganze Untersuchung sei eine „Schande“.

Nur der Kongress kann Trump aus dem Amt heben 

Kein Wort von ihm zu der eigentlichen Bombe, die nun geplatzt ist: der Vorwurf von seinem Ex-Anwalt, ein Mittäter zu sein. Das ist bisher in Trumps Präsidentschaft der härteste Schlag gegen ihn, einer, der nicht ohne Konsequenzen bleiben kann. Juristisch kann ihm keiner etwas anhaben, der Präsident ist immun gegen Strafverfolgung, solange er im Amt ist. Der Ball liegt jetzt bei der Politik, im Kongress. 76 Tage vor den wichtigen Kongress-Wahlen ist das für die Republikaner ein Albtraum, wie er kaum schlimmer sein könnte. Die meisten von ihnen eierten bisher rum, wenn es um Kritik an Donald Trump ging – zu groß ist ihre Angst vor den Millionen Trump-Anhängern im Lande, die zum ihm halten, egal, was man ihm vorwirft. Rund zwei Drittel aller Republikaner halten die Russland-Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller für falsch.

Doch jetzt geht es nicht mal um Russland, jetzt geht es um eine Schmuddelaffäre mit zwei Frauen von zweifelhaftem Ruf. Aber hier hat sich nicht nur herausgestellt, dass Trump erst einmal (und wieder einmal) gelogen hat, hier steht er als Beteiligter an einem Verbrechen dar. Es geht eben um den Verstoß gegen die Wahlkampfbestimmungen. Und hier muss sich nun zeigen, wie seine um ihre Wiederwahl schwer besorgten Parteifreunde damit umgehen. Denn nur die Politik kann Donald Trump aus dem Weißen Haus entfernen, mit einem Amtsenthebungsverfahren.

Demokraten wittern Morgenluft 

Damit das in Gang kommt, bedarf es aber einer Mehrheit im Kongress. Und deshalb hält man jetzt in Washington den Atem an. Schon bisher witterten die oppositionellen Demokraten Morgenluft, hatten sie doch Hoffnungen, bei den November-Wahlen entweder im Repräsentantenhaus und vielleicht sogar im Senat die Mehrheit zu gewinnen. Dann könnten sie ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) einleiten, bräuchten dafür allerdings am Ende eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um es abzuschließen – was bisher in der US-Geschichte noch nie gelungen ist.

Dennoch wird es nun für die Republikaner eng, denn nachdem nun die erste Bombe geplatzt ist, hat das Wegducken ein Ende. Sie müssen jetzt vor den Wählern Farbe bekennen zu der Frage: Wie stehen sie zu einem Präsidenten, der von seinem verurteilten Anwalt als Verbrecher beschuldigt wird?

Die Zeitbombe tickt  

Und sie wissen schon jetzt: Das war nur der Anfang. Im September steht ein weiterer Prozess gegen Paul Manafort an, unter anderem wegen Geldwäsche, und vielleicht wird er dabei versuchen, mit der Justiz gegen Trump zusammenzuarbeiten, um eine Strafmilderung zu erreichen, und auch das Thema Michael Cohen ist noch lange nicht endgültig durch, falls es nun zu neuen Anhörungen im Kongress kommen sollte Vor allem aber: Der Bericht von Sonderermittler Mueller zum eigentlichen Kernthema, nämlich Trumps angeblichen Russland-Verbindungen, steht noch aus. Was wusste Trump vom Treffen seines Sohnes und seinen Schwiegersohnes mit Russland-Abgesandten, die die Lieferung von „Dreck“ gegen Hillary Clinton versprachen? Paul Manafort war dabei.  Bisher sehen wir das gewohnte Bild: Trump streitet alles ab. Doch auch hier tickt eine Zeitbombe, und wenn sie in den nächsten Wochen auch noch platzen sollte, dann könnte es Donald Trump doch noch so gehen wie Richard Nixon, der nach dem Watergate-Skandal einer Amtsenthebung nur entgehen konnte, indem er zurücktrat. 

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