USA - „Wir haben eine gemeinsame Verantwortung“

Donald Trump droht Kim Jong-un mit einem größeren Atomknopf. Und auch innenpolitisch steht der US-Präsident wegen der Russland-Affäre weiter unter Druck. Das deutsch-amerikanische Bündnis sei daher umso wichtiger, sagt die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice im Gespräch

Angela Merkel und die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice 2007: „mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“ / picture alliance
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Luise Voget arbeitet für die Körber-Stiftung. Sie ist die Programm-Managerin des Berlin Foreign Policy Forums. Foto: Körber-Stiftung

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Frau Rice, in Deutschland dachten viele nach den US-Präsidentschaftswahlen 2016, dass die transatlantischen Beziehungen irreparablen Schaden genommen hätten. Auch als Sie damals Außenministerin wurden, bestanden zwischen Deutschland und den USA Differenzen bezüglich des militärischen Engagements im Irak. Sehen Sie die Beziehungen heute an einem absoluten Tiefpunkt angelangt, oder haben Sie schon Schlimmeres erlebt?
Es gab schon Zeiten, die mindestens so schwierig waren. Sie haben den Irak angesprochen, aber ich erinnere auch an den Nato-Doppelbeschluss 1979. Unsere Beziehung ist eine Allianz zwischen Demokratien, da ist es nur natürlich, dass wir Dinge hin und wieder unterschiedlich sehen. Die USA verlangen keine Treue oder dass wir alle stets die gleichen Ideen und die gleiche Politik verfolgen. Wir teilen immer noch die gleichen Werte und es bleibt unser gemeinsamer Erfolg, ein auf Freihandel und der Freiheit der Völker beruhendes internationales System geschaffen zu haben.

Welche gemeinsamen Prioritäten sollten wir uns für die kommenden Jahre setzen?
Es gibt einige Fragen, denen wir uns prioritär widmen sollten. Zum einen betrifft dies das anhaltend konfrontative Verhalten Russlands in Europa und gegenüber der Nato, das besorgniserregend ist. Eine konsequente und kohärente Russlandpolitik sollte daher unsere oberste Priorität sein. Zweitens müssen wir auf den aus humanitärer Sicht schon viel zu lange tobenden Krieg in Syrien eine Antwort finden, denn auf Länder wie Jordanien, Libanon, die Türkei und auch auf Europa üben syrische Flüchtlinge weiterhin großen Druck aus. Als Letztes haben wir auch schon mal über ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA gesprochen. Der große Wurf wird bei der derzeitigen Politik kaum möglich sein, dennoch lassen sich eventuell erste Schritte zur Öffnung von Märkten und der Harmonisierung von Standards umsetzen. Wir sollten uns auf kleinere Ziele konzentrieren, um uns daran zu erinnern, wie gut unsere Beziehung eigentlich funktioniert.

Wie lässt sich die deutsche Unterstützung für eine konsequente Russlandpolitik sichern? Die öffentliche Meinung in Deutschland ist oft russlandfreundlicher und viele Deutsche wollen eine Annäherung sehen.
Die Deutschen würden sich über die Art von Einmischung, die wir gesehen haben, Sorgen machen. Die russischen Versuche zur Beeinflussung von Wahlen in unterschiedlichen Ländern zielen direkt in das Herz des demokratischen Prozesses. Wir sollten weiter nach Bereichen schauen, in denen eine Kooperation mit Russland sinnvoll ist und das Land nicht isolieren. Dabei müssen wir jedoch den dunklen Seiten russischer Politik klare Grenzen setzen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es ein Russland jenseits von Putins Politik gibt, wenn wir auf die jungen Menschen in Russland zugehen. Dazu habe ich die Amerikaner ermutigt und ich hoffe, dass Deutsche das auch tun werden.

Allerdings scheint die deutsche Öffentlichkeit nicht vom Sinn größerer Zusammenarbeit beim Handel überzeugt zu sein. Monatelang haben Tausende gegen TTIP protestiert.
Man muss den Menschen zeigen, was der Handel erreicht hat. Das System, das wir geschaffen haben, hat Millionen aus der Armut befreit und gewährt der breiten Masse Zugang zu günstigeren Waren. Der Handel hat Menschen ein besseres Leben ermöglicht und das muss man auch sagen. Trotzdem muss man ebenso schauen, wo der Handel keine Vorteile gebracht hat. Im Falle der USA sind das die Bereiche Bildung und Qualifikationslücken. Soweit ich weiß, haben in Deutschland manche Menschen das Gefühl, dass sie nicht wirklich von der Wiedervereinigung profitiert haben. Dem muss man buchstäblich begegnen und die konkreten Probleme ansprechen. Es hilft nicht, einfach zu sagen, dass Handel die Welt besser macht.

Der große deutsche Handelsüberschuss gegenüber den USA hat sowohl unter der Regierung Obama als auch jetzt unter Trump Unmut hervorgerufen. Belastet diese Frage die Beziehungen?
Handelsbilanzen habe ich nie als gute Grundlage für das Nachdenken über Handelsbeziehungen gesehen. Handelsbilanzen werden meist nicht kontrolliert. Hinter dem deutschen Handelsüberschuss steht eigentlich die hohe deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Und noch was: Ich stamme aus Birmingham, Alabama, wo die Arbeitslosenrate rund fünf Prozent beträgt. Würden Volkswagen und Mercedes in Alabama keine Fahrzeuge fertigen, wäre die Arbeitslosigkeit wesentlich höher. Wir müssen also auch auf die Vorteile schauen, die uns die wirtschaftliche Stärke Deutschlands bietet.

Bei den Geheimdiensten könnten Deutschland und die USA ebenfalls enger kooperieren, aber auch hier ist die deutsche Öffentlichkeit skeptisch. Was sagen Sie dazu?
Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus liegt im Interesse aller Länder – dass Geheimdienste hierfür Informationen teilen und kooperieren, ist essenziell. Ich erinnere mich, wie wir sehr hart mit Deutschland zusammengearbeitet haben, um die sogenannte Hamburger Terrorzelle von al-Qaida zu knacken. Von dieser Art der Zusammenarbeit brauchen wir mehr. Mir sind das Misstrauen und die Bedenken nach den Enthüllungen von Edward Snowden bewusst, aber ich kann ihnen versichern, dass es in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre zwischen den USA und unseren europäischen Verbündeten viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt.

Sie haben einmal gesagt, dass Nordkorea für die US-Außenpolitik die größte Herausforderung ist. Können Deutschland und Europa überhaupt dazu beitragen, dass der Konflikt nicht weiter eskaliert?
Hier geht es um einen internationalen Konflikt, nicht einfach um einen Konflikt zwischen Großmächten. Zwar bleiben die an den Sechs-Parteien-Gesprächen beteiligten Länder die wichtigsten Akteure, aber etwa im Rahmen der UN können Deutschland und die EU das Sanktionsregime unterstützen und zum Beispiel Geheimdienstinformationen über Warenströme auf dem nordkoreanischen Schwarzmarkt beitragen. Zudem können Stimmen von außerhalb der Region in bestimmten Situationen nützlich sein, etwa als Otto Warmbier in Nordkorea verhaftet wurde. Hier sollte sich die ganze Welt einbringen, nicht nur die Großmächte.

In jüngster Zeit haben wichtige Personen in Deutschland, vom Außenminister bis zum Bundespräsidenten, betont, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen müsse. Seitdem hat Deutschland mitunter kurdische Kämpfer im Nordirak ausgerüstet und ausgebildet, eine führende Rolle bei den Minsker Vereinbarungen übernommen und Truppen nach Mali entsandt. Nimmt Deutschland damit endlich die internationale Rolle wahr, die den USA immer schon vorschwebte, oder fühlen Sie sich in das „alte Europa“ zurückversetzt?
(lacht) Ich denke, dass es sehr wichtig ist, dass sich Deutschland jetzt auf diese Weise engagiert. Eine lebendige Demokratie und starke Wirtschaftsnation wie Deutschland muss sich aktiv in die internationale Gemeinschaft einbringen. Ich verstehe den Widerwillen vieler Deutscher, aber die Zeiten, in denen man deutschem Handeln auf internationaler Ebene misstraut hat, sind lange vorbei. Neben den USA müssen auch andere eine internationale Rolle übernehmen. Ich würde mir sogar stärkere bilaterale Beziehungen zwischen unseren Ländern wünschen.

Sollte sich Deutschland stärker an militärischen Operationen beteiligen?
Darüber müssen die Deutschen und nicht Außenstehende entscheiden. Länder haben ihre eigenen Traditionen, Werte und Normen und auf dieser Grundlage entscheiden sie, was angebracht ist. Meiner Meinung nach wird Deutschland jedoch generell eine aktivere Rolle einnehmen, dies muss allerdings die demokratische Debatte in Deutschland entscheiden.

Was würden Sie der deutschen Regierung vor allem empfehlen, um die transatlantischen Beziehungen wiederzubeleben?
Nato. Das Zwei-Prozent-Ziel ist wichtiger als die Zahl zwei Prozent. Es ist nicht nur das Geld, das gebraucht wird, es geht auch um das Signal einer gemeinsamen Verantwortung. Das amerikanische Volk sieht sich in einer Welt, in der es lange Zeit viel Verantwortung übernommen hat und es versteht, dass die USA weiter Verantwortung übernehmen müssen. Aber für die Befürworter einer starken transatlantischen Allianz unter uns und umso mehr für diejenigen, die an ein aktives und engagiertes Amerika glauben, ist es hilfreich, wenn wir sagen können, dass unsere Verbündeten ihren Teil der Last tragen.

Condoleezza Rice war von 2005 bis 2009 US-Außenministerin unter George W. Bush. Sie gehört der Republikanischen Partei an.

Das Interview führte Luise Voget für The Berlin Pulse, die neue außenpolitische Publikation der Körber-Stiftung. Positionen der deutschen öffentlichen Meinung zu den transatlantischen Beziehungen und weitere Artikel finden Sie hier.

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