US-Truppenabzug in Syrien - Sieg der Autokraten

Der US-Truppenabzug aus Syrien legt die Entscheidung über die Zukunft des Landes in die Hände Erdogans, Assads und Putins. Donald Trump lässt mit den Kurden die im Kampf einst wichtigsten Verbündeten fallen

Baschar al-Assad und Wladimir Putin im Mai 2018 / picture alliance
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Markus Bickel ist freier Journalist. Er war jahrelang Nahostkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Ein schöneres Weihnachtsgeschenk hätte Donald Trump seinem syrischen Amtskollegen nicht machen können: Die Ankündigung des US-Präsidenten, sämtliche amerikanischen Truppen aus Syrien abzuziehen, öffnet Baschar al-Assad den Weg, 2019 die letzten noch nicht von Regierungseinheiten kontrollierten Gebiete einzunehmen. Acht Jahre nach den ersten Protesten ist der Diktator in Damaskus seinem obersten Kriegsziel damit so nahe wie seit Beginn des Aufstands im März 2011 nicht: vollständige Kontrolle über Syrien, ohne Rücksicht auf Verluste.

Dabei profitiert Assad vom Einlenken seiner anfangs schärfsten Gegner, der Türkei und den USA. Sowohl die Regierung in Washington unter Barack Obama, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatten nach Beginn der Aufstände in Tunesien und Ägypten auf die jungen Protestbewegungen als Wachablösung für die korrupten arabischen Gerontokratien gesetzt – inklusive der islamistischen Muslimbruderschaft. Erdogan gewährte den Deserteuren der Freien Syrischen Armee Rückzugsräume im türkischen Grenzgebiet, über Jordanien sicherte die CIA den syrischen Aufständischen den Nachschub an Waffen.

Assads Handeln hatte keine ernsten Konsequenzen

Doch die Wette ging nicht auf. Spätestens mit der Entscheidung Obamas, den Giftgasangriff auf Oppositionsviertel in Damaskus im Sommer 2013 nicht durch Luftangriffe zu bestrafen, war Assad klar, dass er einen gewaltsamen Regimewechsel nicht zu fürchten brauche. Dem schleichenden Rückzug der USA als Ordnungsmacht in Nahost folgte der forsche Eintritt Russlands in den Konflikt – und der Aufbau einer Truppenpräsenz, die den Einfluss Präsident Wladimir Putins auf die Neuordnung Syriens über Jahre garantiert.

Den unmittelbaren Preis für den nun verkündeten amerikanischen Rückzug zahlen als erstes Syriens Kurden. Und das, obwohl die Milizionäre der Volksverteidigungseinheiten YPG die wichtigsten amerikanischen Verbündeten im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bildeten. Doch auch das zählt für Trump nicht mehr: Offenbar ist es Erdogan gelungen, ihn von seiner Sichtweise zu überzeugen, dass die Milizen an der Südflanke der Türkei nichts weiter als Handlanger der  kurdischen Arbeiterpartei PKK seien – und damit Terroristen.

Türkische Profiteure, kurdische Verlierer

Einem Einmarsch türkischer Truppen in die einst von amerikanischen Kampffliegern vom IS befreiten Orte im Norden Syriens wie Kobane steht nach Trumps Beschluss nun nichts mehr im Wege. Sollte es im kommenden Jahr zu ernsthaften Friedensverhandlungen kommen, dürfte sich Erdogan die Rückgabe der Kontrolle über die nordsyrischen Gebiete an Assad teuer bezahlen lassen: Dauerhafter türkischer Einfluss auch auf die Handelsmetropole Aleppo ist ihm de facto garantiert.

Am Ende des achten Kriegsjahrs steht die Entscheidung Trumps symbolisch für den Sieg jener Kräfte, gegen die die syrischen Aufständischen einst angetreten waren: Nicht Zivilgesellschaft und entrechtete Landarbeiter, sondern die autoritären Herrscher in Damaskus, Ankara und Moskau werden über die Zukunft des Landes bestimmen. Mit freundlicher Zustimmung des Antidemokraten in Washington.

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