US-Sonderermittler Robert Mueller - Der Angreifer

Er könnte am Ende den amerikanischen Präsidenten zu Fall bringen: Sonderermittler Robert S. Mueller geht mit vollem Einsatz den Russlandkontakten des Trump-Teams nach

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Sonderermittler Robert Mueller hält das Schicksal Donald Trumps in der Hand / picture alliance
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Ansgar Graw ist Amerikakorrespondent der Tageszeitung Die Welt

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Wäre das politische Washington jenes Eishockeyteam, in dem er während seines Studiums in Princeton brillierte, würde er als Center im Sturm den Puck ins gegnerische Tor zu hämmern versuchen: Mit der Aggressivität eines Goalgetters verfolgt Sonderermittler Robert S. Mueller sämtliche Hinweise auf Russlandverbindungen des Wahlkampfteams von Donald Trump und „andere Themen, die sich durch diese Untersuchung ergeben könnten“. Dass er dabei ins Zentrum vorstoßen möchte, zeigte Mueller durch die Einsetzung einer Grandjury. Sie kann Zeugen befragen, Unterlagen verlangen und letztlich entscheiden, ob Anklage erhoben wird. Hausdurchsuchungen ließ Mueller bereits bei Paul Manafort durchführen, dem kurzzeitigen Wahlkampfmanager Trumps mit engen finanziellen Drähten zu russischen und ukrainischen Oligarchen.

„Ich habe Untersuchungen immer geliebt“, sagt Mueller, der in den 1990er-Jahren als Leiter der Strafrechtsabteilung im Justizministerium zuständig war für Fälle wie den des panamaischen Machthabers und Drogendealers Manuel Noriega oder des New Yorker Mafiapaten John Gotti. 

Ein Mann für alle Fälle

Am 4. September 2001 machte Präsident George W. Bush den Juristen und Politikwissenschaftler zum Chef des FBI. Exakt eine Woche später jagten Al-Qaida-Terroristen Flugzeuge in das World Trade Center und das Pentagon. Der Urur­enkel eines deutschen Einwanderers aus Pommern musste neben der Suche nach den Hintermännern die US-Bundespolizeibehörde ganz neu organisieren, die versagt hatte bei der Kooperation mit der CIA und der Auswertung vorliegender Hinweise auf die Attacken. Mueller erwarb sich in dieser Zeit einen Ruf als harter Boss und bekam das FBI so gut in den Griff, dass Barack Obama ihn bat, über die obligatorischen zehn Jahre hinaus weiterzumachen. Er blieb bis 2013.

Spätestens 1968 wurde klar, dass Mueller niemanden schont, sich selbst auch nicht. Als andere Männer aus den besseren Schichten Wege fanden, um sich vor dem Kriegsdienst zu drücken, meldete sich der Großbürger Robert Swan Mueller III freiwillig für den Vietnam­einsatz. Er befehligte einen Schützenzug und wurde mit dem Bronze Star (für die Teilnahme an Kampfeinsätzen) und dem Purple Heart (für Verwundungen im Kampf) ausgezeichnet. Zum Vergleich: Trump, dem er jetzt nachstellt, kam an Vietnam vorbei durch einen vom Hausarzt attestierten Fersensporn, der ihn gleichwohl nicht am regelmäßigen Sport hinderte und so ferne Vergangenheit ist, dass der heutige Präsident gar nicht mehr weiß, an welchem Fuß er diese Verknöcherung verspürt haben will.
Ins Licht der Weltmedien rückte ­Mueller im Mai dieses Jahres. Da ernannte Rod Rosenstein, der stellvertretende Justizminister, den Vater zweier erwachsener Kinder zum Sonderermittler in Sachen Moskau-Verbindungen in Trumps Umfeld. Zuvor hatte Trump James B. ­Comey, FBI-Chef seit 2013 als Nachfolger Muellers, gefeuert und in Interviews kein Geheimnis daraus gemacht, dass ihm die Russlandermittlungen des FBI gegen den Strich gingen. Weil der damalige Senator und heutige Justizminister Jeff Sessions im Wahlkampf zwei Begegnungen mit dem seinerzeitigen Botschafter Moskaus in Washington hatte, zog er sich, zum Verdruss des Präsidenten, aus den Ermittlungen heraus und überließ das Feld seinem Vize Rosenstein.

Der größte Fisch 

Fast 20 Ermittler und Anwälte stehen Mueller bei seiner Arbeit zur Seite. Zu ihnen gehören Staatsanwalt Michael Dreeben, der bereits 100 Fälle vor dem Supreme Court vertreten hat, und Greg Anders, Experte für Geldwäsche und internationale Korruption. 
Auch Trump selbst ist im Visier. Mitte der 1990er-Jahre war er mit über 900 Millionen Dollar verschuldet. Stammten die Gelder, die seinen Konzern retteten, allesamt aus sauberen Quellen? Bekannt ist, dass im New Yorker Trump Tower in dieser Zeit hochkriminelle Russen residierten.

Alle politischen Lager in Washington bescheinigen Mueller Integrität – mit Ausnahme des Präsidenten, der sich wiederholt über die „politische Hexenjagd“ gegen seine Person beklagt hat und erkennbar immer wieder mit dem Gedanken spielt, auch diesen Ermittler zu entlassen. Demokraten und Republikaner im Kongress arbeiten derzeit an Gesetzen, um eine solche Obstruktion justizieller Ermittlungen zu verhindern. Doch selbst eine Entlassung würde Trumps Probleme nicht lösen. Muellers Verhältnis zum neuen FBI-Chef Christopher Wray gilt als „professionell“. Mitarbeiter der Behörde erwarten, dass die beiden Männer „gut zusammenarbeiten werden“. So bleibt für den Präsidenten, der so gern nach vorne prescht, im imaginären Washingtoner Footballmatch derzeit nur die Rolle des Defensive Lineman, der die Abwehr zu halten versucht. Und die Spielzeit ist noch längst nicht vorüber.

 

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