US-Präsident in Deutschland - Goodbye, Obama!

Der scheidende US-Präsident Barack Obama ist auf Abschiedsbesuch in Deutschland. Der Friedensnobelpreisträger war gewiss kein Heiliger. Doch wir werden ihn noch zu schätzen wissen, wenn sein Nachfolger Donald Trump an der Macht ist

Obama auf Abschiedstournee in Europa / picture alliance
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Autoreninfo

Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Es war einmal ein mächtiger Mann, der lebte in einem fernen Land in einem schönen Weißen Haus. Und obwohl er ganz, ganz viele Soldaten hatte, wollte er doch viel lieber, dass sie nicht ständig überall auf der Welt Krieg führten. Er wollte, dass die Welt in Frieden lebte, und weil das so war, kriegte er auch schon ganz früh einen sehr respektablen Preis, den ein nobler Mann in Schweden einst erfunden hatte. Aber irgendwie war es der Welt auch wieder nicht recht.

Und jetzt ist der mächtige Mann zu uns gekommen, um Abschied zu nehmen, und wir fragen uns, was er uns bedeutet hat.

Ach, Sie kennen ihn? Sie glauben, es könnte sich um Barack Obama handeln? Richtig! Er hätte tatsächlich der Deutschen Märchenprinz sein können. Denn, seien wir ehrlich, wir wollen doch eigentlich genau das, was dieser Präsident zu verkörpern versuchte: Nach George W. Bush und seinem desaströsen Irakkrieg wollten wir endlich ein Amerika, das sich nicht ständig überall militärisch einmischt.

Diplomatie statt Intervention

Wenn es einen Kern der Außenpolitik Obamas gibt, dann hat er ihn vor den Soldaten einer US-Militärakademie einmal so beschrieben: Nur weil wir den größten Hammer besitzen, ist nicht gleich jedes Problem ein Nagel. Mit anderen Worten: Wir müssen nicht überall gleich militärisch draufschlagen.

Auch in seiner Athener Rede hat Obama das mit anderen Worten noch einmal wiederholt. „Und so glaube ich, dass Demokratien Konflikte zwischen Nationen eher auf eine Weise lösen, die nicht zum Krieg führen.“ Mit den Mitteln der Diplomatie, „und ohne einen Schuss abzufeuern“, habe man den Nukleardeal mit dem Iran erreicht, die Beziehungen zu Kuba wieder aufgenommen und zusammen mit 200 Nationen das Klimaschutzabkommen verabschiedet.

Ja, was wollten wir von diesem Präsidenten eigentlich noch mehr? Krieg verhindern, Diplomatie zur Konfliktprävention nutzen, das Weltklima retten! Das hätte auch unser neuer Bundespräsidentenkandidat der Herzen, Frank-Walter Steinmeier, nicht schöner sagen können.

Licht und Schatten

Sehen wir uns seine übrigen Botschaften in Athen an: Europa erhalten, Gleichheit der Rassen, Hilfe für Flüchtlinge. Eine sozialere Welt, in der die Bosse und Eliten sich nicht immer weiter von den abgehängten Bürgern entfernen, in der die materielle Ungleichheit nicht immer größer wird. Ihnen eine Stimme geben, sie mitnehmen. Ja, Sahra Wagenknecht, reicht das nicht für eine Ehrenmitgliedschaft bei der Linken?

Erst jetzt, da Donald Trump vieles davon infrage stellt, wird uns klar, was dieser Barack Obama in seinen acht Jahren im Weißen Haus bewirkt hat. 

Dieser Friedensnobelpreisträger war gewiss kein Heiliger. Das kann niemand sein, der als Präsident die Weltmacht Amerika anführt. Er hat im Kampf gegen den Terror weit mehr Drohnenangriffe fliegen lassen als sein Vorgänger Bush, er hat die Konfrontation mit Russlands Präsident Wladimir Putin in der Ukrainekrise aufgenommen und die US-Streitkräfte in Europa verstärkt. Und doch hat er auch immer wieder den Kontakt zu Putin gesucht.

Seine Außenpolitik rief Kritik hervor

Er hat gerade uns Deutschen und unserer Regierung mehr vertraut als sonst jemandem in Europa. Es war ihm klar, dass man in Berlin immer beides wollte: klare Haltung zeigen aus einer Position der Stärke heraus, und zugleich den Dialog suchen – das war auch sein Programm. Er hat trotz NSA-Handy-Überwachungsärger eine Nähe zu Angela Merkel gefunden, deren Bedeutung man erst dann so richtig wertschätzen wird, wenn er in wenigen Wochen das Weiße Haus verlässt und Platz für den unberechenbaren Donald Trump machen muss. Dass er sich so viel Zeit für seinen Abschied in Berlin nimmt, ist kein Zufall.

Und dennoch gibt es hierzulande eine übellaunige Gemengelage, die von links bis rechts reicht und auch bei den ach so feinsinnigen Eliten gerne diskutiert wird. Auch unter diesem Präsidenten hat der Anti-Amerikanismus keineswegs abgenommen, mit dem Freihandelsabkommen TTIP als Katalysator. Und natürlich: Obama sei ein Zauderer, urteilen gerade diejenigen, die sich für Außenpolitik-Experten halten. Er habe in Syrien nicht rechtzeitig draufgehauen, habe zugelassen, dass der Mittlere Osten im Chaos versinkt. Er habe seine Soldaten zu früh abgezogen, habe ein Machtvakuum in der Welt entstehen lassen.

Er konnte es nicht allen recht machen

Wie hätten wir es denn gerne? Die Amerikaner bringen das Dilemma auf eine griffige Formel: „You are damned if you do, you are damned if you don‘t.“ Die Weltmacht Amerika kann es der Welt nicht recht machen und Obama konnte es auch nicht.

Wenn am 20. Januar 2017 Donald Trump vor der mächtigen Kulisse des US-Kongresses seine Hand zum Schwur erhebt, um seinen Amtseid als 45. Präsident der USA abzulegen, dann wird vielen in diesem Land klar werden:

Wir werden Barack Obama noch sehr vermissen.

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