Türkei als Terrorunterstützer? - Eiertanz um ein „Büroversehen“

Es ist ein unerhörter Vorgang: Die Bundesregierung lässt durchsickern, dass sie einen engen Nato-Partner für einen Unterstützer des Terrors hält. Bei einer Pressekonferenz gingen den Ministeriumssprechern die Worte aus

Hat die Türkei islamistische Gruppierungen unterstützt? / picture alliance
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Es war der Aufreger des Tages: Die Regierung erklärt sich in einer Pressekonferenz zum Thema „Die Türkei als Terrorunterstützer“. Tatsächlich lassen sich die 62 Minuten wie folgt zusammenfassen – viel Eiertanz und weiße Salbe.

Der Reihe nach: Es sei „schlichtweg“ ein „Büroversehen“ gewesen, dass ein untergeordneter Mitarbeiter das Auswärtige Amt nicht über das brisante Schreiben unterrichtet hat, sagte der Sprecher des Innenministers. Und: „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“. Das sei aber nun mit dem AA geklärt. Das sah dann auch die AA-Sprecherin so, die dem „nichts hinzuzufügen“ hatte. Also, das AA ist fein raus, alles abgehakt, keine fetten Schlagzeilen mehr über das tiefe Zerwürfnis in der Regierung.

Fragen bleiben unbeantwortet

Ein „Spiegel“-Kollege wollte wissen: Steht die Bundesregierung weiterhin hinter ihrer Antwort auf die Anfrage der Linken, die ja schwere Vorwürfe sogar gegen Präsident Erdogan persönlich als Terrorunterstützer enthielt? Regierungssprecher Seibert ließ diese Frage einfach unbeantwortet.

In dieser Pressekonferenz bügelte man viele Fragen ganz einfach ab, da Teile des Schreibens des Bundesinnenministeriums an die Abgeordnete doch als Verschlusssache gestempelt gewesen seien. Deshalb, leider, leider könne und dürfe man dazu doch nichts sagen.

Was man aber sehr gerne und auch ganz ausführlich aufsagen wollte war, was für ein ganz wichtiger, ja ganz besonderer Partner die Türkei doch sei. Schon wegen der dreieinhalb Millionen türkischstämmiger Mitbürger bei uns. Natürlich sei das Land auch „der wichtigste Partner in der Region bei der Bekämpfung des Islamischen Staates“. Die Türkei sei doch selber Opfer des islamistischen Terrors. Deswegen müsse man ganz „eng und vertrauensvoll“ mit dem Land zusammenarbeiten. Die Türkei, sozusagen nochmals zum Mitschreiben, sei „Partner“ bei der Lösung.

Flüchtlingsdeal nicht in Gefahr

Also ganz viel weiße Salbe für die aufgeregten Adressaten in Ankara. Die AA-Sprecherin sagte dann auch noch, man gehe davon aus, dass das hier und heute Gesagte in der Türkei auch zur Kenntnis genommen werde.

Und, klar, am Flüchtlingsabkommen wird nicht gerüttelt. Weder „Deutschland noch Europa“ wollen das „sinnvolle Abkommen“ infrage stellen.

Sozusagen beim Kleingedruckten konnte man bei ganz genauem Hinhören mitbekommen, dass doch nicht alles ganz so toll ist. Neue Kapitel zu den EU-Beitrittsverhandlungen wolle man nicht eröffnen, das nicht, sagte Steffen Seibert, wohl wissend, dass er da nichts wirklich Neues sagt. Und der Mann vom Innenministerium sagte, man habe in seinem Haus zum Thema Türkei eigentlich keine Expertise, die kam ja von außen, sprich, vom Bundesnachrichtendienst, aber man sei bei den Vorwürfen an Ankara natürlich auch nicht „naiv“. Die AA-Sprecherin sagte gleich mehrfach, das Auswärtige Amt mache sich die Aussagen in der Berichterstattung „in dieser Pauschalität“ nicht zu eigen, was die Möglichkeit offen lässt, dass es im offiziellen Regierungspapier eben doch auch Wahres geben könnte, aber, siehe oben, das ist ja alles vertraulich.

Der BND ist jetzt „der Schuldige“

Weil es eigentlich vom BND kam, was da Schlimmes über Erdogan verbreitet wurde, der bekanntlich dem Kanzleramt untersteht, musste Steffen Seibert dann doch irgendwann einräumen, auch das Kanzleramt habe eine Rolle als Zuträger zu dem strittigen Schreiben gehabt.

Und damit ist eigentlich klar, wer der Buhmann, wieder einmal, in dieser Affäre ist: der Bundesnachrichtendienst.

Jedem, der sich etwas mit der Situation im Mittleren Osten auskennt, fällt auf, dass in dem Regierungsschreiben an die Linke eigentlich nicht viel Neues drin steht. Dass Erdogan eine große Nähe zur Muslimbruderschaft in Ägypten und zur Hamas im Gazastreifen hat, ist wahrlich keine Neuigkeit. Und dass die Türkei Waffen an radikal-islamistische Oppositionsgruppen gegen Assad geliefert hat, inzwischen auch nicht mehr. Dass die Türkei lange das Haupttransitland für IS-Kämpfer aus Europa war, ist ebenfalls kein Geheimnis. Und dass von den rund 800 aus Deutschland ausgereisten Daesh-Anhängern jeder vierte türkisch oder türkischstämmig ist, passte als Nachricht ausgerechnet heute auch in dieses Thema.

Fazit also: Dementiert worden ist heute von diesen Vorwürfen eigentlich nichts. Nur es so deutlich sagen, das ging nun mal nicht. Schließlich war das Schreiben der Regierung an die Abgeordneten nun mal vertraulich.

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