Trump und der Nahe Osten - Die Ampel steht auf dunkelrot

Donald Trump möchte die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Dem ohnehin zerrütteten Friedensprozess drohen so weitere Erschütterungen, denn ebenso wie die Israelis beanspruchen auch die Palästinenser Jerusalem für sich als Hauptstadt

Jerusalem kann zum Zünglein an der Waage beim Friedensprozess zwischen Israel und Palästina werden / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

So erreichen Sie Werner Sonne:

Anzeige

Wenn am Freitag Donald Trump vor dem Kapitol die Hand zum Schwur hebt und der 45. Präsident der Vereinigten Staaten sein wird, dann wird das in kaum einem anderen Regierungssitz so gefeiert werden wie in Jerusalem. Endlich, so wird sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu denken, ist er diesen verhassten Barack Obama los. Obama, der Albtraum, der Mann, der zum Abschied vor wenigen Tagen in den Vereinten Nationen zuließ, dass die USA sich enthielten und nicht etwa ein Veto einlegten, als es um die Verurteilung des Staates der Juden wegen der Siedlungspolitik ging – ein ganz und gar unerhörter, beispielloser Vorgang aus Sicht des rechten Regierungslagers in Israel.

Obama, der mit seinem Außenminister John Kerry 2014 sieben Monate lang intensiv versucht hatte, eine Zwei-Staaten-Lösung durchzusetzen – jetzt wird er endlich Geschichte sein. Denn nun kommt Donald Trump und der hat bereits ein Zeichen gesetzt, indem er David Friedman zum neuen US-amerikanischen Botschafter ernennt in – ja, wo eigentlich? In Tel Aviv, wo sich bisher die US-Botschaft befindet, oder tatsächlich in Jerusalem?

Trump provoziert diplomatischen Bruch

Angekündigt hat Trump jedenfalls, dass er umgehend die US-Botschaft nach Jerusalem verlegen wird. Nun muss man wissen, dass andere Präsidentschaftskandidaten vor ihm das auch schon versprochen haben, um es dann doch nicht umzusetzen. Nimmt man Trump beim Wort, dann ist er bereit, einen massiven Bruch internationaler diplomatischer Gepflogenheiten seit Bestehen des Staates Israel zu vollziehen. Der Status von Jerusalem ist international weiter offen, sowohl Israel als auch die Palästinenser erheben Ansprüche auf die heilige Stadt von drei Weltreligionen. Die Palästinenser wollen den Ostteil der Stadt zu ihrer Hauptstadt eines eigenen Staates machen. 

Israel hat natürlich längst Fakten geschaffen und den größten Teil der Ministerien sowie das Parlament nach Jerusalem verlegt. Das Verteidigungsministerium hat jedoch weiterhin seinen Sitz in Tel Aviv. Die Verlegung der US-Botschaft hat daher eine grundsätzliche Bedeutung: Sie würde die israelischen Ansprüche zementieren und als einseitige Parteinahme der USA im Nahost-Konflikt verstanden werden.

US-Botschafter Traumkandidat der israelischen Rechten

Da passt die Wahl des neuen US-Botschafters David Friedman nahtlos ins Bild. Friedman ist kein Karrierediplomat, er wurde von Trump demonstrativ ausgesucht. Seine bisherige Funktion ist praktisch Programm dafür, wohin die Reise gehen soll. Er ist der Präsident der Spendensammelorganisation Bet El. Seine Rhetorik ist eindeutig: Obama ist für ihn ein Antisemit. Amerikanische Juden, die Israels Siedlungspolitik kritisieren, sind schlimmer als „Kapos“, wie die Nazi-Hilfskräfte in den  KZs genannt wurden. Bet El ist eine jüdische Siedlung vor den Toren Ramallahs, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, und gilt als besonders provokativ in dem eh schon schwelenden Siedlungsbau-Konflikt.

Friedman ist somit der Traumkandidat der israelischen Rechten, die derzeit ziemlich fest im Regierungssattel sitzt. Jetzt, so ist die Erwartung in diesem Lager, sind die Zeiten der Unsicherheit endlich vorbei. Nun kann man ungestört daran gehen, die Siedlungen noch weiter auszubauen und das eigentliche Ziel umsetzen: Auf der Westbank absolut unumkehrbare Fakten zu schaffen mit der klaren Absicht, sich des besetzten Gebietes zu bemächtigen. Dieses biblische Gebiet endgültig dem Staat Israel zuzuschlagen und eine Zwei-Staaten-Lösung für immer zu zerstören.

Friedensprozess ad acta gelegt

Da mögen die Schreihälse der internationalen Gemeinschaft, darunter die Deutschen, wie jüngst bei der Pariser Nahost-Konferenz, sich aufregen wie sie wollen. Nach dem Ausscheiden des Störenfriedes Obama ist das ziemlich egal. Mit den Republikanern in beiden Häusern des US-Kongresses mit einer Mehrheit ausgestattet und Trump im Weißen Haus – wer soll da diejenigen Kräfte noch aufhalten, die den Friedensprozess ad acta legen wollen?

Wie bei allem, was Trump auf Twitter oder sonst wo ankündigt, wird man freilich sehen müssen, was in der Realität dann tatsächlich passieren wird.  Sein künftiger Verteidigungsminister James Mattis zum Beispiel hat bei seiner Anhörung schon angekündigt, dass er die US-Botschaft auch weiterhin in Tel Aviv sieht. Donald Trump wird sich fragen müssen, ob er mit solch diplomatischen Schritten im hochexplosiven Nahen Osten sich einfach über die arabische Welt hinwegsetzen kann, für die die Jerusalem-Frage – die Stadt ist auch eine der wichtigsten heiligen Stätten des Islam – eine hochsensible symbolische Bedeutung hat.

Trump gegen Iran-Deal

Auch der Umgang mit dem Iran-Atomabkommen gehört in diesen Zusammenhang. Für Trump ist er der schlechteste Deal aller Zeiten, der zerrissen gehört. Hier würde Benjamin Netanjahu erst recht triumphieren. Auch haben seine wichtigsten zukünftigen Minister für die Außen- und Sicherheitspolitik, Rex Tillerson und James Mattis, zu erkennen gegeben, dass sie gegen eine Aufkündigung dieses Abkommens sind, das den nuklearen Ambitionen Teherans für die nächsten zehn Jahre einen Riegel vorschiebt. Trump selbst eierte jetzt in seinem Bild-Interview herum und sagte, er wolle sich da nicht in die Karten schauen lassen.

Nicht nur Europa, China und die Nato, auch Israel muss sich also darauf einstellen, dass sich in Washington noch manches legen wird. Das ist an für sich nichts Ungewöhnliches: Bis die neue US-Regierung Tritt gefasst hat, die die Machtstrukturen fast völlig austauschen möchte, dauert es. Trump hat schon einmal angekündigt, dass er dennoch für eine Friedenslösung im Nahen Osten ist – was auch immer das bedeuten soll. Sein Schwiegersohn Jared Kushner, der aus einer orthodox jüdischen Familie kommt, soll sich in Zukunft verstärkt darum kümmern.

Düstere Aussichten

Aber man darf sich keine Illusionen machen: Die Friedenspozess-Ampel steht im Augenblick auf dunkelrot. Die Palästinenser mögen zwar in der breiten Weltöffentlichkeit an Zustimmung gewinnen, das sind aber nur Scheinerfolge. PLO-Präsident Mahmud Abbas ist ein schwacher Vertreter der Palästinenser, der in Wirklichkeit ängstlich an einer engen Sicherheitskooperation mit Israel festhält. Angesichts der radikal-islamischen Kräfte, die auch in der Westbank zunehmend Anhänger gewinnen, sichert die Kooperation Abbas politisch das Überleben. 

Die immer wieder versprochenen Wahlen werden genauso oft verschoben, wie der längst überfällige Wechsel an der politischen Spitze. Abbas nährt lediglich Illusionen, etwa das Rückkehrrecht der Palästinenser in ihre alte Heimat. Er wagt als Präsident bis heute nicht, den Palästinensern einige notwendige Wahrheiten zu sagen. Währenddessen verlieren die jungen Palästinenser den Glauben in eine Zukunft, die auch ihnen eine Perspektive bietet, und die ohnehin fragile Machtbasis der PLO erodiert weiter.

Eine Lösung ist nicht in Sicht: Die bisherigen Ankündigungen und Versprechen von Donald Trump deuten eher auf eine Verhärtung der Positionen. So fällt es zunehmend schwer, Israels Gründervater David Ben Gurion zu zitieren, der einmal gesagt hat: „Wer im Nahen Osten nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist.“

Anzeige