Saudi-Arabien - „Ist das Königreich Partner oder Problem?“

Die Beziehung zwischen Saudi-Arabien und Deutschland verschlechtert sich. Doch gerade nach der Aufkündigung des Iran-Deals sollte Deutschland das Gespräch mit Kronprinz Muhammed bin Salman suchen, findet Politologe Sebastian Sons

Kronprinz Muhammad bin Salman (links) wirbt derzeit im Westen um Anerkennung und Geschäftsaufträge / picture alliance
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Ramon Schack ist Journalist und Buchautor mit Sitz in Berlin. Zuletzt erschienen seine Bücher „Neukölln ist nirgendwo“ und „Begegnungen mit Peter Scholl-Latour“.

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Saudi-Arabien – ein mindestens zwiespältiger Verbündeter des Westens, in einer an allen Ecken und Enden lodernden Region. „Stabilitätsanker“? „Leuchtturm der Demokratie“? Mitnichten. Immerhin geht es mit den Geschäften und Kursen der Waffenhersteller steil nach oben, deren zuverlässigster Abnehmer das wahhabitische Königreich ist. Der Wahhabismus ist die Grundlage des politischen Systems. Jeder, der vom Status quo profitiert, wird sich um dieses System scharen, falls es von außen angetastet wird. Den Vereinigten Staaten bleibt keine andere Wahl, als die fälligen demokratischen Reformen im Irak und in Saudi-Arabien energisch voranzutreiben. Doch jeder Versuch, eine liberale politische Ordnung zu schaffen, wird zusätzlichen Disput auslösen. Die antiamerikanische Stimmung würde angeheizt. Bei seinem Bemühen, die Demokratie im Mittleren Osten zu fördern, wird Washington wieder einmal feststellen müssen, dass seine engsten arabischen Verbündeten gleichzeitig seine erbittertsten Feinde sind. Und wie schaut es mit den deutsch-saudischen Beziehungen aus? Darüber sprach Cicero Online mit Sebastian Sons. Er ist Saudi-Arabien-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Autor des Buches „Auf Sand gebaut-Saudi-Arabien ein problematischer Verbündeter“. 

Herr Sons, seit Monaten bringt Riad seine Verärgerung über Berlin dadurch zum Ausdruck, dass das Amt des saudischen Botschafters seit November vergangenes Jahres unbesetzt bleibt. Was sind die Hintergründe für diese Verärgerung?
Konkreter Auslöser den saudischen Botschafter abzuziehen, waren die Äußerungen des damaligen deutschen Außenministers Sigmar Gabriel 2017 zum zwischenzeitlichen Rücktritt des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri. Gabriel warf bestimmten Regionalmächten vor, „Abenteurertum“ zu betreiben. Auch wenn er Saudi-Arabien damals nicht explizit nannte, war doch jedem klar, dass er auf die Vermutungen anspielte, Hariri sei auf Druck Riads zurückgetreten. 

Insgesamt 800 deutsche Firmen sind im Königreich aktiv. 2017 betrugen die deutschen Exporte nach Saudi-Arabien 6,6 Milliarden Euro. Wie gefährlich ist diese Wut der Wahhabiten für die deutsche Wirtschaft?
Deutsche Unternehmen sind besorgt. Saudi-Arabien ist ohne Frage ein wichtiger Markt für deutsche Großunternehmen, zumal der angekündigte Liberalisierungskurs der saudischen Wirtschaft auch deutschen Firmen neue Geschäftsmöglichkeiten ermöglichen kann. Daher hoffen viele der betroffenen Unternehmen auf eine rasche Beilegung der Krise. 

Frankreichs Präsident Macron bestätigte versehentlich in einem Interview, dass der libanesische Premierminister Saad Hariri Ende vergangenes Jahres gegen seinen Willen in Riad festgehalten wurde. Kann Riad es sich leisten, auch Frankreich mit einem ähnlichen ökonomischen Bann zu belegen, wie Deutschland?
Ich glaube nicht, dass Saudi-Arabien den nächsten seiner wichtigen Handelspartner verprellen möchte. Allerdings sind die Äußerungen Macrons, ob unabsichtlich oder nicht, ein Problem für die Charmeoffensive des saudischen Kronprinzen Muhammad bin Salman. Der hat in den vergangenen Wochen nicht nur in Paris, sondern auch in London und vor allem in Washington um Anerkennung und Geschäftsaufträge geworben. Um erfolgreich zu sein, braucht er ausländische Investoren, die seine Transformation der saudischen Wirtschaft unterstützten. 

Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer bezeichnet die Beziehung zwischen Washington und Riad als „Sleeping with the Devil“. Teilen Sie diese Einschätzung? 
Saudi-Arabien hat in den vergangenen Jahrzehnten den Wahhabismus in der ganzen Welt verbreitet und auch jihadistische Gruppierungen unterstützt. Allerdings hat das saudische Königshaus bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 begonnen, dubiose Stiftungen zu schließen und die Finanzierung solcher Strömungen deutlich reduziert. Der Kronprinz betont außerdem immer wieder, eine Rückkehr zum „moderaten Islam“ anzustreben und Extremismus bekämpfen zu wollen. Ob dies allerdings ein ernstgemeinter Versuch ist, den Wahhabismus reformieren zu wollen, bleibt zweifelhaft. Vielmehr intensiviert Saudi-Arabien die Sicherheitsmaßnahmen, um terroristische Anschläge im eigenen Land zu verhindern. 

In Ihrem Buch, „Auf Sand gebaut“ beschreiben Sie, dass unsere engen Beziehungen zu Saudi-Arabien als eines der Hauptprobleme unserer Außenpolitik. Ist die aktuelle Situation nicht auch eine Chance, um unsere engen Beziehungen zu Riad neu zu definieren?  
In dieser Krise liegt auch eine Chance. So sehen es meine saudischen Gesprächspartner. Die deutsche Politik muss sich aber endlich mit der Frage nach einer glaubwürdigen Strategie beschäftigen. Ist das Königreich Partner oder Problem? Da Saudi-Arabien der wichtigste arabische Regionalakteur ist, müssen wir mit dem Königreich zusammenarbeiten – ob wir wollen oder nicht. Doch dazu sollten klare Interessen und Instrumente formuliert werden. Und Deutschland sollte wissen, dass Saudi-Arabien derzeit keinen Wert auf eine intensive Partnerschaft legt. 

Wie bewerten Sie die enge Beziehung Donald Trumps mit Saudi-Arabien?
Saudi-Arabien und die Trump-Administration teilen vor allem gegenüber dem gemeinsamen Feind Iran einen „Alles-oder-nichts“-Ansatz. Muhammad bin Salman fühlt sich von Trumps Aufkündigung des Nuklearabkommens in diesem Vorgehen bestärkt. Dies wird die Lage in der Region weiter destabilisieren und den iranisch-saudischen Konflikt anheizen.

Angela Merkel hat die deutsch-saudischen Beziehungen zur „Chefsache“ erklärt. Was erwarten Sie von diesem Schritt?
Meiner Ansicht nach muss die Bundesregierung eine Verbesserung der Beziehungen zu Saudi-Arabien anstreben. Dabei sollte die Kanzlerin allerdings keineswegs nur nachgeben, sondern stattdessen offen und mit klarer Position die deutsche Haltung deutlich machen. Gerade nach der Aufkündigung des Nuklearabkommens durch Donald Trump sollte Deutschland mit Saudi-Arabien das Gespräch suchen. Immerhin ist das Königreich ein Befürworter dieser Entscheidung. Hier kann Deutschland versuchen, mäßigend einzuwirken.

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