„Säbelrasseln“ gegen Russland - Herr Steinmeier, danke für dieses klare Wort

Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird nach seiner Warnung vor einem „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ gegenüber Russland heftig kritisiert. Dabei ist sein Satz nicht nur richtig, sondern auch überfällig. Ein Gastbeitrag von Frank Elbe, Ex-Botschafter in Polen und Redenschreiber Genschers

Frank-Walter Steinmeier warnt vor „Säbelrasseln und Kriegsgeheul“ gegen Russland / picture alliance
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Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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Säbelrasseln! Das Wort ist endlich einmal ausgesprochen worden. Nicht von irgendjemandem, sondern von dem für die deutsche Sicherheitspolitik zuständigen Mitglied der Bundesregierung. Außenminister Steinmeier mahnt in der Krise mit Russland ungewöhnlich klar den Primat der Politik gegenüber dem Militär – und möglicherweise auch gegenüber der Verteidigungsministerin an. Der Bild am Sonntag sagte er: „Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen. Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt.“

Das kommt alles etwas spät, aber immer noch rechtzeitig. Bereits im August 2014 hatte William Pfaff, einer der scharfsinnigsten amerikanischen Kommentatoren, den Vereinigten Staaten vorgehalten, die Ukrainekrise durch den von ihnen veranlassten Putsch begonnen zu haben und dass er es nicht für unvorstellbar halte, dass diese in einem Krieg enden könne.

Sehr später Weckruf von Frank-Walter Steinmeier

Es ist die Aufgabe der Politik, das friedliche Zusammenleben der Völker zu fördern und Kriege zu verhindern. Das ist in Deutschland eine unmittelbare, jedermann bindende verfassungsrechtliche Verpflichtung. Wenn sie zu diesem Zweck Verhandlungen zur Beilegung einer Krise führt, hat sich die militärische Seite zu mäßigen. Parallele militärische Operationen mit demonstrativem Charakter können politische Ziele gefährden. Aus dem Arbeitsrecht kennen wir: bei Verhandlungen zur Abwendung eines Streiks herrscht Friedenspflicht.

Frank-Walter Steinmeiers sehr später Weckruf will eine seit Jahrzehnten bestehende Ordnung wiederherstellen. Es ist eine Rückbesinnung auf das „höchste politische Ziel der nordatlantischen Allianz, eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung zu schaffen“, wobei das Bündnis eine Doppelstrategie von „ausreichender militärischer Sicherheit“ und einer Politik der Entspannung, Zusammenarbeit und Abrüstung verfolgt. Diese bewährte Philosophie des Harmel-Berichtes ist unter den Nato-Generalsekretären de Hoop Scheffer, Rasmussen und Stoltenberg und der militärischen Führung des Bündnisses schleichend, aber gründlich pervertiert worden.

Nukleare Konfrontation droht

Die Politik hat nicht aufgepasst und ihre Rolle als politischer Souverän der Nato nicht mehr wirklich wahrgenommen. Die Folge ist, dass Europa in eine Krise hineingerutscht ist, die in Wirklichkeit keine europäische ist, sondern eine machtpolitische Auseinandersetzung zwischen zwei nuklearen Großmächten, um ihre Einflusssphären auszudehnen. Obamas Auffassung, Russland sei nur eine „Regionalmacht“, darf nicht auf dem Rücken Europas durchgesetzt werden.

Es ist keineswegs auszuschließen, dass eine Fehlentwicklung dieser Krise eine nukleare Konfrontation auslösen könnte. Daher gilt heute zwingend der Primat der Politik. Nukleare Waffen sind Instrumente politischer Strukturbildung, wie Michael Stürmer treffend formuliert hat. Sie erzwingen „Selbstbeschränkung und Souveränitätsverzicht sowie ein hohes Maß an Berechenbarkeit und Vertrauensbildung. Wer diese Grundtatsache menschlicher Existenz vergisst, handelt bei Strafe des Untergangs.“

Die gegenwärtige Politik des Bündnisses an der Ostflanke der Nato ist in allen ihren Elementen derzeit eher schädlich als weiterführend; sie ist noch nicht einmal tauglich. Sie gefährdet außerdem die Verhandlungen zu Minsk II. Im Übrigen ist leider nicht mehr davon auszugehen, dass alle unsere Partner einen erfolgreichen Abschluss dieser Verhandlungen wünschen. Ein Grund mehr, Drohgebärden zu unterlassen.

Besser streiten als willfährig vollstrecken

Steinmeier liegt mit seiner Kritik am Säbelrasseln völlig richtig. Es war zu erwarten, dass er dafür sofort in den Senkel gestellt werden würde. Die heftigen Vorwürfe, Steinmeier „unterminiere die westliche Strategie“, er wolle sich „innerparteilich profilieren“ und er habe sich „beispielslos illoyal“ verhalten, sind nicht unvertraut. Sie erinnern in ihrer scharfen, unredlichen und russophoben Diktion an die Auseinandersetzungen der „Falken“ mit den „Tauben“ in den 70er und 80er Jahren, als es um das Röhrenembargo, die sogenannte doppelte Null-Lösung bei den Mittelstreckenwaffen und die Modernisierung der nuklearen Kurzstreckenraketen ging.

Die Geschichte hat gezeigt, dass es gelegentlich notwendig ist, einen Streit innerhalb der Koalition und auch des Bündnisses zu riskieren, statt willfähriger Vollstrecker zu sein. Rückblickend gilt: Wenn Genscher 1989 – nach heftigen Zerreißproben in der Koalition und im Bündnis – nicht die Modernisierung der Lance-Raketen verhindert hätte, wäre die Berliner Mauer nicht schon im November 1989 gefallen. Die Lage in Europa würde heute sehr viel unerfreulicher aussehen.

Es lohnt sich, politische Strategien konsequent zu verfolgen und berechenbar zu bleiben, wie Steinmeier es jetzt ist. Diese Mahnung gilt ebenso für die Union, die Grünen und auch die FDP, die sich dem Erbe Hans-Dietrich Genschers besonders verpflichtet fühlen müsste.

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