Russland-Affäre - Der heraufbeschworene Skandal

Mit den Ermittlungen gegen seinen Schwiegersohn Jared Kushner nimmt der Druck auf US-Präsident Donald Trump in der sogenannten Russlandkrise zu. Dabei stehen dahinter vor allem innenpolitische Interessen, schreibt der frühere deutsche Botschafter Frank Elbe. Und warnt vor den Konsequenzen

Trump, Merkel und Co. als Marionetten der russischen Geheimdienste? Vielleicht will man das auch so sehen / picture alliance
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Autoreninfo

Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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„Russlandkrise“ ist der Begriff, unter dem gegenwärtig in den USA eine politische Groteske aufgeführt wird, die leicht in eine Krise des Westens umkippen kann. Vordergründig geht es um Ermittlungen gegen Wahlkampfberater von Donald Trump wegen nachrichtendienstlicher Verstrickungen: Amerikanische Agenten sollen schon Monate vor den Wahlen in den Vereinigten Staaten gewusst haben, dass in Moskau überlegt worden sei, über das Wahlkampfteam auf die politische Meinungsbildung des künftigen Präsidenten Einfluss zu nehmen. 

Auf diesem nachrichtendienstlichen Aufkommen baut nun der Popanz einer angenommenen Verschwörung zum Nachteil der USA auf. Es stehen schwerwiegende Vorwürfe im Raum: Mitarbeiter hätten sich als Einflussagenten missbrauchen lassen, sie hätten eine Beeinflussung der amerikanischen Wahlen durch Russland mitgetragen, der Präsident habe nachrichtendienstliche Informationen an den russischen Außenminister weitergegeben und so weiter. 

Sicherheit erfordert Dialog

Um es vorwegzunehmen: Die Grenzen zwischen legaler Nachrichtenbeschaffung und strafrechtlich erheblicher nachrichtendienstlicher Mitarbeit sind nicht fließend. Die einschlägigen Bestimmungen der Strafgesetze zu Landesverrat und der Gefährdung der äußeren Sicherheit sind in allen demokratischen Staaten klar und unmissverständlich – vor allem für den Täter.

Selbstverständlich müssen sich Regierungen ein Bild von den Absichten eines politischen Partners machen können, der die nächsten Wahlen in seinem Land gewinnen könnte. Dieses Interesse darf auch der russische Präsident haben. Sicherheit erfordert Dialog. Der Einbruch der amerikanisch-russischen Beziehungen ist besorgniserregend genug. Insofern wäre es gar nicht verwunderlich, dass amerikanische Agenten Kenntnis von dem Interesse der russischen Seite hatten, sich mit dem Wahlkampfteam von Trump zu treffen.

Regierungen brauchen „back channels“ 

Nun können Erkundungen nicht immer direkt und offiziell stattfinden. Regierungen bedienen sich aller möglichen Vermittler; das können Parlamentarier, Journalisten, Geschäftsleute oder politische Stiftungen sein. Auch die Kontakte zu ausländischen Geheimdiensten können sinnvoll sein. 

Jede Regierung braucht ihre „back channels“ und „Minenhunde“. Präsident John F. Kennedy bediente sich während der Kubakrise des KGB-Residenten in der sowjetischen Botschaft in Washington, um den Gesprächskanal zu Nikita Chruschtschow aufzubauen; Senator Robert Kennedy traf sich zum gleichen Thema mit dem sowjetischen Botschafter Anatoli Dobrynin. Hans-Dietrich Genscher wurde von den Amerikanern gebeten, eine Lösung für die Freilassung der amerikanischen Geiseln in Teheran zu verhandeln.

Außergewöhnliche Kommunikation ist in Politik und Diplomatie gängig und zulässig. Aber es wird nicht immer so gesehen, weil man es zuweilen anders sehen will. Der gegenwärtige Streit in Washington ist dafür ein anschauliches Beispiel. 

Skandal um Kontakte ist aufgebauscht

Der ehemalige CIA-Chef John O. Brennan hat vor dem Geheimdienst am 23. Mai 2017 ausgesagt, dass er „Informationen und Geheimdiensterkenntnisse gesehen“ habe, die „auf Kontakte zwischen russischen Regierungsstellen und Personen hinweisen, die im Trump-Wahlkampf involviert waren“ – und er habe sich gesorgt, dass sie auf Grund bekannter russischer Bemühungen hätten „verleitet“ werden können, und dass die Russen möglicherweise die Kooperation dieser Individuen erreicht hätten.

Es besteht wenig Anlass, wegen der Sorgen des ehemaligen CIA-Chefs gerührt zu sein. Brennan ist ein altgedienter Fuhrmann der Spionage. Der von Trump bereits entlassene General Michael Flynn – das prominenteste Mitglied des Wahlkampfteams – ein ehemaliger Direktor des Militärischen Nachrichtendienstes der USA. Beide kennen das Spiel der Dienste. Selbst wenn die Sorge der CIA übergroß gewesen sein sollte, hätte es andere Mittel zur Aufklärung und Abwehr gegeben, als seine Befürchtungen bürokratisch an das FBI weiterzugeben und damit erkennbar ein politisches Fass aufmachen zu wollen.

Ein Gedankenspiel

Es ist nicht die Aufgabe von Geheimdiensten, solche Kontakte zu verhindern beziehungsweise sie von ihrer Erlaubnis abhängig machen zu wollen. Man stelle sich nur vor, der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hätte im Wahlkampf den Wunsch, bei der russischen Seite auszuloten, welche Vorstellungen dort zur Lösung des Konflikts in der Ukraine vorherrschen, worin Gemeinsamkeiten in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus liegen und welches Potenzial für den Ausbau der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gesehen wird. Er käme doch nicht im Ernst auf den Gedanken, den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes zu fragen, ob er Mitglieder seines Wahlkampfteams zu Konsultationen nach Moskau schicken dürfe. Und es wäre schamlos, wenn Dienste im Nachhinein eine Kampagne losträten, welche den Mitgliedern dieser Kommission einen Mangel an politischer Loyalität unterstellt, möglicherweise sogar insinuiert, dass sie sich für nachrichtendienstliche Zwecke hätten missbrauchen lassen.

Kollision von zwei Lagern

Der eigentliche Kern der aktuellen „Russlandkrise“ in Washington ist die unerbittliche Kollision zwischen zwei Lagern: Die einen wollen mit Russland, die anderen eben nicht. Die Amerikaner haben das Thema der Beziehungen zu Russland zu einem innenpolitischen gemacht. Die Frustration der Wahlverlierer über den Wahlsieger ist gewaltig. Die „Russlandkrise“ wird deshalb von vielen als eine willkommene Chance gesehen, sich des ungeliebten Präsidenten durch Amtsenthebung zu entledigen.

Es sollte jedoch nicht nur um amerikanische Innenpolitik gehen. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA haben eine fundamentale Bedeutung für den Frieden in der Welt. Sie dürfen nicht zum Spielball nationaler Interessen werden. Darin liegt eine große Gefahr. Unter Umständen wird man das Thema nach einer Weile gar nicht mehr beherrschen können.

Erinnerungen an den Kalten Krieg

Das aber wird geschehen, wenn die USA den Kalten Krieg in ihre Köpfe zurückholen und die Russen zu Unberührbaren stempeln; wenn sie zurückfallen in die dunklen Jahre der Kommunistenjagd unter Edgar Hoover und Senator Joseph McCarthy, in der anti-kommunistische Verschwörungstheorien und Denunziationen das politische Klima in den Vereinigten Staaten vergifteten. Russland stand für das Böse schlechthin, das die Werte und den Lebensstil Amerikas zu vernichten trachtete.

Das wäre der Umschlag der „Russlandkrise“ in die Krise des Westens. Dann hätten wir uns soweit auseinandergelebt, dass uns tatsächlich nichts Anderes übrigbliebe, als die Mahnung von Kanzlerin Angela Merkel umzusetzen: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“

Demokratische Strukturen funktionieren

Es gibt trotz der tristen Perspektive in dieser Krise immer noch Elemente im amerikanischen System, die hoffen lassen, dass die demokratischen Strukturen der USA auch stärkeren Belastungen trotzen können. Das durfte Ex-CIA-Chef Brennan während seiner spektakulären Vernehmung durch den Kongressabgeordneten Trey Gowdy vor dem Geheimdienstausschuss selbst erfahren. Gowdy begann höflich und dankte Brennan für die dem Land geleisteten Dienste. Mit zielstrebiger Hartnäckigkeit trieb er ihn dann mit der einzig relevanten Frage vor sich her: Ob Brennan Kenntnis über ein „geheimes Einverständnis“, eine „Koordinierung“ oder eine „Verschwörung“ zwischen dem Trump-Wahlkampfteam und russischen staatlichen Stellen habe. Brennan räumte schließlich entnervt und kleinlaut ein, dass er nicht wisse, ob es eine solche Verschwörung gegeben habe oder nicht.

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