Diplomat über US-Botschafter Richard Grenell - „Das ist kein Stilbruch, das ist eine Kampfansage”

Richard Grenell, der neue US-Botschafter in Deutschland, hat angekündigt, sich direkt in die europäische Politik einzumischen. Damit löst er Empörung aus, auch bei Frank Elbe, ehemaliger deutscher Botschafter in Polen und Indien. Grenell habe Grenzen überschritten, sagt Elbe im Interview

US-Botschafter Richard Grenell ist „in der internationalen Diplomatie ungeheuerlich“ / picture alliance
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Herr Elbe, Sie waren Botschafter in Polen, Indien, Japan und der Schweiz. Der neue US-amerikanische Botschafter Richard Grenell hat dem Internetportal breitbart.com gesagt, er sehe es als seine Aufgabe an, konservative Bewegungen in ganz Europa zu stärken. Was wäre mit Ihnen passiert, wenn Sie sich auf Ihren Stationen derart in die Politik eingemischt hätten?
Ich wäre mit Sicherheit vom Auswärtigen Amt einbestellt worden und hätte mich erklären müssen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass ich abgezogen worden wäre. Was Grenell getan hat, ist in der in der internationalen Diplomatie ungeheuerlich. 

Ist es auch „einmalig”, wie Martin Schulz von der SPD gesagt hat?
Dass sich Diplomaten unglücklich äußern, ist immer wieder vorgekommen. Aber das Verhalten von Richard Grenell geht weit darüber hinaus, was tolerierbar ist. Und so etwas habe ich in meiner langjährigen Tätigkeit tatsächlich noch nie erlebt. Das ist eine deutliche Verletzung der Grenzen, die einem Diplomaten auferlegt sind. 

Am heutigen Mittwoch soll sich Grenell nun bei seinem Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt erklären. Was sollte ihm von deutscher Seite gesagt werden?
Es liegt in der Verantwortung des Empfangsstaates, darauf zu reagieren. Denn es geht um eine ganz essentielle Missachtung von Prinzipien, die für uns wesentlich sind im Verkehr mit anderen Staaten. Dass man sich nicht einmischt in die inneren Angelegenheiten eines Staates, ist ein ganz wichtiger Grundsatz zum Schutz dessen Souveränität. 

Auch die USA haben reagiert. „Botschafter haben ein Recht, ihre Meinung zu äußern”, hieß es aus dem US-Außenministerium. Warum sollte Grenell das nicht tun dürfen?
Ich habe es in meiner Tätigkeit als Diplomat auch auf schwierigen Stationen immer wieder erlebt, dass es unterschiedliche Meinungen zum Vorgehen des jeweiligen Staates gab. Und ich habe die Haltung der Bundesrepublik nachdrücklich und auch öffentlich vertreten. Aber die diplomatische Kunst ist es, sich in den anderen hineinzuversetzen, sich in seine Schuhe zu stellen und ihn nicht zu brüskieren. 

Aber wo liegt der Unterschied zum Vorgehen von Richard Grenell? 
Das ist mehr als nur ein Stilbruch, das ist eine politische Kampfansage. Und das sollte auch bei Grenells Antrittsbesuch geprüft werden.

Was meinen Sie damit?
Wir haben bestimmte Grundsätze in der transatlantischen Zusammenarbeit über die Nato und über die Charta von Paris. Und wir haben ganz bestimmte Vorstellungen wie das partnerschaftliche Verhältnis mit den USA aussehen soll. Gibt es da zwischen Europa und den USA noch Einheit? Oder sind Grenells Aussagen Ausdruck der generellen Unzufriedenheit der USA mit Europa? Wenn Grenells Aussagen für den Standpunkt der USA stehen, dann muss man festhalten, dass die Amerikaner bereit sind, das europäische Haus zu verlassen. Dass ihnen die Europäische Union zu stark geworden ist. Dass ihnen Deutschland innerhalb der Union zu stark geworden ist. Und dass ihnen die europäische Zusammenarbeit mit Russland zu gut geworden ist. 

Glauben Sie denn, dass Grenells Vorstoß mit der US-Regierung abgesprochen war?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn das abgesprochen war, dann ist das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland noch viel schlechter, als man annehmen könnte. 

Nun hat Grenell den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz zum Essen eingeladen, und zwar in Deutschland, was auch als Affront gilt. Gleichzeitig besucht Wladimir Putin Österreich. Schwindet der Einfluss von Deutschland auf die Weltmächte USA und Russland?
Das würde ich an den Punkten nicht so festmachen. Und es stimmt auch nicht. Deutschlands Position in Europa und der Welt ist unverändert stark. Das ist ja auch der Grund für das Unbehagen der Amerikaner. Deutschland und Frankreich stehen Seite an Seite für den Fortbestand des Iran-Abkommens und gegen die Strafzölle der USA, die den Freihandel einschränken. 

Nun hört man aber aus Washington, dass der Respekt von US-Präsident Donald Trump gegenüber Deutschland und Angela Merkel nicht so ausgeprägt ist. Und zwar weil Deutschland keine Atommacht ist wie etwa Frankreich und als Anführer der Union über keinerlei exekutive Macht verfügt. 
Das ist eine persönliche Einschätzung des Präsidenten. Ob sie für Deutschland richtungsweisend sein kann, ist eine ganze andere Frage. Da könnte man in sich gehen und überlegen, ob da nicht auch was dran ist. Aber es gibt niemandem das Recht, uns darüber zu belehren, was wir tun sollen und dürfen.

Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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