Harry, Meghan und das britische Königshaus - Die große Schlammschlacht

Die PR-Schlacht zwischen Harry, Meghan und dem britischen Königshaus geht in die nächste Runde. Mit einem Interview provozieren die beiden die Queen. Wiederholt sich die Geschichte der Royals?

PR-Coup und Provokation: Harry und Meghan geben Oprah Winfrey ein Interview / dpa
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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Prinz Philipp ist seit über zwei Wochen im Krankenhaus. Der 99-jährige Ehemann von Königin Elizabeth II. wurde diese Woche in London am Herzen operiert. Derzeit ruht sich der Queensgemahl in einem privaten Krankenhaus aus, das nach King Edward VII. benannt ist. Die britischen Untertanen der Queen – und nicht nur überzeugte Royalisten – bangen in diesen Tagen um Philipps Wohlbefinden: Ob er seinen 100. Geburtstag im Sommer wohl noch feiern kann? 

Noch drängender ist für die Mitglieder des Royal Court allerdings eine andere, etwas profanere Frage: Sollte es noch in der Coronapandemie zu einem royalen Begräbnis kommen, dann müsste alles, was von Königshaus, Regierung und vor allem von Prinz Philipp selbst seit Jahren bis ins kleinste Detail geplant worden ist, über den Haufen geworfen werden. Denn die englischen Covid-Maßnahmen erlauben bei Begräbnissen derzeit nur 30 Trauernde.

Ist es geschmacklos, über diese Dinge nachzudenken? Die Queen hat keine andere Wahl. Ihr Privatleben ist Staatsaffäre. Auch in den traurigsten Momenten. 

Die PR-Schlacht zwischen Queen und Harry

Derzeit bewegt die britische Öffentlichkeit aber nicht nur das Befinden von Prinz Philipp. Hoch schlagen die Emotionen auch bei der neuesten Runde in der PR-Schlacht zwischen Queen Elizabeth und ihrem Enkel Harry, beziehungsweise seiner Frau Meghan Markle alias Herzog und Herzogin von Sussex. 

Am Sonntag wird in den USA ein Interview der beiden Königskinder ausgestrahlt, das sie Oprah Winfrey für den Sender CBS gegeben haben. Schon Tage vor der Ausstrahlung hat eine unrühmliche Schlammschlacht begonnen. „Ich hatte Angst, dass sich die Geschichte wiederholt“, sagt Prinz Harry in einem Clip, den der Sender schon freigegeben hat. Er spielt auf das Schicksal seiner Mutter Diana an, die in der Obhut der königlichen Familie erst an Bulimie erkrankte und 1997 von Paparazzi zu Tode gehetzt worden war.

„Die Firma“

Das königliche Abwehrteam schlug sofort zurück: Der Palast bereite eine Untersuchung gegen Meghan vor, sie habe ihre Mitarbeiter „schlecht behandelt“. Daraufhin sagte Meghan in einem weiteren Voraus-Clip: „Wer kann von uns erwarten, dass wir schweigen, sollte die Firma eine aktive Rolle in der Verbreitung von Falschmeldungen über uns spielen?“

Dass die königliche Familie kalt als „Die Firma“ bezeichnet wird, hat sie nicht Meghan Markle zu verdanken. Es war Prinz Philipp, der diesen Ausdruck bei seinem Eintritt ins Haus Windsor nach der Hochzeit mit der Thronfolgerin Elizabeth II. prägte. Prinzessin Diana übernahm den Begriff, als ihre Ehe mit Charles in Schwierigkeiten geriet und sie begriff, dass es nicht um das Wohlergehen der einzelnen Mitglieder, sondern das Image der Marke ging. 

Das Königshaus hasst Offenheit

Dass Harry statt bei Oma Queen bei Tratschqueen Oprah auftritt, ist an sich schon ein Affront. Doch Harry und Meghan sind bereits im März 2020 aus der königlichen Familie geflohen und haben sich als „arbeitende Mitglieder der Königsfamilie“ verabschiedet. Talkshows, Buchverträge und ein Produzentenvertrag für Netflix – das ist ihre Zukunft. Was Michelle und Barack Obama in ihrer Zeit nach dem Weißen Haus erlaubt ist, kann Meghan und Harry nicht verboten werden.

Was genau der Grund war, warum Harry und Meghan nicht mehr als Royals arbeiten wollten, weiß natürlich niemand. Denn die Infopolitik der Königin und ihrer Familie unterliegt insgesamt äußerst strikter Kriterien. Es gibt für Korrespondenten praktisch nichts Langweiligeres als Briefings mit den Pressesprechern der Royals. Vor besonderen Anlässen lässt das Königshaus ein paar Infohappen an die Medien verteilen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie vollkommen uninteressant sind. Denn was das Königshaus vor allem hasst, ist: Offenheit.

Ihr Job war erledigt

Deshalb sind die unangepassten Frauen der Prinzen eine besondere Gefahr. Meghan Markle kam als Hollywood-Schauspielerin in den erlauchten Kreis der britischen Königsfamilie. Die Verlobung mit Prinz Harry 2017, die Traumhochzeit 2018 und die Geburt des ersten Kindes Archie 2019 verlief nach Plan. Damit war der spannende Teil aber auch schon wieder vorbei – nicht Harry, sondern sein älterer Bruder William soll schließlich einmal König werden, wenn die Queen und danach ihr Sohn Charles irgendwann in ferner Zukunft das Zepter aus der Hand legen. 

Was Meghan Markle alias Herzogin von Sussex nach der Geburt von Sohn Archie festellen musste, war genau das: Ihr Job war erledigt. Es wurde außer repräsentativer Prinzessinnenarbeit nichts von ihr erwartet. Ihre Meinungen, ihr Beruf und vor allem ihr Instagram-Account waren nicht gefragt, ja sogar verboten. 

Nicht gerade arm, aber abhängig

Ob es jetzt Knatsch zwischen Harry und seinem Bruder William war, der den Ausschlag gab oder ein Zwist zwischen den Prinzessinnen Meghan und Kate über ein Kleid von Miniprinzessin Charlotte – wer weiß das schon? Harry und Meghan suchten jedenfalls vor knapp einem Jahr das Weite. Nach lukrativen Mediendeals in der sagenhaften Höhe von kolportierten hundert Millionen Dollar müssen sie sich auch nicht mehr über ihren Lebensunterhalt Gedanken machen. 

Die arbeitenden Royals leben in ihrem Vereinigten Königreich zwar nicht gerade als Bettler, aber längst nicht so großzügig, wie sich das der gemeine Bürger so vorstellt. Die Queen bekommt seit 2012 jedes Jahr von den britischen Steuerzahlern eine Beihilfe, den „Sovereign Grant“, mit dem sie die Kosten für die Familie bestreitet. Dafür liefert sie das Einkommen, das sie über ihre Ländereien und Paläste bezieht, an den Steuerzahler ab. Ihr Privatvermögen macht etwa 400 Millionen Euro aus.  

Die Nachkommen sind auch nicht gerade arm, aber abhängig. Als „arbeitende Royals“ bekamen Harry und Meghan von Papa Charles bis 2019 eine Apanage, mit der sie auskommen mussten. Die lag zwar nach Zeitungsberichten bei ein bis zwei Millionen im Jahr, aber es ist nicht jedermanns und vor allem nicht Meghans Sache, sich vom Schwiegervater aushalten lassen zu müssen. 

Die Prototypen Simpson und Spencer

Meghan Markle ist bei weitem nicht die erste Frau, die sich gegen die eng gesetzten Grenzen des Prinzessinnendaseins auflehnt. Wallis Simpson und Diana Spencer gelten als Prototypen der unbequemen Windsor-Gattinnen. 

Als geschiedene Amerikanerin hatte Wallis Simpson praktisch nie eine Chance, als Ehefrau von Edward VIII. vor den Augen der englischen Monarchen zu bestehen. Zwischen den Weltkriegen war die Auflösung einer Ehe im Königshaus noch nicht im Bereich des Denkbaren. Da Edward als britischer König aber ohnehin völlig ungeeignet war – emotionsloses Regieren war seine Sache nicht und obendrein sympathisierte er mit Adolf Hitler - kam der private Skandal um seine Ehe mit einer amerikanischen (!) Geschiedenen (!) allen durchaus gelegen. Edward dankte nach einem knappen Jahr am Thron  Ende 1937 ab und verschwand mitsamt Wallis nach Europa.

„Prinzessin der Herzen“

Viel schwieriger gestaltete sich die Sache mit Diana Spencer. Denn das schüchterne Mädchen aus gutem englischen Hause entpuppte sich nach ein paar Jahren an der Seite des verschrobenen Prinz Charles als „Prinzessin der Herzen“. Diana überstrahlte nicht nur den Thronfolger, sie schickte die gesamte Königsfamilie auf die hinteren Ränge der Beliebtheitsskala.

Und als die Ehe zerbrach, weil Charles und Diana nicht miteinander leben konnten, sympathisierte die Öffentlichkeit eher mit der verletzlichen und durch die Endlosaffäre mit Charles’ Jugendliebe Camilla Parker Bowles verletzten Diana als mit den reservierten Royals. Diana gab sogar nicht autorisierte Interviews – das war „unheard of“. Die Queen war „not amused“. 

PR-Coup und Provokation

Jetzt ist es wieder so weit. Meghan Markle setzt sich ins Fernsehen - ins amerikanische noch dazu, allein das lässt echten Engländern die Oberlippe zittern – und bespricht frank und frei mit Oprah Winfrey ihre Zeit im britischen Königshaus. Das ist als PR-Coup kaum zu überbieten. Auch als Provokation nicht. 

Denn es gibt wenige europäische Monarchen, die dem Klischee noch regelmäßig so gerecht werden wie die britische Königsfamilie. Die Windsors sind wie Fossilien, die in ihren Palästen Zeitenwenden überstehen, ein Symbol längst vergangener Machtverhältnisse. 

Progressive gegen Monarchisten

Die Royals sind dabei immer für eine Geschichte gut. Vor allem, wenn wegen Covid und Brexit die Nerven blank liegen. Im langen britischen Winter kommt ein Skandal um Tratsch und Klatsch gerade recht. Wie alles andere in der Welt läuft auch die Debatte über Meghan entlang politischer Lagerfronten. Ob man „Camp Meghan“ ist, hängt von der politischen Haltung ab. Die Progressiveren halten zwar wenig von Prinzessinnen, halten aber eher der Schauspielerin die Stange, weil sie den altmodischen Ideen des Königshauses die Stirn bietet. Monarchisten finden, Meghan hätte wissen müssen, worauf sie sich einlässt.  

Prinz Harry jedenfalls ist eindeutig Camp Meghan. Im Interview mit Oprah sagt er: „Ich bin froh, dass ich an der Seite meiner Frau sein kann.“ Denn seine Mutter Diana war damals allein im Hause Windsor.

Das Interview mit Harry und Meghan mit dem Fernsehsender CBS wird am kommenden Montag in Deutschland von RTL ausgestrahlt. 
 

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