Parteitag in China - Wohin steuert die Diktatur?

Heute beginnt in Peking der 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas. Mehr als 2200 Delegierte werden dann wohl nur absegnen, was bereits hinter verschlossenen Türen entschieden wurde. Spannend bleibt, ob sich Parteichef Xi Jinping innerparteilich mit seinen Vorstellungen durchsetzen kann

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Chinas Staatschef Xi Jinping: China wird global immer wichtiger / picture alliance
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Falk Hartig ist Sinologe und forscht an der Universität Frankfurt/Main zu Fragen der politischen Kommunikation.

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Die alle fünf Jahre stattfindenden Parteitage sind schon lange keine Veranstaltungen mehr nur für Sinologen mit einem Spleen für die „Pekinologie“ genannte politische Kaffeesatzleserei. Da China global immer wichtiger wird, sollten wir am heutigen Mittwoch nicht nur auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin schauen, sondern auch nach Peking.

Die künftige Rolle Xi Jinpings

Im Mittelpunkt steht ganz klar Xi Jinping. Er ist Generalsekretär und somit Chef der Partei, Staatspräsident und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Zudem hat er weitere Posten inne, die seinem direkten Vorgänger verwehrt waren. So firmiert er seit einem Jahr als „Kern“ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh ), womit eine individuelle Autorität beschrieben wird, die nicht durch Amtszeiten begrenzt werden muss.

Mit Spannung wird daher erwartet, ob erkennbar wird, wie Xi sich seine politische Zukunft vorstellt. Xi übernahm die Macht auf dem 18. Partietag 2012 und wenn die bisherigen Parteitraditionen beibehalten werden, würde der aktuelle Parteitag die Halbzeit seiner zehnjährigen Herrschaft markieren. Allerdings wird schon länger spekuliert, dass Xi möglicherweise mit dieser Tradition bricht und nach 2022 einfach weitermacht.

Ein deutliches Zeichen von Xis Macht wäre es, wenn seine Verlautbarungen und Konzepte als „Xi-Jinping-Gedanken“ oder „Xi-Jinping-Theorie“ ins Parteistatut aufgenommen werden. Zwar finden sich dort auch die Konzepte seiner direkten Vorgänger; namentlich genannt werden bisher nur Republikgründer Mao („Mao-Zedong-Gedanken“ und Reformer Deng („Deng-Xiaoping-Theorie“). Vor wenigen Tagen wurde bereits bekannt, dass das Statut abgeändert wird. Die spannende Frage ist, in welcher Form.

Personal- und Machtfragen

Von größter Wichtigkeit sind allerlei Personalfragen, die – wie anderswo auch – immer gleich Machtfragen sind. Aufgrund verschiedener informeller Altersregelungen müsste rund die Hälfte der fast 400 Mitglieder des Zentralkomitees ersetzt werden, elf Mitglieder des 25-köpfigen Politbüros müssten wohl zurücktreten und auch fünf der sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros müssten sich, wenn die informellen Regeln eingehalten werden, zurückziehen. Bei den Neubesetzungen wird es vor allem darum gehen, wie viele seiner Getreuen Xi Jinping auf welche Posten bringen wird.

Von besonderem Interesse sind diese Personalfragen, da sie einerseits Indizien dafür liefern könnten, ob Xi sich innerparteilich mit seinen Vorstellungen durchsetzen kann. Andererseits ist die große Frage, ob nach dem Parteitag absehbarer wird, wer Xi Jinping nach 2022 möglicherweise als Parteichef ablösen wird, sollte er sich doch zurückziehen. Prognosen dazu sind überaus schwierig, da von außen lediglich spekuliert werden kann, was im Innersten der Partei vor sich geht.

So galt Sun Zhencai, Politbüromitglied und Parteichef der regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing, als ein potenzieller Nachfolger. Allerdings wurde er im Sommer seiner Posten enthoben und parteiintern wird gegen ihn ermittelt. Sein Nachfolger in Chongqing ist Chen Min‘er, der nun auch als potenzieller Nachfolger Xis gehandelt wird.

Innen- und Außenpolitik

Innenpolitisch wird Xis Rechenschaftsbericht an den Parteitag dahingehend analysiert werden, ob er konkrete Hinweise darauf enthält, wie die Partei mit anstehenden Problemen umzugehen gedenkt. Zahlreiche Reformvorhaben, zum Beispiel des Staatssektors oder auch des Rechtssystems, wurden seit 2012 angekündigt. In seiner Eröffnungsrede kündigte der Staatschef eine weitere Öffnung der chinesischen Wirtschaft an: „China wird der Welt seine Türen nicht verschließen“, sagte er: „Öffnung bringt uns Fortschritt, bei Abschottung wird man zurückgelassen.“ Die wichtigste Aufgabe für die Partei besteht darin, das Lebensniveau der Menschen zu steigern. Das meint nicht mehr nur die reine Armutsbekämpfung. Vor allem in den Städten stehen Fragen des Umwelt- und Nahrungsmittelschutzes und des bezahlbaren Wohnraums auf der Agenda ganz oben.

Auch wenn Außenpolitik auf Parteitagen eine eher untergeordnete Rolle spielt, ist sie dennoch wichtig, denn schlussendlich dient auch sie dem Machterhalt der Partei, indem sie ein friedliches Umfeld für Chinas Wirtschaftsentwicklung schaffen soll, welche für die Legitimität der Partei essenziell ist. Mit der Friedlichkeit ist es dabei so eine Sache: Denn einerseits erscheint Chinas zunehmend selbstbewusstes Auftreten in der Region den Nachbarn alles andere als friedlich. Andererseits zeigt das kriegerische Gebaren Nordkoreas, wie schwierig es für China ist, Ruhe und Ordnung vor seiner Haustür zu schaffen. Vor diesem Hintergrund wird interessant sein zu sehen, ob Xi währen des Parteitas außenpolitische Linien skizziert, die erkennen lassen, ob und wie China die Lücke füllen möchte, welche die USA unter Präsident Donald Trump möglicherweise bieten.

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