Nuklearabkommen zwischen USA und Russland - Jetzt ein Zeichen setzen

Kurz vor der US-Wahl will Donald Trump eine rüstungskontrollpolitische Vereinbarung mit Russland. Allzu durchsichtig ist das damit verbundene Kalkül: Schnell noch soll so ein außenpolitischer Erfolg präsentiert werden. Die USA sollten dafür auf Wladimir Putins neuen Vorschlag eingehen.

Russland Präsident Wladimir Putin / dpa
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Botschafter a.D. Rüdiger Lüdeking war während seiner Zeit im Auswärtigen Dienst (1980-2018) in verschiedenen Verwendungen, u.a. als stv. Beauftragter der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle und Botschafter bei der OSZE, mit Fragen der Sicherheits- und Rüstungskontrollpolitik intensiv befasst.

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Im Juni haben die USA und Russland Gespräche zur nuklearen Rüstungskontrolle aufgenommen. Die amerikanischen Unterhändler sind dabei mit weitreichenden, kurzfristig nicht erreichbaren Zielen in die Gespräche gegangen. Vor allem ging es ihnen erklärtermaßen um die Einbeziehung Chinas. Völlig offen blieb jedoch, was das Ergebnis dieser Verhandlungen unter Beteiligung Chinas sein sollte. Ein Gleichstand der Potenziale – der bisherige Maßstab für die strategischen Nuklearvereinbarungen zwischen den USA und Russland – musste von vornherein als unrealistisch ausscheiden.

Es ist nicht vorstellbar, dass die USA oder Russland bereit wären, die Zahl ihrer nuklearen Sprengköpfe – nach jüngsten Zahlen 5800 bzw. 6375 – auf das vergleichsweise niedrige Niveau Chinas mit lediglich 320 Sprengköpfen zu reduzieren. Nicht überraschend war deshalb auch, dass China eine Einbeziehung in die Gespräche kategorisch abgelehnt hat.

Kein Ja von Russland vor der US-Wahl

Die USA haben ihre Verhandlungsziele revidiert. Sie schlagen jetzt Russland ein Einfrieren (Freeze) aller nuklearen Sprengköpfe vor. Im Gegenzug sind sie bereit „für einen gewissen Zeitraum“ den Anfang Februar 2021 auslaufenden NewSTART Vertrag zu verlängern, der die strategischen Nuklearsprengköpfe und die Trägersysteme beider Seiten überprüfbar begrenzt. Die Details des US Vorschlags sind noch unklar. Dies gilt für technische Fragen wie die Verifizierbarkeit des Freeze aber auch die von den USA ebenfalls vorgesehene Verankerung einer künftigen Ausweitung der Vereinbarung auf China.

Russlands Vizeaußenminister Sergei Rjabkow hat den amerikanischen Vorschlag bereits am 14. Oktober als inakzeptabel zurückgewiesen und eine Einigung noch vor den US-Wahlen am 3. November ausgeschlossen. Russland will sich einerseits – das ist in den Moskauer Reaktionen deutlich geworden – nicht als Wahlhelfer für Trump betätigen; andererseits würde aber auch die verbleibende Zeit bis zu den amerikanischen Wahlen für die Klärung und Abstimmung technischer Fragen eines Freeze nicht reichen.

Ein Ausweg, den die USA annehmen sollten

Nun hat Russlands Präsident Wladimir Putin vorgeschlagen, den NewSTART Vertrag bedingungslos um ein Jahr zu verlängern, um Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Tatsächlich böte dies einen Ausweg aus der gegenwärtigen diplomatischen Sackgasse. Und Donald Trump wäre gut beraten, Putins insgesamt problemlos und kurzfristig umsetzbaren Vorschlag zu anzunehmen. Denn dieser kann als Entgegenkommen gegenüber den USA gewertet werden: Putin hat nur eine Verlängerung um ein Jahr und nicht um fünf Jahre – wie im Vertrag ausdrücklich als Möglichkeit genannt – vorgeschlagen.

Die USA müssten inzwischen erkannt haben, dass mit bloßem Druck und mit Setzen von Ultimaten allein gar nichts erreicht werden kann. Mit einer Verlängerung von NewSTART würde die letzte verbleibende Vereinbarung zur Abrüstung und Begrenzung nuklearer Potenziale gewahrt bleiben. Dies würde nicht nur der strategischen Stabilität zugutekommen, vertrauensbildend wirken und den drohenden nuklearen Rüstungswettlauf zunächst abwenden.

Transparenz und Überprüfbarkeit

Es hätte auch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Aufrechterhaltung des nuklearen Nichtverbreitungsregimes. Denn damit würden Russland und die USA, die unverändert über weit mehr als 90 Prozent der Nuklearwaffen weltweit verfügen, ihr Bekenntnis zu nuklearer Abrüstung erneuern. Und schließlich liegt der Vertrag auch im wohlverstandenen Interesse beider Staaten, sichert er doch die Transparenz und Überprüfbarkeit der strategischen Potenziale der jeweils anderen Seite.

Nur bleibt bislang fraglich, ob die USA auf den Putin Vorschlag eingehen. Oder ist doch die irrationale Abneigung gegenüber dem NewSTART Vertrag, der 2010 von Präsident Obama abgeschlossen wurde, zu groß? Angesichts dessen ist nachdrückliches diplomatisches Engagement der EU gegenüber den USA auf höchster Ebene jetzt besonders wichtig. Zumindest liegt es ureigensten Interesse der Staatengemeinschaft als unmittelbarer Nachbar Russlands, hier endlich voranzukommen.

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