Münchner Sicherheitskonferenz - Sie meidet seinen Namen

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz gibt man sich versöhnlicher als noch vor einem Jahr. Doch die weltpolitische Stimmung ist gereizt, gerade innerhalb des Nato-Bündnisses. Auch Ursula von der Leyen konnte und wollte das nicht verbergen

Auch Ursula van der Leyen nannte Donald Trump nicht beim Namen – und sprach doch von ihm / picture Alliance
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Markus Bickel ist freier Journalist. Er war jahrelang Nahostkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Sein Name fiel bis zum Abend nicht im großen Saal des Bayerischen Hofs in München. Und doch war Donald Trump dort allgegenwärtig: Keine der Diskussionen am ersten Tag der 55. Sicherheitskonferenz kam ohne Verweise auf die Unberechenbarkeit der amerikanischen Administration aus. Keine Rede, in der nicht auf die Notwendigkeit multilateralen Vorgehens verwiesen wurde. Und kein Zweifel daran, dass die europäischen Staaten ihre Militärhaushalte aufstocken müssen, um die Lastenteilung innerhalb der Nato künftig gerechter zu gestalten. 

Trump hatte die Debatte über die Zukunft des westlichen Verteidigungsbündnisses unmittelbar nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren losgetreten. Schon 2017 und 2018 drehten sich deshalb viele Diskussionen in München um das Zweiprozentziel. Und auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die die Konferenz am Freitagnachmittag eröffnete, knüpfte daran an: Natürlich käme es der Sicherheit in Europa zugute, wenn alle Mitglieder das 2014 beim Nato-Gipfel in Wales beschlossene Ziel erreichten, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in den Verteidigungsetat zu stecken.

Unangebrachtes Lamentieren über die USA

Doch dass Ursula von der Leyen trotz inhaltlicher Zustimmung Donald Trump nicht beim Namen nannte, zeigt, wie gereizt die Stimmung im Bündnis ist – und wie man in München tunlichst vermeiden will, weiteres Porzellan zu zerschlagen. Schließlich herrschte noch vor einem Jahr Weltuntergangsstimmung im Bayerischen Hof, die Spannungen nicht nur zwischen russischen und westlichen Politikern waren mit Händen zu greifen. Konferenzleiter Wolfgang Ischinger kritisierte deshalb am Vorabend der Zusammenkunft bei einem Empfang die Eitelkeit vieler ranghoher Besucher: „Ich will nicht mit anderen auftreten. Ich will nicht zuhören. Ich will nur eine Rede halten.“

Dass für die mangelnde Verständigung über den Atlantik hinweg nicht nur das Weiße Haus die Verantwortung trägt, machte auch Lindsay O. Graham deutlich. Zwar räumte der amerikanische Senator ein, dass der Präsident „schwer zu handeln“ sei – und er mit seinen Versuchen, ihn von multilateralem Vorgehen zu überzeugen, bisweilen auf Granit beiße. Dass sie schwer zu handeln seien, so der Republikaner Graham, treffe allerdings auch auf den ein oder anderen europäischen Politiker zu. Das Lamentieren über den vermeintlichen Rückzug der Vereinigten Staaten aus der alten Welt könne er jedenfalls nicht verstehen: Mit Vizepräsident Mike Pence, Jared Kushner und Ivanka Trump sowie Dutzenden Kongressabgeordneten sei die amerikanische Präsenz in München so groß wie seit langem nicht mehr.

Unterstützung kam aus Kanada

Wie im Vorjahr geht es deshalb in München nicht nur darum, was die EU-Staaten finanziell mehr zur Stärkung des westlichen Verteidigungsbündnisses tun können, sondern auch um die Frage, wie sie künftig militärisch stärker auf eigenen Beinen stehen können. Ein Spagat, den der Nato-Generalsekretär auf folgende Formel brachte: „Eine stärkere europäische Verteidigungsinitiative ist eine gute Sache, aber es ist keine Alternative zur Nato“, so Jens Stoltenberg. „Die Europäische Union kann nicht die Rolle der Nato übernehmen.“

Beim schwierigen Versuch, sowohl mehr für sich wie für das Bündnis zu tun, kam den Europäern zumindest rhetorisch die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland zur Hilfe. Nicht um Autarkie könne es gehen, sagte sie, sondern lediglich um Autonomie. Nur so könne das Band erhalten bleiben, dass die Nato-Staaten dies- und jenseits des Atlantiks seit Ende des Zweiten Weltkriegs verbinde – zusammengeschweißt zudem durch die Anschläge vom 11. September 2001, nach denen zum bislang einzigen Mal Artikel 5 des Nordatlantikvertrags griff: der Bündnisfall.

Ein starkes Amerika ist von Bedeutung

Wie groß die Wahrnehmungsunterschiede in diesen Fragen selbst innerhalb der EU sind, machte der polnische Außenminister deutlich: Sobald Großbritannien die Europäische Union verlasse, so Jacek Czaputowicz, werde nur noch eine der vier Nato-Battlegroups in Europa von einem EU-Staat geführt. Und zwar lediglich die von deutschen Offizieren geführte in Litauen. Die drei anderen Nato-Kampfverbände aber – seit 2016 in Polen, Lettland und Estland stationiert –  stünden dann nicht mehr unter dem Kommando von EU-Generälen, sondern würden von kanadischen und amerikanischen Militärs geführt – oder eben von britischen. Auch deshalb sei ein starkes Amerika in einer starken Nato von überragender Bedeutung für die Sicherheit Osteuropas.

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