Münchner Sicherheitskonferenz - Der russisch-amerikanische Honeymoon ist vorbei

Die Münchner Sicherheitskonferenz wurde von einem Mann dominiert, der gar nicht da war: Donald Trump. Seine Delegation bekannte sich zur Nato wie zur transatlantischen Allianz und übte sogar indirekt Kritik am eigenen Präsidenten. Trotzdem bleiben Zweifel ob dessen Unberechenbarkeit

US-Vizepräsident Mike Pence gab sich alle Mühe, die Wogen zu glätten / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Auch wenn er selbst nicht da war, stand er als großer weißer Elefant im Raum: Donald Trump. Das Bild haben viele so beschrieben, die in der überfüllten, mit höchsten Erwartungen aufgeladenen Tagungshalle der Münchner Sicherheitskonferenz dabei waren. Und obwohl viele eifrig bemüht waren, seinen Namen nicht auszusprechen, wussten doch alle: Mit dem 45. Präsident der USA droht die Welt aus den Fugen zu geraten.

Ein anderer Mann konnte einem fast leidtun. Vizepräsident Mike Pence versicherte in seiner Rede mehrfach, er spreche im Namen von Donald Trump. Und dennoch: Als alles vorbei war, traf man in den Fluren immer noch sehr viele an, die weiterhin skeptisch waren, ob der US-Twitter-König mit seinem nächsten Tweet nicht wieder alles einkassieren könnte, was die US-Delegation in München an Beruhigungspillen an die nervösen Europäer verteilt hat. Zumal Trump im fernen Florida vor seinen Anhängern zur selben Zeit von schlimmen Dingen in Schweden schwadronierte und sich die Schweden seither fragen, was bei ihnen los war. Eigentlich nichts. Der frühere schwedische Premierminister Karl Bildt, der auch in München war, schrieb auf Twitter: „Schweden? Terror-Angriff? Was hat er geraucht?“

Kampfansage an Russland

Solche alternative Fakten haben dazu beigetragen, dass auch nach dem Ende der Münchner Sicherheitskonferenz eine tiefe Verunsicherung bleibt. Deshalb eine Bilanz mit Vorbehalt, die davon ausgehen muss, dass Trumps hochrangigste Vertreter in München auch tatsächlich das wiedergegeben haben, was im Weißen Haus derzeit gedacht wird.

Wichtigste Erkenntnis: Der Honeymoon zwischen Washington und Moskau ist – wenn es ihn denn je gegeben hat – vorbei. Und wie.

„Unerschütterlich“, so Pence, würden die USA ihre Verpflichtungen für die transatlantische Allianz erfüllen. Washington stehe entschieden zur Nato. Genauso wie zu Europa, auch wenn Pence es vermied, von der Europäischen Union zu sprechen. Und auch in Sachen Ukraine waren die Versicherungen ganz auf Linie. Amerika besteht darauf, dass Russland sich an das Minsk-Abkommen hält und will die Sanktionen aufrechterhalten. Selbst Trump hatte, und das hat manche verblüfft, kurz zuvor eine Rückgabe der Krim von Moskau verlangt.

Deutliche Worte von US-Senatoren

Also kein Deal zwischen Putin und Trump auf Kosten der Verbündeten und der hochnervösen Ost-Europäer. Kurz vor Toresschluss legten verschiedene US-Senatoren noch mal richtig drauf. Man solle, so Jeanne Shaheen, Christopher Murphy und Lindsey Graham, ja nicht glauben, dass die Einmischung Moskaus in den amerikanischen Wahlkampf kein Thema mehr sei. Ganz im Gegenteil, das werde alles aufgearbeitet. Ausgerechnet Trumps Parteifreund Lindsey Graham sagte, er vermisse es, dass Donald Trump diese vermeintliche russische Aktion bisher nicht klar verdammt habe.

Graham, der es sicher gerne lesen würde, wenn man ihn als harten Hund gegenüber den Russen bezeichnen würde, weiter: „2017 wird das Jahr sein, in dem der Kongress Russland in den Arsch tritt.“ Das Signal hatte gleich zwei deutliche Adressaten: Moskau und Donald Trump, der nicht müde wird, eben diese Einmischung Russlands in den amerikanischen Wahlkampf infrage zu stellen. Der Kongress wird sich in dieser Frage zwar nicht vom Präsidenten bevormunden lassen. Ob die drei allerdings für die Mehrheit im Senat gesprochen haben, muss sich erst noch zeigen. Nach Grahams Ansicht wird Moskau die Konsequenzen noch zu spüren bekommen.

Warnung an den Präsidenten

Und auch in Sachen Pressefreiheit gab es für Donald Trump eine derart harsche Kritik aus den eigenen Reihen, dass man sie schon als öffentliche Ohrfeige bezeichnen muss. In einem Tweet hatte er tags zuvor führende US-Medien noch als die „Feinde Amerikas“ bezeichnet. Der republikanische Senator John McCain verteidigte in München die freie Presse und verwies auf eine historische Lektion: „Das erste, was Diktatoren tun, ist die freie Presse zu unterdrücken.“ Auch die übrigen Senatoren stellten sich vor die Medien. Und selbst Trumps Verteidigungsminister James Mattis hieb in dieselbe Kerbe: Er habe keine Probleme mit einer freien Presse und glaube nicht, dass die Medien die Feinde Amerikas seien.

Daran wird man im Weißen Haus schwer zu knabbern haben. Gewiss war das in München noch kein Aufstand gegen den Präsidenten, wohl aber eine Warnung, dass seine Ausfälle nicht mehr einfach so hingenommen werden.

Europa muss mehr tun

In einem Punkt jedoch wurde die vorgegebene Position der USA von ihren Emissären eindeutig eingehalten: Washington bekennt sich zwar zur transatlantischen Allianz, aber die Europäer müssen dafür mehr tun – sprich: vor allem mehr zahlen.

Die Reaktionen der Europäer auf der Sicherheitskonferenz zeigten: Wir haben verstanden. Angela Merkel wiederholte noch einmal, langfristig das versprochene Ziel, zwei Prozent des Bruttosozialproduktes für die Verteidigung auszugeben, erreichen zu wollen. Und auch insgesamt muss Europa mehr für seine eigene Sicherheit tun – das blieb unwidersprochen. Trump hat mit seinen Forderungen ein Umdenken in der Nato, für die die USA mehr als 70 Prozent der Kosten beisteuern, ausgelöst. Zwar wird es auch weiterhin keine europäische Armee geben, aber die Europäer wollen näher zusammenrücken. Das ist schon jetzt erkennbar, auch wenn noch lange nicht klar ist, wie weit nationale Egoismen und Empfindlichkeiten tatsächlich auf den Prüfstand kommen.

Moskau will Zeitenwende

Dass Vizekanzler Sigmar Gabriel in München bei der Kostenfrage reingegrätscht ist, zeigt zum einen, dass der Wahlkampf wirklich begonnen hat. Doch die Frage, was die Bundeswehr eigentlich mit 25 Milliarden Euro mehr anfangen soll, ist durchaus berechtigt. Sie wird auf Jahre nicht in der Lage sein, so viel Geld sinnvoll auszugeben. Eine durchaus selbstbewusste Diskussion auch gegenüber Washington muss darüber geführt werden. Bei genauer Betrachtung liegen SDP und Union nicht so weit auseinander. Auch Angela Merkel will keine radikale Ausgabensteigerung. Beim Nato-Gipfel in Wales hatten sich die Mitglieder ja auch nur verpflichtet, das 2-Prozent-Ziel innerhalb von zehn Jahren erreichen zu wollen.

Dennoch, auch das hat die Sicherheitskonferenz in München gezeigt, der Diskussion darüber wird man nicht mehr ausweichen können. Die Europäer bleiben verunsichert, was die gemeinsame Zukunft der Allianz angesichts eines Präsidenten betrifft, der weiterhin so tut, als sei er im Dauerwahlkampf.

Und die Russen? Die Nato sei eine Institution des Kalten Kriegs, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Trotzdem wolle Moskau eine pragmatische Zusammenarbeit. Aber er brachte eine neue Dimension ins Spiel, eine radikale Abkehr vom Bisherigen: eine „gerechte Weltordnung – wenn Sie es so nennen wollen, eine Post-Westen-Weltordnung“.

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