Militäraktionen der USA gegen den Iran - Trumps Pyrrhussieg

Mit der Tötung des Generals Soleimani durch eine Drohne hat US-Präsident Donald Trump die Lage im Nahen Osten eskalieren lassen. Denn der Anschlag folgte keinem klaren Kurs. Europa ist gut beraten, sich von dem Angriff zu distanzieren

Rache für Soleimani: Mit dem Mord haben die USA auch die Hisbollah im Libanon gegen sich aufgebracht / picture alliance
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Michael Lüders ist einer der profiliertesten deutschen Nahostexperten. Der promovierte Islamwissenschaftler war viele Jahre Redakteur bei der Zeit und ist heute freier Publizist und Politikberater. Lüders, geboren 1959 in Bremen, hat zahlreiche Bücher über den Nahen Osten verfasst, zuletzt „Armageddon im Orient“ (C. H. Beck, München 2018)

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Vordergründig mag die Regierung Trump die Ermordung des iranischen Generals Qassim Soleimani als „Erfolg“ ansehen. Tatsächlich aber hat Washington die Kunst, die Hardliner im Iran auf Kosten der Pragmatiker zu stärken, bis zur Perfektion gesteigert. Sowohl bei den iranischen Parlamentswahlen im Februar wie auch bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr werden die Gegner von Augenmaß und Kompromiss in Teheran einen Kantersieg einfahren.

Ihre Argumente, Verhandlungen mit dem Westen seien Zeitverschwendung, Verträge mit Washington das Papier nicht wert, auf denen sie geschrieben stehen, sind nicht einfach von der Hand zu weisen. Seit der einseitigen und rechtswidrigen Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran im Mai 2018 durch die Regierung Trump, gegen den erklärten Willen der übrigen Signatarstaaten – das sind die Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat plus Deutschland – eskaliert die Lage im Nahen und Mittleren Osten mittlerweile fast täglich.

Der Iran, das letzte Bollwerk im Nahen Osten 

Der Iran ist das letzte verbliebene Land im weiten Raum zwischen Marokko und Indonesien, dessen Politik  sich nicht an den Interessen der USA orientiert. Das gilt auch für Syrien unter Assad, doch spielt das Land, kriegszerstört, geopolitisch keine Rolle mehr. Die USA beanspruchen, gemeinsam mit ihren regionalen Verbündeten Israel und Saudi-Arabien, die Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten.

Der Iran ist hier das Bollwerk, das es zu schleifen gilt – um gleichzeitig Teherans Verbündete Moskau und Peking auf Distanz zu halten. Das ist der Kern des Konfliktes, der sich gegenwärtig gefährlich zuspitzt – vor allem infolge US-amerikanischer Selbstüberschätzung und einer zunehmend aus Vernichtungsphantasien bestehenden Rhetorik seitens Präsident Trumps gegenüber Teheran, die offenbar fehlendes strategisches Denkvermögen überspielen soll. 

Irans Führer sind keine „fanatischen Mullahs“

Man mag von der iranischen Führung halten, was man will, doch anders als von westlicher Politik und hiesigen Medien meist dargestellt, besteht sie keineswegs aus „fanatischen Mullahs“ und irrationalen Brandstiftern. Gerade in der Außenpolitik hat sie, nicht zuletzt im Zuge der Atomverhandlungen, Verhandlungsgeschick ebenso bewiesen wie Verlässlichkeit.

Nach Washingtons Aufkündigung des Atomabkommens und der Einführung völkerrechtswidriger Sekundärsanktionen, mit denen die USA auch Drittstaaten jeden Handel mit dem Iran unter Strafandrohung untersagen, hat Teheran sich ein Jahr lang, bis zum Mai 2019, weiterhin an das Atomabkommen gehalten. Doch die iranische Hoffnung, die E3 Staaten Deutschland, Großbritannien und Frankreich würden den wirtschaftlichen Schaden der Sanktionen zumindest teilweise kompensieren oder auf die USA einwirken, sie wenigstens abzuschwächen, erfüllte sich nicht. 

Der Kurs der USA verfolgt kein klares Ziel  

Daraufhin änderte Teheran seine Strategie und reagierte auf die Politik des „maximalen Drucks“ der USA mit „maximalem Gegendruck“. Das Ergebnis war die Eskalation der Spannungen im Persischen Golf bis hin zum Angriff auf die größte Erdölförderanlage der Welt im saudischen Abqaiq im September, wahrscheinlich ausgeführt von einer pro-iranischen Miliz. 

Die amerikanische Linie des „maximalen Drucks“ verfolgt allerdings kein klar benanntes Ziel, abgesehen von der stillschweigend erhofften „Kapitulation“ Teherans. Ernsthafte Verhandlungen jenseits unerfüllbarer Forderungen hatte die US-Regierung nicht im Sinn, abgesehen von gelegentlichen und vagen Gesprächsangeboten Trumps, die sich meist tags darauf selbst karikierten durch die Verhängung immer weitreichender Sanktionen. 

Die Europäer sollten sich von Trump distanzieren

Wie geht es nun weiter? Selbstverständlich wird die iranische Führung auf die Ermordung Soleimanis reagieren, die in hiesigen Medien gerne beschönigend als „gezielte Tötung“ oder „Luftschlag“ bezeichnet wird. Dabei steht sie nicht unter Zeitdruck. Es mag Wochen oder Monate dauern, bis die Reaktion erfolgt. Vermutlich nicht mit einem großen Knall, sondern mit wiederholten Nadelstichen und Angriffen auf amerikanische Interessen. Vor allem der Irak droht zum Schauplatz direkter militärischer Auseinandersetzungen zwischen den USA und dem Iran zu werden.

Deswegen auch hat das irakische Parlament die Regierung aufgefordert, alle ausländischen Truppen des Landes zu verweisen. Die Reaktion Trumps war eine erneute Drohung, dieses Mal gegenüber Bagdad: In dem Fall werde man den Irak mit Sanktionen überziehen, die noch härter wären als die gegen den Iran verhängten. Dass dergleichen imperiale Arroganz und Anmaßung dem langfristigen Ziel Irans, die USA militärisch aus der Region zu verdrängen, überaus entgegenkommt, dürfte jedem einleuchten, der Politik nicht verwechselt mit rauchenden Colts. 

Und die Europäer? Wären gut beraten, sich von der US-Politik deutlich und unmissverständlich zu distanzieren. Sollten die iranischen Gegenreaktionen den Amerikanern massiv schaden, werden sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den NATO-Bündnisfall ausrufen.  

Und dann?

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